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Gemeinderat, 27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 77 von 78

 

so hat es auch jetzt keine wirkliche Auswahl für den neuen Systemträger gegeben. Es gab eine Interessentensuche der MA 46, und die Betreiber, die davon wussten, konnten sich melden, aber es gab keine öffentliche Ausschreibung. Jemand, der nicht den Kontakt zur MA 46 hatte, hatte gar keine Chance, sich zu bewerben.

 

Es war wirklich ein bisschen komisch, als ich schon im Dezember von Einzelnen Meldungen darüber hörte, dass bereits klar war, wer diesen Auftrag bekommen wird. Das stand im Raum, doch konnte sich niemand wirklich vorstellen, dass man sich das schon ausgemacht hatte. Aber es ist schlussendlich jener Betreiber geworden, der bereits im Dezember hinter den Kulissen gehandelt worden war. Das ist sicherlich auch ein Punkt, den das Kontrollamt noch näher untersuchen wird. Wir haben als Österreichische Volkspartei bereits im Dezember eine Prüfung durch das Kontrollamt verlangt, von diesem wird das alles rechtlich genau geprüft werden.

 

Aber warum, fragen wir, hat wirklich die GEWISTA diesen Auftrag bekommen? Fachlich allein kann dies nicht bedingt sein. Kollege Chorherr hat schon gesagt, dass es nicht allein darauf ankommt, wie technisch versiert das System ist, sondern es kommt auch darauf an, dass man hätte gewährleisten müssen, dass in dieser Stadt wieder flächendeckend ein Gratis-Fahrrad möglich ist. Das wird es jedoch nicht sein, sondern es wird ein enorm hoher Aufwand nötig sein, mit dem so genannten oder uns dargebrachten Vorteil, dass es die Stadt Wien nichts kostet. Aber man stellt sich da natürlich die Frage: Wer hat Interesse daran, wahrscheinlich Millionen Euro ohne eine Gegenleistung zu investieren? Warum macht das die GEWISTA? Warum investiert sie in Millionenhöhe in ein neues System und verlangt dafür überhaupt nichts? Ich meine, die GEWISTA ist ja keine karitative Organisation. Das kann ich mir nicht anders vorstellen: Sie muss das Geld irgendwo hereinbekommen. Daher macht man sich seine Gedanken und denkt: Wo ist da der Haken?

 

Bis eines Tages anonyme Schreiben einlangen, unmittelbar, nachdem in Rust ein neuer Zugang der Stadt zu verschiedensten Themen gefunden worden ist, nachdem in Rust bei der Klubklausur der SPÖ vorgetragen worden ist, was alles schon beschlossen worden ist, wie etwa die 6. Donauquerung, wie auch "ViennaBike", wie eine Neuordnung der Geschäftsordnung in der Stadt - das als Regierungsaktion dargestellt, aber es war eine Parteiklausur. Dann wird einem ein Schreiben zugeschickt, in dem drinsteht: "Zur Weiterleitung an die Arbeitsgemeinschaft Kommunikation Intern - Maßnahmenpaket 2003 für den Erledigungszeitraum März bis Juni 2003. Citybike neu: variable Kostendeckung über Nebeneinnahmen, Parallelgespräche erforderlich, Bezirksblatt."

 

Jetzt weiß ich nicht, wer das geschrieben hat - das ist immer das Problem bei anonymen Zuschriften. Ich will jetzt niemand verdächtigen, und ich weiß auch nicht, ob dieses Schreiben eine Wahrheit hat. Aber es macht nachdenklich, es macht wahnsinnig nachdenklich, wenn man gleichzeitig weiß, dass die GEWISTA für über 800 Plätze in Wien, für Top-Plätze um Baugenehmigungen angesucht hat: für ganz tolle, neue Litfaßsäulen mit hoch auflösenden, ganz neu zu gestaltenden Plakatflächen, wie es sie in Wien noch nie gegeben hat, mit über 5 Meter Größe. Was vor kurzer Zeit von der MA 19 wegen Verschandelung des Stadtbildes noch abgelehnt worden ist!

 

Jetzt laufen diese Baugenehmigungen, und sie werden wahrscheinlich alle genehmigt werden. Da frage ich mich wieder: Wem nützen diesen Genehmigungen? Andere Plakatunternehmen werden keine Chance mehr haben, diese Plätze zu bekommen, denn sie sind schon einmal vergeben, 800 Top-Plätze, unter anderem auch am Kärntner Ring bei der Oper, mit über 5 Meter großen Litfaßsäulen. Das war früher wirklich eine Verschandelung für die Stadt. Ja, damit lassen sich Werbeeinnahmen machen, große Werbeeinnahmen! Da versteht man auf einmal die Welt, wenn man hier versucht, eins und eins zusammenzuzählen. Mit diesen Werbeeinnahmen werden vielleicht andere Projekte finanziert.

 

Blöd ist dabei nur noch, dass dann bei diesen Werbeflächen vielleicht nur ganz bestimmte Auftraggeber vorne stehen werden. Für wen werden diese Werbeflächen fertig sein, nämlich gerade rechtzeitig vor der kommenden Wahl? Zufälligerweise ist ja auch eine Partei zu 30 Prozent indirekt an diesem Betreiber GEWISTA beteiligt, der nun dieses Projekt bekommen hat. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Das dauert nicht mehr so lange! Da werden sie noch nicht fertig sein!) Vielleicht werden sie sich noch beeilen, dann werden sie es schon fertig haben. Dann nimmt man eben noch einmal die Kosten in die Hand, um das zu erledigen.

 

Ich hoffe, dass das alles nicht stimmt, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion! Ich hoffe, dass Sie nicht vorhaben, hier wieder Wettbewerb auszuschalten. Ich hoffe, dass Sie nicht vorhaben, über die Hintertür wieder Parteienwerbung zu machen. (Ruf bei den GRÜNEN: Wie in Niederösterreich!) Ich hoffe, dass das Kontrollamt all das auch untersucht. - Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Dr Troch. Ich erteile es ihm.

 

GR Dr Harald Troch (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Sehr geehrte Damen und Herren! Mir hat der gemeinsame Auftritt ... (GR Günter Kenesei - darauf hinweisend, dass der Redner vom Platz der Berichterstattung aus spricht -: Falsches Pult!) Ach so, eines hinunter. (Der Redner begibt sich ans Rednerpult. - Heiterkeit.) Von hier aus geht es besser.

 

Vorsitzender GR Günther Reiter (unterbrechend): Das kann jedem passieren.

 

GR Dr Harald Troch (fortsetzend): Mir hat der gemeinsame Auftritt von Herrn Madejski mit dem blauen Fahrrad ganz gut gefallen. Warum? Ich möchte dazu auch eine fragende Überlegung anstellen: Was haben die blauen Fahrräder und die blaue Partei gemeinsam beziehungsweise was trennt sie? - Die blauen Fahrräder

 

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