Gemeinderat,
29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 94 von 133
Obdachlosigkeit widmen, mit dem wir auch schon sehr, sehr
lange befasst sind.
Meine erste und wesentliche Bemerkung ist eine
Kritik, die eigentlich schon in der Debatte zum Bereich Wohnen angebracht
gewesen wäre; ich bringe sie jetzt zum Ausdruck: Die Delogierungen in Wien
nehmen laufend zu. Wenngleich mir die Zahlen für das Jahr 2002 nicht
vorliegen - die Antwort auf meine Anfrage habe ich noch nicht erhalten -, so
muss dennoch festgestellt werden: Die Delogierungen nehmen laufend zu. Wien
delogiert Menschen aus Gemeindewohnungen, delogiert auch Familien aus
Gemeindewohnungen. Die Zahl dieser Fälle steigt, obwohl wir alle wissen, dass
das Verhindern von Delogierung um vieles günstiger und billiger kommt, als zu
delogieren und danach die Menschen ja doch wieder irgendwo unterbringen
beziehungsweise reintegrieren zu müssen. Es ist daher an und für sich
widersinnig, wenn die Unternehmung Wiener Wohnen im eigenen Bereich
wirtschaftlich handelt, wenn dieselbe Handlungsweise für Wien insgesamt, also
für die Stadt Wien äußerst unwirtschaftlich ist.
Ich fordere Wien daher auf, diese Delogierungspraxis
in Frage zu stellen, einen neuen Modus zu finden und die Delogierungsprävention
zu unterstützen und zu forcieren.
Darüber hinaus gibt es in Wien immer noch mehr
Obdachlose als Unterbringungsmöglichkeiten. Das hat die MA 12 ja durchaus
auch zugegeben. Wir haben in Wien um 700 oder 800 Wohnplätze zu wenig, und
wir sind damit konfrontiert, dass in etwa 500 Obdachlose - laut Angaben
der MA 12; wie viele es genau sind, weiß wahrscheinlich niemand -
tatsächlich auf der Straße leben - in Abbruchhäusern, in Kellern, in Waggons,
in der Lobau hinter irgendwelchen Büschen -, und viele von ihnen sind psychisch
krank. Ich deponiere es daher jetzt noch einmal auch in dieser Abteilung - ich
weiß, es gehört auch ins Gesundheitsressort, aber es gehört auch in den Rahmen
der MA 12 -:
Meine Damen und Herren! Es muss bezüglich dieser
psychisch kranken Obdachlosen, die auf der Straße herumgehen und irgendwo
schlafen, etwas geschehen! Es kann nicht sein, dass Wien akzeptiert, dass diese
Menschen einfach, ich nenne es jetzt einmal – unter Anführungszeichen -,
„herumkugeln“ und sich niemand um sie kümmert.
Meine Kollegin Sigrid Pilz hat bereits gestern das
Versagen des PSD in aller Ausführlichkeit geschildert, und ich habe dem im
Grunde genommen nichts hinzuzufügen, außer dem, dass ich sagen möchte: Und das
Ganze, dieses Versagen, dauert ja nunmehr mindestens schon zehn Jahre an. Es
kann doch nicht sein, dass sich eine Stadträtin nach der anderen vom PSD und
dem Leiter des PSD einfach bieten lässt, dass derartige Zustände einreißen, und
er tut, was er will, und politische Vorgaben nicht zählen!
Meine Forderung lautet daher: Erstens einmal, diese
Menschen brauchen Betreuung, Begleitung und Behandlung. Dazu bedarf es eines
Konzepts. Die MA 12 hat so etwas; die Mitarbeiter dieser Abteilung wissen,
was es braucht und was zu tun ist. Das Modell existiert, und es ist sicher ein
gutes – so weit ist mein Vertrauen absolut intakt. Es muss etwas geschehen, und
zwar rasch!
Ein nächster Punkt ist der von mir seit nunmehr zwei
Legislaturperioden eingebrachte Vorschlag, einkommensabhängige Tarife für die
öffentlichen Verkehrsmittel zu schaffen. Wie Sie alle wissen, ist es ja so,
dass Menschen, die alt sind, die sich im Pensionsalter befinden, um die Hälfte
vergünstigt fahren können, und zwar unabhängig von ihrem Einkommen. - Soll mir
alles recht sein. Wenn genug Geld da ist, ist das eine wunderbare Vorstellung,
dass auch Alter als Voraussetzung dafür geeignet ist, um den halben Fahrpreis
fahren zu können. Mir ging es aber darum, dass vor allem Menschen, die kein
Geld haben, die kein Einkommen oder wenig Einkommen haben, die
Arbeitslosenunterstützung, Notstandshilfe oder Sozialhilfe beziehen, ebenfalls
in den Genuss eines gestaffelten Beitrags kommen.
Ich habe den diesbezüglichen Antrag im März 1999
an StRin Brigitte Ederer gestellt, und ich habe die diesbezüglichen Anträge im
März 2002 an StR Rieder und StRin Laska gestellt. Die Antworten sind
teilweise so, dass man durchaus hoffen kann, dass auch Armut einmal dazu führen
wird, dass man derartige Ermäßigungen erhält. Die Einzige, die meinen Antrag
nicht beantwortet und sagt, der Antrag falle nicht in ihren Tätigkeitsbereich,
ist leider Frau StRin Laska, obwohl alle anderen Stadträte und Stadträtinnen in
ihren Antworten immer wieder darauf hinweisen, dass das ein Antrag ist, der
auch und eigentlich in den Bereich der MA 12 gehört. Und ich denke doch,
dass die MA 12 in den Bereich von Frau StRin Laska gehört. Die MA 12
ist nämlich jene Abteilung, die aus ihrem Budget heraus jene Ermäßigungen, die
es in diesem Bereich tatsächlich gibt, bezahlt.
Ich denke, Frau StRin Laska wäre gut beraten, diesen
Antrag zu beantworten, denn sonst müsste ich mich schon fragen, was es mit dem Demokratieverständnis
an sich auf sich hat. Anträge nicht zu beantworten, zu behaupten, sie fielen
nicht in ihren Tätigkeitsbereich, obwohl das nachweislich der Fall ist und von
StR Rieder und von Frau StRin Ederer bestätigt wurde - so kann es nicht sein! Und
Anfragen von mir nicht zu beantworten, weil sie zu umfangreich sind, geht wohl
auch nicht. Auch das ist kein modernes Demokratieverständnis und keines, das in
unserer Stadt Platz haben sollte.
Deshalb möchte ich jetzt abschließend, wenn wir schon vom Demokratieverständnis
sprechen, auch in diesem politischen Bereich darauf hinweisen, dass die
geplante Übersiedlung oder Überführung der MA 12 in den Fonds Soziales
Wien auch nicht gerade zum nächsten Demokratieschub dieser Stadt gehören wird.
Denn wenn dort im SP-Präsidium, begleitet von einem SP-Kuratorium und
unterstützt von einem SP-nahen Geschäftsführer, dann die SP untereinander alle
Informationen austauscht und alle Beschlüsse fasst und die Opposition draußen
vor der Tür steht und überhaupt nichts mehr damit zu tun hat - und die
derzeitigen Fondssatzungen auch nichts anderes vorsehen -, dann gute Nacht,
Demokratie in Wien! Da frage ich mich schon,
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