Gemeinderat,
28. Sitzung vom 23.05.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 80
einleuchtet, warum ein paar Monate eine Rolle spielen
sollen, leuchtet mir das hier noch sehr viel weniger ein. Es wäre nicht
schlecht, wenn jemand von der Sozialdemokratie das erklären könnte.
Ich nütze aber diesen Tagesordnungspunkt für ganz
etwas anderes. Ich bin heute in der Früh auf Grund der knappen Zeit - es waren
während der Aktuellen Stunde ja nur fünf Minuten möglich - nicht dazu gekommen,
ausführlich über meine Kritik den Behindertensport in der Stadt Wien betreffend
zu sprechen und werde das jetzt tun.
Es gibt den Entwurf oder eine Novelle eines
Bundesgesetzes, mit dem die Bundessportförderung geregelt wird. Das ist
ausgeschickt worden. Da gibt es die Stellungnahmen dazu. Die Stellungnahmen
finden alle Interessierten sogar leicht im Internet. Das ist ja nicht
uninteressant zu lesen, weil Bundesländer mit unterschiedlichen Regierungen
ähnliche Positionen haben. So haben Salzburg und das Burgenland – einmal ein
ÖVP-Landeshauptmann, einmal ein SPÖ-Landeshauptmann - fast gleichlautend
gesagt: Keine grundsätzlichen Bedenken und keine Abänderungswünsche. Die finden
das gut.
Worum geht es eigentlich bei dieser Novelle? Der
Behindertensport soll heuer 1,5 Millionen EUR zusätzliches Geld
bekommen. Eine der ganz, ganz wenigen guten Ideen der österreichischen
Bundesregierung. Das gleiche Geld soll es auch nächstes Jahr geben. Das ist
dann ein einmaliger Sonderzuschuss für 2003 und ein einmaliger Sonderzuschuss
für die 2004. Wie es ab 2005 geregelt wird, ist noch nicht hundertprozentig
festgeschrieben, aber es wird wohl so sein, dass die Mittel aus der allgemeinen
Sportförderung kommen und natürlich ein Teil davon zumindest woanders fehlt.
Kein Wunder, dass nicht alle glücklich sind.
Sehr zufrieden wäre mit dem allerdings der ÖBSV, der unter
anderem - es waren andere Verbände auch - die Sportangelegenheiten der
Behinderten, für Menschen mit Behinderungen, regelt.
Nicht einverstanden mit der Novelle ist unter anderem
zum Beispiel Tirol. Die finden das zwar ganz gut, aber sie hätten gerne, dass
dieser Sonderzuschuss jedes Jahr erfolgt. Das braucht zusätzliche Mittel, die
man in anderen Ressorts einsparen müsste. Im Großen und Ganzen begrüßt aber
auch Tirol diese Entscheidung.
Nicht glücklich damit ist die BSO und begründet das
auch. Auch wenn ich die Position der BSO nicht teile, ist es wenigstens eine
Begründung, die man lesen kann ohne dass sich jemand gleich vor den Kopf
gestoßen fühlen muss.
Die Antwort des Amts der Wiener Landregierung vom
24. April 2003 ist allerdings etwas anders. Im Gegensatz zu allen
anderen Stellungnahmen, die zumindest erkennen lassen, dass man sich mit dem
Thema auseinandergesetzt hat beziehungsweise dass man die Menschen ernst nimmt,
die mit ihren Behinderungen Sport betreiben, ist das ein Akt, der nicht nur bei
mir ziemlichen Ärger hervorruft. Der Akt geht im Wesentlichen davon aus, die
Botschaft lautet: „Behindertensport in Behindertensportverbänden zu
organisieren ist behindertenfeindlich, weil das können die nicht, das können
andere viel besser.“
Wer es nicht glaubt, für den mache ich lieber eine
Zitat: „Die Konzentration des Behindertensports außerhalb der bestehenden
Dachverbände würde die Ausgrenzung behinderter Menschen verstärken.“ Das ist
starker Tobak für die Leute, die sich in diesen Behindertensportverbänden
engagieren, weil die fühlen sich ziemlich nicht nur gefrotzelt und nicht nur
beleidigt - das ist alles sehr freundlich, wie ich versuche, das vorzutragen -,
und ich habe mich mit den Leuten zusammengesetzt und die würden Ihnen oder
werden Ihnen Anderes sagen.
Die Idee, die hinter dieser Stellungnahme des Amts
der Wiener Landesregierung steht ist, man möge dieses Geld doch auf gar keinen
Fall den Behindertensportverbänden geben, sondern man möge dieses Geld den
Dachverbänden geben, weil die das alles viel besser machen. Jetzt könnte man
sagen: Gut, sind da alle Dachverbände dieser Meinung, wo liegt das Problem? Wie
kommt das überhaupt? Na es kommt daher, dass der ASKÖ, für den ich sonst in
vielen Bereichen eine Lanze brechen würde, eine große Abteilung hat, die sich
auch um diesen Bereich kümmert und die hätten natürlich keine Freude, wenn man
das dort abziehen würde. Aber zu sagen, Behindertensport gehört nicht von
Behindertensportvereinen organisiert, ist alleine schon eine ziemliche Zumutung.
Diese Stellungnahme strotzt allerdings von
inhaltlichen Fehlern. Als Beispiel sei hier der Gehörlosensportklub 1901
genannt. Es wird nämlich behauptet und dem ÖBSV vorgeworfen, dass er eh nicht
in der Lage ist, diesen Bereich zu regeln. Das heißt nämlich, viele
Behindertensportvereine sind gar nicht bereit, sich dem österreichischen
Behindertensportverband anzuschließen. Lapidar als Beispiel genannt eben dieser
Gehörlosensportklub 1901. Na ist halt falsch, ja. Das ist nicht richtig.
Laut Auskunft beim Gehörlosensportklub 1901 und laut Auskunft beim ÖBSV
ist das falsch. Da braucht man kein Detektiv zu sein, um auf das draufzukommen,
sondern man muss nur einmal telefonieren, denn die Leute erzählen einem das eh
gerne!
Es geht weiter, jetzt nicht ein inhaltlicher Fehler,
sondern die nächste nennen wir es inhaltliche Frechheit: Der Behindertensport
bekommt sowieso mehr als genug Geld. Die bekommen so viel Geld für die
behindertengerechte Ausgestaltung ihrer Anlagen, das ist eh viel mehr als die
zugeben.
Also erstens einmal bekommen sie sowieso genug,
zweitens können sie es eh nicht verwalten und drittens geben wir das Geld
lieber unserem eigenen Sportverein. Außerdem sind es ganz wenige Leute. Auf den
Behindertensport entfallen lediglich 0,43 Prozent der Sportvereine
beziehungsweise 2,3 Prozent der aktiven Sportler. Sportlerinnen steht
nicht da. Das sind so wenig, was wollen die überhaupt?
Mit dieser Begründung könnte man auch darüber diskutieren,
was man denn sonst alles nicht barrierefrei bauen müsste. Im Wohnbau werden,
wenn auch nicht
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