«  1  »

 

Gemeinderat, 28. Sitzung vom 23.05.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 80

 

sicher nicht zuletzt auch davon, dass sie nicht in der Lage ist, notwendige Reformen umzusetzen.

 

Morak hat ein verheerendes Zeichen gesetzt, vor allem deshalb, weil es eigentlich nur das letzte in einer Kette von Budgetkürzungen war, die wir in den letzten drei Jahren immer wieder kritisiert haben, immer wieder aufgezeigt haben und die jetzt zu einer Situation führen, die nicht nur für Wien, sondern für ganz Österreich ein großes Problem darstellt.

 

Wenn wir uns das vorgelegte Doppelbudget 2003/2004 des Herrn Morak anschauen, dann wird deutlich, dass die Kürzungen kein Ende haben werden und dass die Festwochen maximal der Beginn sind. Man sieht ganz deutlich, dass sowohl im Bereich der bildenden Kunst als auch der Musik große Einschnitte auf die Kulturschaffenden zukommen werden, die sich auch ganz deutlich bei der Bundesministerin Gehrer wieder finden, dort, wo zum Beispiel die Erwachsenenbildung um 15 Prozent gekürzt wird.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Bild vervollständigt sich dann, wenn wir genauer hinschauen, dorthin, wo auch im Kleinen österreichweit wichtige Kulturarbeit geleistet wird, zum Beispiel im Bereich der darstellenden Kunst, bei den freien Gruppen und der freien Theaterszene. Dort ist der Einbruch in den letzten drei Jahren dramatisch gewesen. 25 Prozent der Förderungen wurden gekürzt, und damit ist eine Szene, die jetzt schon unter Schwierigkeiten leidet, noch mehr in die Bredouille gekommen.

 

Sie erinnern sich alle an die viel diskutierten Fälle von Public Netbase und dem Depot, von vielen anderen Institutionen, die kritisch waren und sind und die bestraft worden sind. Das deutlichste Beispiel ist wohl das absurde Spektakel um die Neubesetzung der Diagonale in Graz, wo gestern eine neue Direktion bestellt wurde, und das nach einer unwürdigen Diskussion und Vorgehensweise von Seiten des Herrn Staatssekretärs.

 

Ich glaube, es ist deutlich, dass Staatssekretär Morak im Grunde genommen jede Berechtigung aufgegeben hat, Kunststaatssekretär in diesem Land sein zu können. Nicht nur verweigert er das Gespräch, auch seine Schreiduelle mit Kunstschaffenden sind mittlerweile Legende.

 

Aber nichtsdestotrotz, sehr geehrte Damen und Herren: Nicht nur der Herr Staatssekretär Morak hat ein Problem, nicht nur der Herr Staatssekretär Morak pflegt eine Kulturpolitik, die kritisierenswürdig ist, ich kann auch unseren Herrn StR Mailath-Pokorny leider nicht aus der Verantwortung entlassen. Denn, wiewohl es stimmt, dass diese Kürzungen ganz besonders Wien betreffen, so ist doch mit sehr genauem Blick zu sehen, dass auch in Wien nicht alles gut läuft.

 

Nur über die verrückte Politik des Herrn Morak zu lamentieren, reicht nicht aus. In Zeiten, in denen derartige Einschnitte stattfinden, sind wohl auch klare Schritte von Seiten der SPÖ notwendig. Einerseits erwarte ich mir, dass die Stadtregierung das tut, was in dieser Situation das einzig Richtige ist, nämlich das Kulturbudget zu erhöhen.

 

Ich finde es sehr bedauerlich, dass der Herr Finanzstadtrat Rieder heute nicht bei uns sein kann, denn natürlich ist er wie auch der Bürgermeister angesprochen. Wenn die Ausfälle so hoch sind, wie StR Mailath-Pokorny heute in der Fragestunde sagte, nämlich 15 Millionen EUR, dann erwarte ich mir von einer SPÖ, die sich und ihre Kulturpolitik ernst nimmt, eine Erhöhung des Wiener Kulturbudgets. (Amtsf StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny: Ist eh geschehen!) Der Zwischenruf "Ist eh geschehen!" war vielleicht jetzt etwas kontraproduktiv, denn gerade wollte ich ansetzen zur Liste der Dinge, die trotz des höchsten Kulturbudgets in der Geschichte der Stadt Wien Probleme haben, und zwar nicht ausschließlich Probleme, weil der Bund sie nicht fördert, sondern ganz konkret, weil die Stadt Wien ihrer Verantwortung nicht nachkommt.

 

Wenn die Mittel knapp sind und eine Erhöhung nicht in Sicht ist, dann gibt es vielleicht nur ein einziges funktionierendes Rezept, und das heißt: Schwerpunkte setzen, Ziele definieren und klare Linien dessen aufzeigen, was man tut, und diese auch in Taten umsetzen. Dann heißt es unter Umständen auch umverteilen, ein Wort, das der SPÖ aus ihrer Geschichte eigentlich durchaus bekannt sein sollte, das mir aber in den letzten Jahren in ihrer Politik sehr abgeht.

 

Es kann wohl nicht so sein, dass wir in Zeiten wie diesen die Albertina-Fassade um 30 Millionen S finanzieren, dass wir immer weiter die ewigen Schulden des Rabenhofs tragen, dass wir verdeckte Parteienfinanzierung mit Parteifesten vornehmen und dass wir – Sie werden sich alle daran erinnern – das Haus der Heimat mit 650 000 EUR finanzieren. (Amtsf StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny: Stimmt ja nicht! Stimmt nicht!) Lieber Herr Stadtrat, Sie wissen, der Herr Häupl hat bei der letzten Fragestunde gesagt, dass das Haus der Heimat finanziert werden wird, also gehe ich davon aus, dass es finanziert werden wird. (Amtsf StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny: Das wird nicht finanziert!) Es würde mich sehr freuen, wenn das nicht der Fall wäre und wir die 650 000 EUR in das hineinstecken könnten, was derzeit wirklich ein Problem darstellt, nämlich der ganze Bereich ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie sollten Ihrem Bürgermeister genauer zuhören. Der Herr Bürgermeister hat gesagt, das Haus der Heimat wird finanziert werden. Ich möchte Sie daran erinnern und werde Ihnen gerne das Protokoll zur Verfügung stellen. Aber diese 650 000 EUR wären wirklich besser angelegt in zeitgenössisches Schaffen, in die aktuellen Entwicklung, in den theoretischen Diskurs und dafür, auch die eigenen Versprechungen wahr zu machen, wie zum Beispiel die Nutzung des öffentlichen Raums beim Kunsthaus Karlsplatz, im Bereich der neuen Medien, im Bereich der freien Medien.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Stadtrat, Sie haben in der Fragestunde das Wort "Gegenöffentlichkeiten" in den Mund genommen, und ich möchte schon darauf hinweisen, dass es etwas mehr bedarf, als dieses Wort auszusprechen, um tatsächlich

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular