Gemeinderat,
29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 92 von 133
Bereich, insbesondere in die Bundeshauptstadt. Am ehesten
findet sich hier eine Gruppe von Landsleuten und somit soziale Strukturen, die
dabei unterstützen können, sich an die Lebensbedingungen in der fremden
Umgebung zu gewöhnen.
Von den geschätzten 1 500 UMF, die 2001 in Österreich
ankamen, waren 661 zumindest vorübergehend in Wien. Die in Wien vom
Jugendwohlfahrtsträger für UMF bereitgestellten Betreuungsstrukturen sind mit
der Aufnahme und Betreuung völlig überfordert. Den 661 Jugendlichen steht
ein Platzangebot der Gemeinde von gerade einmal 100 Plätzen gegenüber.
Aber selbst diese von der Gemeinde Wien offerierten Unterbringungsplätze
entsprechen nicht den sonst üblichen Standards der Jugendwohlfahrt.“
Da fragt man sich natürlich: Und was ist mit den 500
anderen? Kugeln die irgendwo herum? Sind das die, die dann manchmal von
Fernsehkameras irgendwo bei der Neuen Donau herumliegend eingefangen werden und
wo es darüber dann einen kurzen Bericht gibt? Wo sind die? Wie schaut das im
Jahr 2002 aus? Können wir bereits mit der Jubelmeldung an die
Öffentlichkeit gehen, dass alle untergebracht sind?
Die zweite Frage ist: Wie gibt es denn das, dass die,
die untergebracht wurden, der kleine Teil, qualitativ nicht genauso gut
untergebracht worden sind wie es dem üblichen Standard der Jugendwohlfahrt
entspricht? Das wiederum nämlich entspricht nicht der UNO-Konvention über die
Rechte der Kinder.
„Die Jugendwohlfahrt Wien ist immer weniger in der
Lage, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in eigene Einrichtungen
aufzunehmen. In den letzten Monaten wurde in einigen Fällen sogar die Polizei
gerufen, um Jugendliche vom Amt wegbringen zu lassen, nachdem sie sich
weigerten, ohne Zuweisung in eine Unterkunft und somit ohne Schlafplatz weg zu
gehen. Dabei sind in Wien durchaus freie Kapazitäten verfügbar.“
Gibt es das? Kann das stimmen, was hier jemand
schreibt und ungestraft veröffentlicht? Ein Buch, das in Wien käuflich ist?
Niemand hat dagegen geklagt? Es ist schwer vorstellbar.
Ist es wirklich vorstellbar, dass ein Amt für Jugend und
Familie, das die Aufgabe hat, das Jugendwohlfahrtsgesetz zu vollziehen und das
sich an die UNO-Konvention halten muss, tatsächlich die Polizei ruft und
Jugendliche aus dem Amt entfernen lässt und ihnen keinen Schlafplatz zuweist
und diese dann dort bleiben und deswegen dann die Polizei geholt wird? Ist das
vorstellbar? Oder haben Sie es nicht gelesen? Oder warum wurde dieses Buch
nicht geklagt? Ich kann mir das nur sehr, sehr schwer vorstellen.
„Einige Jugendeinrichtungen sind bereit, unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge in Wohngemeinschaften aufzunehmen und zu betreuen.
Aufgrund der hohen Kosten, die mit der Unterbringung und Betreuung der
Jugendlichen für den Jugendwohlfahrtsträger, sprich Wien, anfallen würden,
erfolgen jedoch keine Zuweisungen.“ Das heißt, die Behauptung geht ja noch
weiter! Da behauptet einer, es gibt freie Kapazitäten, es erfolgen aber keine
Zuweisungen, weil uns das zu teuer ist, weil das der Stadt Wien zu teuer kommt.
„Den vom Kompetenzzentrum Wien weggeschickten
Jugendlichen wird dann oft die Adresse eines Vereines gegeben und wenn sie
Glück haben, können sie dort in einem Zimmer ohne Matratzen für einige Tage
unentgeltlich am Boden schlafen. Essen oder sonstige Unterstützungsleistungen
gibt es nicht. Danach werden sie, wenn sie nicht für die weitere Unterkunft
bezahlen können, dem Leben auf der Straße überlassen.“
Gibt es das? Ist das möglich? Reden wir von Wien oder
wo sind wir eigentlich? Und warum wurde dieses Buch nicht geklagt? Oder stimmt
das, was hier steht? Wenn es aber stimmt, dann wird das Jugendwohlfahrtsgesetz
gebrochen und gegen die UNO-Konvention über die Rechte des Kindes eindeutig
verstoßen! Dann werden die Gesetze in dieser Stadt nicht mehr befolgt!
Es geht dann im Weiteren um ein weiteres Gesetz.
„Das Vorgehen der Behörden widerspricht eindeutig der
Weisung der VBgm Laska vom Oktober 1999, welche die mit der Problematik
befassten Stellen der Jugendwohlfahrt verpflichtet sicher zu stellen, dass kein
jugendlicher Flüchtling im Bereich Wien ohne Unterkunft ist. Trotzdem darf die
Verantwortung für diesen Missstand nicht bei den ausführenden Organen alleine
festgemacht werden, vielmehr sind die von der Politik zur Verfügung gestellten
Ressourcen völlig unzureichend.“
Also offensichtlich sind die Ressourcen, die wir zur
Verfügung stellen, unzureichend. Also ganz offensichtlich stellt StRin Laska
nicht ausreichende Ressourcen zur Verfügung, verlangt aber, dass das Amt keinen
Jugendlichen auf die Straße stellt. Oder stimmt das nicht und wie ist es dann
zu erklären?
Und was war im Jahr 2002? Wie sieht die Lage da
aus? Wieso gibt es keinen Bericht? Wieso werden derartige Probleme nicht
diskutiert? Wieso steht das nie zur Diskussion? Wieso befasst sich kein Mensch
damit und wieso schert das keinen?
Ich möchte Ihnen nun auch noch ein ganz normales
Schicksal aus diesem Buch vorlesen. Diese Zeit nehme ich mir noch. Ich bleibe
gerne etwas länger bei diesem Kapitel, denn ich finde, es ist das wert. Das
ganz normale Schicksal liest sich so:
O. wurde 1985 in Nigeria geboren und ist seit
Oktober 2001 in Österreich. Er stellte einen Antrag auf Asyl beim
Bundesasylamt Wien und wird in einer Einrichtung der Bundesbetreuung
untergebracht. Am 20.11.2001 soll er von Wien nach St. Johann im Pongau im
Bundesland Salzburg verlegt werden. Zusammen mit weiteren AsylwerberInnen
versäumt O. den Bus. Als Konsequenz wird er aus der Bundesbetreuung entlassen -
"angemessene Strafe", oder? - und versucht, bei der Caritas
Unterschlupf zu finden. Von dort wird er, weil er minderjährig ist, an das
Jugendamt verwiesen. Der zuständige Mitarbeiter der MA 11 schickt ihn, da
er keine Unterkunft anbieten kann, zu einer privaten Einrichtung. Dort kann O.
eine Nacht bleiben, aber, als er um eine längere Unterbringung anfragt, falls
er 2 500 S pro Monat bezahlen kann, ein Zimmer anmieten.
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