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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 23.06.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 122

 

Juden waren in dieser Zeit ohnedies lediglich Geldgeschäfte und Altwarenhandel erlaubt und trotzdem fingen Hetzjagden an mit Gerüchten um Hostienschändung und ähnlichem Unsinn. Daraufhin hat man die armen Juden gleich vertrieben und den reichen hat man dann ihr Vermögen abgenommen. Die Kirche hat sich dann auch eingeschaltet und meinte, also die Juden sollen sich gefälligst taufen lassen, damit sie gute Christen werden, nämlich so gute Christen wie sie selber sind, falls sie das aber nicht wollen und nicht tun, dann wird man sie verbrennen. Und das hat man dann auch gemacht. 88 Wagen wurden vollgefüllt mit jüdischen Menschen, nach Erdberg transportiert und dort verbrannt. Öffentlich.

 

Aber dazu muss man sagen, die Zeiten waren damals schlecht und man war wahrscheinlich zu dieser Zeit auch noch relativ barbarisch, schließlich hat man ja auch Frauen und Ketzer verbrannt und den Bürgermeister, nachdem er sich zur falschen Seite bekannt hatte, hat man geköpft. Also, insofern ist das eine Zeit, die wir uns wirklich nicht als Vorbild nehmen.

 

Gehen wir weiter in der Geschichte: Die nächste Ansiedlung der Juden durfte schon nicht innerhalb der Stadtmauern stattfinden, sondern man hat sie auf eine Insel verfrachtet, und das war Im Werd, im späteren 2. Wiener Gemeindebezirk.

 

1670 war man schon ein bisschen kultivierter, glaube ich. Jedenfalls haben aber damals ebenfalls Hetzjagden gegen Juden begonnen, ein Gefasel von Hostienschändungen, und als dann ein Mord an einer Frau geschah, hat man gesagt, das waren hundertprozentig die Juden. Als man den Mörder, nämlich ihren eigenen Ehemann, gefunden hat, da haben sie gesagt, das haben sich die Juden nur ausgedacht, die haben die Richter bestochen, es waren die Juden.

 

Was war der Hintergrund? Die Zeiten waren schlecht, Kaiser Leopold brauchte Geld. Was lag näher, als dass man die Juden wieder einmal vertrieben und ihnen das Geld und das Vermögen abgenommen hat. Sie haben es selbst auf dieser Insel zu einigem Vermögen gebracht, es waren sehr gefragte Ärzte, und so weiter. Mit ein Grund war die erzkatholische, spanische Frau von Kaiser Leopold.

 

Die ganze Sache der Judenvertreibung hat man wieder einmal einem Bischof überantwortet, Bischof Kolonitz. Ich nehme an, Sie kennen sein Denkmal draußen  vorm Rathaus, und sein Adlatus war Johann Ignaz Arnezhofer, der erste Pfarrer in der Kirche in der Leopoldstadt. Er hat diese Pfarre bekommen, weil er in seinem Bewerbungsschreibung angegeben hat, wie tätig und engagiert er schließlich bei der Judenvertreibung war.

 

Diesmal war man allerdings etwas weniger barbarisch, man hat den Juden nur gesagt, sie müssen innerhalb von 24 Stunden die Insel verlassen und sie dürfen nur mitnehmen, was sie tragen können. Man muss dazu sagen, Fürst Esterhazy im Burgenland hat sehr viele von ihnen aufgenommen.

 

Ja, jetzt werden Sie wahrscheinlich schon ungeduldig und sagen, was hat das bitteschön mit Ihrem Antrag und den heutigen Problemen der Kultusgemeinde zu tun. Nun ja, ich wollte Ihnen eigentlich nur die österreichische Tradition im Umgang mit seiner jüdischen Bevölkerung wieder einmal vor Augen führen und zeigen, dass sich in unserer zivilisierten, kultivierten Welt auch noch nicht sehr viel in dieser Richtung geändert hat, denn Ende des 19. Jahrhunderts hat sich Bürgermeister Karl Lueger daran erinnert, dass man mit Antisemitismus Stimmen gewinnen kann und er hat sich auch erinnert, dass Arnezhofer da bestimmt ein guter Partner ist, insofern dass er eine Straße nach ihm benennt. 1906 bekam Arnezhofer eine Straße in der Leopoldstadt, die es immer noch gibt.

 

Ja, Hitler konnte in Wien sehr gut lernen - vor allem bei Schönerer - was den Antisemitismus betrifft und wir wissen alle, er hat ihn gründlich studiert. Nach dem 1. Weltkrieg war die Lage in Österreich wirtschaftlich katastrophal, und da die Menschen in schlechten Zeiten immer einen Sündenbock brauchen, was lag näher, als sich wieder an die Juden zu erinnern. Die Zeit von 1938 bis 1945 brauche ich Ihnen, glaube ich, nicht zu erklären. Einige von Ihnen waren vielleicht damals schon auf der Welt, ich war es jedenfalls als Kind.

 

Ab dem 12. März begannen die Denunzierungen, 9. November-Pogrom, sämtliche Kultusgemeinden, sämtliche Synagogen, Tempel und so weiter wurden zerstört, niedergebrannt. Fliehen konnten sie hier noch, es wurde ihnen sogar angetragen, das Land zu verlassen, wenn sie sehr viel Geld hatten und eine sehr hohe Reichsfluchtsteuer bezahlen konnten. Der Rest wurde in Sammellager gepfercht und nach Auschwitz deportiert oder in andere Konzentrationslager. Auch Kinder hat man deportiert, vom Wiener Nordbahnhof weg, nach Auschwitz und Theresienstadt.

 

Wie die 6 Millionen Juden ermordet wurden, kann ich ihnen ersparen. 65 000 Wiener allein waren es. Ihre Tafeln können sie in der Synagoge nachlesen. Das ist 64 Jahre her und wir sind keine Barbaren mehr, sondern ein zivilisiertes, kultiviertes Volk.

 

Und nun nach 1945: Österreich hat die vertriebenen Juden nie eingeladen, zurück zu kommen und diejenigen, die es gewagt haben zurück zu kommen und dann vielleicht auch noch ihr Vermögen zurückverlangen, die waren hier schlecht bedient. “Die Sache so lange wie möglich hinauszuzögern“, ist ein ganz berühmtes Zitat eines Politikers von damals. Das zeigt das Unrechtsbewusstsein dieser Bevölkerungsgruppe auch nach 1945. Man hat sich keine Mühe gegeben, den Wiederaufbau der Kultusgemeinde zu unterstützen. Die Stimmung in der Bevölkerung war nach dem Krieg nicht judenfreundlicher und ich würde behaupten, judenfreundlich ist sie auch heute noch nicht.

 

Viel arisiertes Vermögen wurde bis heute nicht zurück gegeben und im Unterschied zu Deutschland hat die Republik Österreich den Aufbau der Kultusgemeinde nicht unterstützt. Hier soll ich vielleicht einfügen, dass Wien zum Aufbau der Infrastruktur einiges beigetragen hat, aber auch erst ab 1996. Zur Sicherheit der jüdischen Amtsträger und der öffentlichen Gebäude wurde nicht viel beigetragen, und erklären Sie mir bitte nicht, dass

 

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