Gemeinderat,
29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 133
Spottlieder zulassen, dann lassen Sie auch zu, dass ein
entsprechendes Eskalationsniveau erreicht wird. Gewalt beginnt meistens in der
Gewalt von Sprache, und das lehnen wir ab! (Beifall bei der ÖVP.)
Da Sie sich hier so sehr darüber aufgeregt haben,
dass ich gesagt habe, dass Personalvertreter dieser Stadt oft kein Gespür für
ihre Grenzen haben, nenne ich Ihnen auch ein konkretes Beispiel. Als der Wiener
Gemeinderat mit Mehrheit beschlossen hat, dass die Wiener Linien am 1. Mai
zu fahren haben, hat der damalige Vorsitzende, als Personalvertreter, gesagt:
Der Wiener Gemeinderat kann beschließen, was er will, wir fahren nicht!
Da muss man - das sage ich in aller Deutlichkeit -
zur Ehrenrettung der damals verantwortlichen Finanzstadträtin Mag Ederer sagen:
Sie war gegen diesen Beschluss des Gemeinderats und hatte ihn im Vorfeld auch
bekämpft, aber nachdem er gefallen war, ist sie selbstverständlich ihrer
staatspolitisch einzig möglichen Verantwortung nachgekommen, nämlich diesen
Beschluss zu exekutieren. Nur das, und nichts anderes, kann die Aufgabe einer
Stadträtin dieser Stadt sein, egal von welcher Partei sie kommt! (Beifall
bei der ÖVP sowie des GR Kurth-Bodo Blind und der GRin Heike Trammer. - VBgm Dr
Sepp Rieder: Aber der Gemeinderat hat kein Demonstrationsverbot beschlossen!)
Ich komme auch zu dem Punkt. Natürlich hat jeder
Staatsbürger ... (VBgm Dr Sepp Rieder: Er könnte es auch nicht beschließen!
Weil das ein politisches Grundrecht ist!)
Hören Sie mir zu, ich gehe darauf ein, ich komme genau zu dem Punkt. Natürlich
hat jeder Staatsbürger das demokratische Recht, gegen eine Pensionsreform zu
demonstrieren. Er hat auch das Recht, das lautstark zu tun, es auf der Straße
zu tun und so weiter. Auch die Bauern haben das Recht, dies zu tun. Nur ist es
ein Unterschied, ob dies Sicherheitskräfte mit vollem Einsatzgerät tun oder ob
dies Menschen in ihrer Freizeit tun. (GR Dr Kurt Stürzenbecher:
Sicherheitskräfte ...! - GRin Ursula Lettner: ... nicht dürfen!) Wenn Sie diesen
Unterschied nicht erkennen, tut es mir Leid, dann kann ich Ihnen wirklich nicht
helfen.
Eines sage ich auch in aller Klarheit: Die
Entscheidung darüber, ob eine Pensionsreform beschlossen wird und wie eine
Pensionsreform beschlossen wird, wird ausschließlich von der Mehrheit im
Parlament beschlossen - nicht auf der Straße, sondern nur dort! Das ist das
Grundprinzip, dem wir alle uns verpflichtet fühlen sollten. (Beifall bei der
ÖVP. - GR Dr Kurt Stürzenbecher: Die Feuerwehr gehört zu den Sicherheitskräften?
Schauen Sie nach! Sie reden von etwas, wovon Sie keine Ahnung haben! - Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Warum dieses Thema heute so heikel ist? - Ich sage es
Ihnen: Es beginnt immer mit der Gewalt der Sprache, und - da gibt es auch
jemand, der jetzt gerade nicht da ist - es hat auch ein Mitglied unseres Hauses
gegeben, bei dem es dann von der Sprache zur tatsächlichen körperlichen Attacke
gekommen ist. Ich habe das damals auch im Gemeinderat gesagt: Im Gegensatz zu
manchen anderen Kollegen habe ich das so genannte Tortenattentat auf Herrn Mag
Kabas nicht als lustig empfunden, und ich habe auch die sehr lasche Verfolgung
dieses Attentats nicht als lustig empfunden, weil ich Solidarität mit jedem
Mitglied dieses Hauses habe, das entweder körperlich bedroht wird oder das dann
tatsächlich physisch angegriffen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei
Gemeinderäten der FPÖ.)
Gewalt produziert immer nur Gewalt. Wir alle wissen,
dass der deutsche Außenminister Joschka Fischer eine entsprechende
Vergangenheit hat. Jedem Menschen steht es zu, sich zu ändern, nur war es kein
Zufall, kann man sagen, dass dann genau ihm - ich glaube, es war vor drei
Jahren - auf einem Parteitag der GRÜNEN von einem Vertreter seiner eigenen
Partei mit einem Farbbeutel das Trommelfell zerstört wurde. Das zeigt nur,
Gewalt schafft immer Gewalt. Wir müssen daher als politische Mandatare im
Vorfeld ungemein sensibel sein (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Aber Ihre ... ist
nicht sensibel!) und uns hier auch noch gegen das kleinste Vorkommnis, das es
gibt, in einer gemeinsamen Solidarität verteidigen. (Beifall bei der ÖVP. -
GR Karlheinz Hora: Machen Sie die Pensionsreform-Abstimmung, wenn Sie ...!)
Der Vertreter der GRÜNEN, Herr Margulies, hat gestern
gesagt, er ist froh, wenn sich die überparteiliche Feuerwehr gegen die
Pensionsreform zur Wehr setzt und eine wirklich harmlose Maßnahme vor der
ÖVP-Zentrale setzt. - Nein, er hat nicht Recht! Es gibt sehr wohl Gruppen im
Staat, die nicht das Recht haben, mit den ihnen vom Staat zur Verfügung gestellten
Mitteln zu demonstrieren, nämlich jene, die das legitime Gewaltmonopol des
Staates haben. Empörte Wiener Polizisten haben nie das Recht, eine
Parteizentrale zu bedrohen. (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Die Polizei hat ein
Gewaltmonopol, nicht die Feuerwehr!) Bundessicherheitskräfte haben nie das
Recht, sich in eine innenpolitische Auseinandersetzung einzumischen (GR
Harry Kopietz: Er hat keine Ahnung!) - ja, das ist auch das für Sie
Unangenehme, dass es sich hier sehr wohl um einen Sicherheitskörper gehandelt
hat; deswegen ist Ihnen dieser Misstrauensantrag auch so unangenehm -, die
haben nie das Recht, sich in eine aktuelle Auseinandersetzung einzumischen.
Denn - das frage ich Sie auch sehr klar - wo ist dann
die Grenze einer derartigen Auseinandersetzung? Denken Sie einmal konsequent
durch, was es bedeutet, wenn irgendwann auf der einen Seite eine amtsführende
Stadträtin steht, die sich mit einer Aktion solidarisiert, und auf der anderen
Seite ein Innenminister steht, der sich auch mit einer Aktion solidarisiert!
Das soll Ihnen nur die Gefährlichkeit dieser Handlungsweise aufzeigen.
Dieses mangelnde rechtsstaatliche Empfinden vieler Linker
haben wir schon im Fall des Innenministers Strasser vor kurzer Zeit erlebt. Sie
haben ihm auf der einen Seite zugejubelt, dass er linksextreme Demonstrationen
gegen die damalige Regierung nicht verboten hat, und sie haben ihn verdammt,
als er rechtsextreme Demonstrationen nicht rundweg ohne vorherige Prüfung der
Rechtmäßigkeit verboten hat. Die richtige
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