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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 23.06.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 122

 

die vor den Gebäuden abgestellte Polizei wirklich ein Sicherheitsgefühl bei der jüdischen Bevölkerung hervorrufen kann. Ich weiß, dass Sicherheitseinrichtungen, technische Sicherheitseinrichtungen gefördert wurden, das stimmt. Aber haben Sie einmal die Polizei zum Beispiel in der Seitenstettengasse beobachtet? Ich sehe ein, es ist ein fader Job, aber sie ist überall zu finden, nur nicht vor der Synagoge, und ich würde sagen, ich würde die Schuld hier nicht den Polizisten geben, sondern ich würde sagen, die Organisation ist hier ganz miserabel und es sind einfach zu wenig Sicherheitskräfte abgestellt.

 

Und glauben Sie nicht, wir leben auf einer Insel der Seligen, was die Attacken gegen die Juden betrifft. Besonders die orthodoxen Juden sind wieder gefährdet. Vor fünf Wochen wurde der Leiter der Lauder Chabad-Schule, ein Rabbiner, auf offener Straße niedergetreten und vor den Augen seiner Kinder geschlagen. Ich habe ihn gefragt, ob er daraufhin meint, dass das Klima den Juden gegenüber wieder schlechter geworden ist, und er sagte ja, Anpöbelungen kommen wieder häufiger vor.

 

Die Kultusgemeinde gibt im Jahr 2 Millionen EUR für Sicherheitsvorkehrungen aus und sicher nicht, um abgetakelte Mossad-Agenten zu unterstützen. Ich kenne einige dieser jungen Männer, es sind sicher nicht alle, aber einige die Enkelkinder von ehemaligen Holocaustverfolgten, die hier für die Sicherheit zusätzlich sorgen.

 

Deutschland sorgt vor allem für die Amtsträger der Kultusgemeinden, es sorgt für die Sicherheitsvorkehrungen und es sorgte für den Aufbau der Gemeinde nach dem Krieg und es sorgte für die jüdische Zuwanderung und damit für die Aufstockung der jüdischen Bevölkerung, die natürlich auch für den Erhalt der Kultusgemeinde eine Voraussetzung ist. Österreichische Politiker haben sich zwar jetzt endlich zu Entschädigungszahlungen durchgerungen, aber nichts zur tätigen Hilfe für den Erhalt der jüdischen Gemeinde beigetragen. Auf Drängen der USA hat man einen Entschädigungsfonds eingerichtet, aber hier wurde auch noch lange nicht alles getan. Und wenn die Politik jetzt berühmte Juden aus den USA einlädt, dann ist das ein ganz hilfloser Versuch, noch nachträglich ein bisschen, ja, gut Wind zu  machen für unsere Einstellung zur jüdischen Bevölkerung. Ja und meistens sind es ja Nobelpreisträger, aber jedenfalls berühmt sollen sie sein, auf die anderen können wir verzichten.

 

Alles in allem ist es eine beschämende Situation für Österreich. Eine flaue Kreditzusage und damit der Rat, die IKG soll schauen wie sie damit zu Rande kommt, ist eine Schande für Österreich, weil es deutlich zeigt, dass man sich hinter der Meinung versteckt, wir haben schon so viel getan, und je weniger Juden wir haben, umso weniger Probleme haben wir.

 

Und der Hinweis, die IKG soll sich doch an den Entschädigungsfonds wenden: Ist das eine Ignoranz des Gesetzes über den Entschädigungsfonds, oder ist es eine Impertinenz? Denn der Entschädigungsfonds ist allein da für Entschädigung von Opfern zwischen 1938 und 1945 und sicher nicht zum heutigen Erhalt und Leben der Kultusgemeinde geschaffen. Wir werden uns daher dieser populistischen Politik nicht anschließen, die sich eben in dem Satz zusammenfasst, es soll doch endlich Schluss sein und bitte schön, am besten, bevor es richtig angefangen hat.

 

Und dass der Antisemitismus europaweit wieder im Ansteigen begriffen ist, das haben wir letzte Woche bei der Konferenz der OSZE gehört, und das sollte uns wirklich zu denken geben. Ich appelliere an die Österreichische Bundesregierung, hier Mut und Größe zu beweisen und endlich Gerechtigkeit walten zu lassen und den Erhalt der Israelitischen Kultusgemeinde finanziell großzügig zu unterstützen.

 

Ich bitte Sie alle, diesem Antrag, der von Dr LUDWIG unterstützt wird, zuzustimmen, um in Zeiten wie diesen, in denen ein europaweiter Anstieg des Antisemitismus zu verzeichnen ist, ein nachdrückliches Bekenntnis zum jüdischen Leben in Wien abzugeben.

 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: So, ich danke schön, und jetzt wird es dann gleich zum Foto kommen.

 

Als Nächste zum Wort gemeldet ist die Frau GRin Martina Malyar. Bitte schön.

 

GRin Martina Malyar (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Berichterstatter! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der vorliegende Rechnungsabschluss wird je nach verschiedenem Rollenverständnis, ob man Oppositionspartei oder Regierungspartei ist, höchst unterschiedlich interpretiert.

 

Die Oppositionsparteien sehen in dem vorliegenden Zahlenwerk ein halb leeres Glas. Wir VertreterInnen der Regierungspartei erkennen aus den Ergebnissen natürlich ein halb volles Glas.

 

Die Oppositionsparteien lehnen das Zahlenwerk ab. Die VertreterInnen der Regierungspartei stimmen natürlich zu.

 

Die Oppositionsparteien führen einige Problembereiche an. Wir VertreterInnen der Regierungspartei heben die besonderen Leistungen und Maßnahmen hervor, die uns Wienerinnen und Wiener wohltuend von den anderen Bundesländern unterscheidet und auch von der Regierungspolitik.

 

Jeder Wiener und jede Wienerin kann sich dann selbst ein Urteil bilden, ob das Glas jetzt entweder halb leer oder halb voll ist. (Heiterkeit bei der ÖVP und FPÖ.) Ich meine, und es ist immer sehr schwierig, Beispiele nachzuvollziehen, dass das Glas halb voll ist, weil Häupl und sein Team sorgsam und vor allem verantwortungsbewusst mit Steuergeldern umgehen. (Aufregung bei StRin Karin Landauer.) Zum Beispiel zeigt der Finanzierungssaldo entsprechend eine Stabilität zum österreichischen Stabilitätspakt 2001.

 

Wir haben in Wien enorme Geldmittel in die Hand genommen, um die Wissenschaft (StRin Karin Landauer: Sie wissen schon, dass das Steuergelder sind!) und auch die Industrie und die Arbeitsmarktpolitik zu fördern,

 

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