Gemeinderat,
29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 133
Eintracht.
Wir Freiheitlichen sehen gerade in diesem Bereich
einen sehr wichtigen Verantwortungsbereich, nämlich wir wollen das fördern, was
das Gemeinsame fördert, wir wollen das fördern, was dem Gemeinwohl
entgegenkommt, und wir wollen das fördern, was dem sozialen und kulturellen
Frieden dient. Wenn also jetzt aus dem gesamten Bereich der Freien Gruppen
wirklich freie Gruppen werden sollen, dann werden wir das unterstützen.
Ich komme nun zu einem Bereich, der mir und auch
allen Freiheitlichen ganz besonders am Herzen liegt, es ist der Bereich der
Bildung, vor allem der musischen Bildung. Hier sind in den letzten Jahren wohl
die größten Defizite, die gröbsten Fehler entstanden, nämlich dass man die
Zukunft unserer Jugend viel zu wenig gefördert hat.
Ein Beispiel ist die gescheiterte Schwerpunktsetzung,
was Bildung angeht. Ich rufe noch einmal den Fehlstart der Wiener
Fachhochschuloffensive in Erinnerung. Wir haben das gestern besprochen, und man
sollte das schon in Erinnerung rufen, denn da waren 14 Millionen EUR
vorgesehen, die nicht budgetwirksam wurden. Hier möchte ich, Herr StR
Mailath-Pokorny, auf diese Strategie eingehen – und da gebe ich meinem
Vorredner Recht, dass man immer wieder hervorhebt, der Bund macht alles
schlecht und Wien muss immer alles korrigieren.
Ein Beispiel: Die Bundesausgaben für Bildung und
Wissenschaft weisen eine Steigerung auf, und zwar eine Steigerung vom Jahr 1999
bis zum Jahr 2004 um 1 538 Millionen EUR. Ich meine, das ist
immerhin ein gewaltiges Plus, und dieser Mythos, der hier aufgebaut wird, dass
Wien das politische Gegengewicht sein muss, also dass Wien alles besser mache
als der Bund, ist mit so einer Zahl leicht zu entzaubern.
Also was macht jetzt das sozialdemokratische Wien mit
den Bildungsauftrag hinsichtlich der musikalischen Bildung? Kurz gesagt:
Nichts! Dieses Wort "nichts" ist nämlich wirklich ein Drama. Sie
kennen ja alle den Ruf Wiens: Wien ist Musik. Das stimmt, Wien ist Musik, aber
dieser Ruf, der Wien vorauseilt, bezieht sich eigentlich eher auf die
traditionsreichen Institutionen, aber nicht auf die Ausbildung unserer Jugend.
Die Musikerziehung ist im Vergleich mit allen internationalen Studien, aber
auch im Vergleich mit den Bundesländern in ein ganz dramatisches Hintertreffen
geraten, und alle Bemühungen – wir haben schon vor sechs Jahren damit begonnen
– haben bis jetzt noch keine Früchte getragen.
Nun gibt es aber Hoffnung, denn nun gibt es das erste
Statistische Jahrbuch der Musikschulen in Österreich. Ich habe mir auch
erlaubt, Ihnen das bei unserer Enquete zu geben, Herr Stadtrat. Sie haben sich
sicher schon die Zahlen angeschaut. Ich finde, in der Kulturpolitik sind
systematisch entwickelte Zahlen sehr wichtig, denn man kann Strukturvergleiche
machen. Schon seit der Diskussion über die PISA-Studie ist es in der
Kulturpolitik und in der Bildungspolitik unentbehrlich geworden, dass man die
Bedeutung der Zahlen des systematischen Vergleichs wegen heranzieht.
Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind groß
und von nachhaltiger Wirkung, und leider gibt es in Wien im Vergleich mit
anderen Bundesländern die Erkenntnis, dass wir das Schlusslicht sind. Ich habe
nur einige grundlegende Zahlen herausgenommen. Es ist mühsam, ein bisschen über
Zahlen zu sprechen, aber ich bitte Sie doch zuzuhören, damit Sie verstehen,
warum wir seit vielen Jahren immer wieder mit diesem Thema beim Budget und beim
Rechnungsabschluss an die Öffentlichkeit gehen.
In Österreich gibt es 155 427 Musikschüler,
es gibt 416 Musikschulen. Allein die Tatsache, dass zum Beispiel
Niederösterreich und Oberösterreich zusammen über die Hälfte aller Musikschüler
haben, ist ja schon einmal sehr interessant. In Niederösterreich gibt es rund
45 000 Musikschüler, in Oberösterreich 36 000 Musikschüler,
in der Steiermark 20 000, und in Wien – Sie werden es nicht glauben – gibt
es 4 941. (Zwischenruf der GRin
Rosemarie Polkorab.) Nein, Frau Kollegin Polkorab, Sie wissen ganz genau –
und ich weiß, dass das auch Ihnen ein Anliegen ist –, dass hier wirklich ganz
grobe Defizite sind und dass man hier wirklich unbedingt aufholen muss.
Noch ein Beispiel: In Niederösterreich gibt es
168 Hauptanstalten von Musikschulen, in Oberösterreich 65, in der
Steiermark 47, in Wien hingegen nur 17. (GRin Rosemarie Polkorab: Das sind nur die Hauptstandorte!) Nein,
ich habe genau die Hauptstandorte ausgewählt, ich habe genau die Vergleiche
angestellt. Frau Kollegin Polkorab, ich glaube, die Herausgeber dieses
Statistischen Jahrbuchs sind sehr seriös, sie arbeiten an der Universität, sie
haben zwei Jahre an diesem Werk gearbeitet. Es soll eine Hilfe für Politiker
sein. Wir wollen doch die Ergebnisse nicht schlecht machen, es wäre doch viel
klüger, wir würden so einen Rechnungsabschluss nützen, um gemeinsam darüber
nachzudenken, wie wir das Defizit aufholen. Ich glaube, es ist müßig, da jetzt
herumzukritteln. Es ist eindeutig – ganz egal, wie ich die Zahlen herauslese –,
dass immer Wien das Schlusslicht ist. Und wenn ich das jetzt erkenne, dann ist
es wohl wichtig, dass ich danach handle.
Noch eine letzte Zahl, damit ich Sie nicht zu sehr
langweile: Im Österreichschnitt sind von 1 000 Jugendlichen 55 an einer
Musikschule eingeschrieben, also im Durchschnitt sind 55 von 1 000
Jugendlichen an einer Musikschule eingeschrieben. Hier sieht man ganz deutlich
die Unterschiede. In Vorarlberg gibt es die meisten, da gibt es 95 von
1 000, in Niederösterreich gibt es 87, in Oberösterreich 73 und in Wien –
wieder das Schlusslicht – 10.
Also man muss ganz einfach diese Defizite und Mängel des
Musikschulwesens erkennen. Herr StR Mailath-Pokorny, ich traue Ihnen das zu.
Sie sind jemand, der Defiziten ins Auge sieht und handelt. Ich bitte Sie, dass
Sie das auch hier tun und dass Sie hier ganz einfach aktiv werden. Denn das
erklärte Ziel soll die Weiterführung der außergewöhnlichen und sprichwörtlichen
Tradition als Musikstadt bleiben, und das soll auch von
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