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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 14 von 133

 

Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, so lange bis auch das Kontrollamt unsere Kritik als gerechtfertigt angesehen und darauf hingewiesen hat, dass seitens dieser Gruppen sehr viele Gelder einfach angenommen wurden von der Stadt Wien, dass man aber nichts umgesetzt hat.

 

Also endlich wird das in Angriff genommen, und ich muss sagen, auch hier freuen wir uns natürlich, dass Herr StR Mailath-Pokorny es wagt, eine Verbesserung zumindest einmal zu wünschen. Es liegt eine Theaterstudie vor, und nun besteht Hoffnung, dass etwas geschieht. Die Analyse der Studie ist ausgezeichnet. Es werden die Defizite klar herausgearbeitet – das ist schon einmal wichtig, damit man dann auch Schlüsse daraus ziehen und reagieren kann –, die Evaluierung entspricht der Kritik, die wir Freiheitlichen seit Jahren einbringen. Spät, aber immerhin, man reagiert. Ein früheres Erkennen-Wollen wäre schon sehr gut gewesen, man hätte mit der Reform viel früher schon anfangen können.

 

Als Defizite sind angeführt: bleierne Stagnation, Scheitern des Beiratsystems, ein uneffizientes Gießkannensystem, keine Transparenz, keine Öffentlichkeit. Das Kontrollamt hat das alles, wie gesagt, bestätigt, und StR Mailath-Pokorny will die Sache immerhin angehen. Doch unserer Meinung nach dräuen auch hier Gefahren, nämlich dass die Subventionen weiterhin ein gesellschaftspolitischer Steuerungsmechanismus bleiben werden. Die sogenannte Konzeptförderung birgt die Gefahr in sich, dass das Kulturressort weiterhin das Ideologieressort bleibt.

 

Man kann sich fragen: Warum glaubt das die Unterreiner? Ich möchte das hier schon erläutern. Die Diktion der Studie verrät nämlich noch immer Klassenkämpferisches. Da ist einmal die Herabwürdigung des so genannten Bildungsbürgertums, dann zum Beispiel die Diktion "Etablierung einer multikulturellen Migranten-Kulturszene". Diesen Begriff hat man aus dem Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik herausgeholt. Das war so eine Art SPÖ-Kulturprogramm noch in der Klima-Ära. Damals hat Mailath-Pokorny daran mitgearbeitet, er war federführend. Also wenn das von dort herübergeholt wird, muss man ja annehmen, dass das vielleicht auch seine politischen Wünsche sind.

 

Oder eine Diktion – ich zitiere –: "Neue ästhetische und politische Fragestellungen aufbrechen und nachhaltig verändern". Das erinnert mich so ein bisschen an Pasterk – auch Sie alle werden sich noch erinnern können – und ihr "Brechen imperialer Achsen". Das ist eine Diktion so ein bisserl nach Gramsci, dem Mitbegründer der KPI: aufbrechen und gesellschaftspolitisch veränderte Strukturen aufbauen.

 

Ich kann mich noch gut erinnern. Wohin hat denn das damals geführt? Es hat damals zu Kulturbauten geführt, die eine richtig zu Beton gewordene sozialistische Unfähigkeit dokumentierten. Sie wissen ja alle, dass wir mit dem Kulturbau des Museumsquartiers nicht zufrieden sind. Betonbunker in ein Barockensemble hineinzupflocken, haben wir immer für falsch gefunden.

 

Also alle diese politischen Vorgaben sind unserer Meinung nach uralt, verstaubt, in der Pasterk-Ära allerdings noch hochgeachtet. Das ist ja auch der Grund gewesen, warum man diesen Gruppen eine Spielwiese gegeben hat. Genau diese Vorgaben waren es aber auch, warum das Ganze gescheitert ist. Deswegen wäre es jetzt sehr wichtig, sich von diesen Vorgaben, von diesen uralten Denkweisen zu verabschieden.

 

Jetzt kommt es eben drauf an, Herr StR Mailath-Pokorny, ob Sie wirklich diesen ganzen Bereich einer modernen Kulturpolitik zuführen, nämlich weitab von einer parteipolitischen Einflussnahme. Denn wenn Sie weiterhin bei diesem Denken bleiben – und wenn man das durchliest, muss man das eben befürchten, deswegen führe ich das jetzt an –, zum Beispiel bei diesem Anspruchsdenken der Kulturschaffenden – das Wort "Selbstausbeutung" hat ja auch so etwas Klassenkämpferisches an sich – oder wenn man daran denkt – ich weiß, die Maria Ringler amüsiert das immer wieder, aber ich muss das immer wieder bringen –, dass man einfach nur zusätzliche Häuser haben möchte, sogenannte Koproduktionshäuser, also wenn das alles ist, dann ist uns das zu wenig.

 

Wenn Sie sich dem Publikum gegenüber verantwortlich fühlen würden, Herr Stadtrat, und nicht nur den so genannten Kulturschaffenden, dann hätten Sie in uns auch einen Partner, wenn Sie aber weiterhin Gesellschaftspolitik entwickeln und nicht den jungen talentierten Künstlern eine Möglichkeit geben wollen, dann können wir nicht mitgehen. Wir hoffen, dass Sie jetzt nicht nur ein aufgeblähteres System installieren, in dem weiterhin linke Gesellschaftspolitik gemacht werden soll.

 

Noch einmal – ich zitiere –: "Im Freien Theater herrscht eine andere Ästhetik vor." Welche Ästhetik? Wie wird sie vorgeschrieben? Wer diktiert diese Ästhetik? Also ich würde sagen, man kann diese Dinge nicht einfach vorgeben und sagen: Jenseits der bürgerlichen Abendunterhaltung, jenseits tradierter Stadt- und Staatstheater. Das muss man ja nicht vorgeben, das sollte man wirklich offen lassen, es sollen ja wirklich freie Gruppen sein. Dann könnten Sie auch unsere Zustimmung haben.

 

Wenn jetzt vorgegeben werden soll, mehr fremdsprachiges Theater oder, wie gesagt, die Etablierung einer multikulturellen Migrantenkultur, dann werden wir nicht mitgehen können, und ich möchte das jetzt schon erklären. Wir wünschen genau das Gegenteil. Wir wollen nämlich, dass die Menschen, die zu uns kommen und die bei uns bleiben wollen, sich integrieren. Ihre Politik, Herr StR Mailath-Pokorny – wenn Sie das dann wirklich so vorhaben, ich weiß es noch nicht genau –, Ihre Politik einer Etablierung einer multikulturellen Migrantenkultur ist nicht integrierend, sondern sie ist polarisierend. Das fördert die Ghettobildung, das fördert eine Reservatsbildung, es fördert einen fremden Kulturraum in unserem Kulturraum. Das verstärkt dadurch immer mehr die Unterschiede und verhindert so das Sich-Einfügen der Zuwanderer in unseren Kulturkreis. Das heißt, es hemmt das Zusammenfinden, es hemmt das Zusammenwachsen, es entstehen Parallelgesellschaften, es entsteht Trennendes statt Einendes, es entsteht Zwist statt

 

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