Gemeinderat,
27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 74 von 78
einige von der FPÖ überzeugen werde, noch einmal den Rahmen
dessen sagen, was am Anfang dieser Idee stand und was jetzt, wo das ViennaBike
hoffentlich verbessert weitergeführt wird, der Sinn dieser Sache ist. Jeder,
der sich ein bisschen in der Welt bewegt, speziell in Holland, aber ich bringe
auch Hamburg oder München als Beispiele, sieht, dort gibt es eine weitaus
ausgeprägtere Radkultur als in Wien. Was meine ich damit? Was ist der Anteil
des Radverkehrs? 10 Prozent bis 15 Prozent. 15 Prozent in
München. Wenn ich die Zahlen vom StR Schicker von gestern nehme, liegt der
Anteil in Wien bei 3 Prozent. Das heißt, in München fahren fünfmal so
viele Leute mit dem Rad wie in Wien.
Ich benutze bewusst den Begriff
"Radkultur", weil es um den Schritt im Kopf geht, ob man weiter ein
Auto steuert oder einmal auf ein Rad umsteigt. Es ist ganz bewusst im
Unterschied zu denen, die es bei der FPÖ nicht begreifen können. Es geht nicht
primär darum, dass man Leute, die in Eßling wohnen und im Rathaus arbeiten,
dazu bringt, auf das Fahrrad umzusteigen. Es gibt einige Tapfere, die sogar
hier im Rathaus wohnen, die das tun. Was ist die Hauptzielgruppe? Die
Hauptzielgruppe sind jene Autofahrer und Autofahrerinnen, vor allem Autofahrer,
die das Auto für Strecken, die kürzer als fünf Kilometer sind, benützen. Meine
Damen und Herren, die Hälfte aller in Wien mit dem Auto zurückgelegten Wege ist
kürzer als fünf Kilometer. Da wollen wir einen Anreiz zur Fahrradkultur bieten,
es doch einmal auszuprobieren, um jenes Gefühl zu haben, das ich einmal in
einem Artikel beschrieben habe.
Wenn ich in der Früh mit dem Rad fahre, ist mein
größter Genuss, wenn es einen großen Stau gibt, weil zum Beispiel vorne ein
Müllwagen ist, und man mit dem Fahrrad gemütlich dazwischen vorbei fährt. Im
dicken Mercedes habe ich schon Leute, auch Minister im Dienstauto, dort stehen
gesehen. Dort vorbeizufahren und ein bisschen zu winken, während die hinter dem
Müllwagen warten, das muss man einmal ausprobieren, Herr Madejski. Es ist
irgendwie richtig spannend, wenn jemand sagt: "Ich komme zu spät zu einem
Termin. Ich habe keinen Parkplatz gefunden. Ich bin eine Viertel Stunde im
Kreis herumgefahren.", dem zu sagen: "Keinen Parkplatz gefunden?
Selber schuld! Hat es dir jemand angeschafft? Niemand hat es dir angeschafft!
Probiere es doch einmal aus!"
Der Kollege, dessen Namen ich jetzt vergessen habe,
mein Vorredner, hat gesagt, ich soll ihm fünf Leute bringen. Es hat ihn der Mut
verlassen. Ich hätte ihm fünfzehn gebracht. Was hat er mir versprochen? Er ist
mir dankbar. Auf Ihre Dankbarkeit kann ich verzichten. Machen Sie mir ein
ordentliches Angebot, für die Verkehrspolitik eine großzügige Spende an einen
sinnvollen Verein, was auch immer! Dann bringe ich nicht fünf, sondern dann
bringe ich Ihnen fünfzehn. Ich sage Ihnen von wem fünfzehn, von Leuten, die
dauernd gelesen haben, "Fahrrad", "ViennaBike", die sich
auch geärgert haben, gelegentlich einen leeren Ständer vorzufinden, aber dann
haben sie einmal eines gesehen. Dann haben sie eines gesehen, weil es im
letzten Jahr gelungen ist, dass über kein kommunalpolitisches Projekt derartig
intensiv diskutiert wurde wie über das ViennaBike. Dann haben Leute gesagt:
"Hier steht glatt ein Fahrrad. Ich habe ein Fahrrad entdeckt. Jetzt fahre
ich damit." Auf einmal probieren viele chronische Autofahrer und
chronische Motorradfahrer aus, wie es ist, in der Stadt mit dem Fahrrad zu
fahren und sagen: "Das ist eigentlich echt super!"
Wenn sie
das nächste Mal wieder kein "ViennaBike" gefunden haben, haben sie
gesagt: Da kaufe ich mir doch glatt eines, oder ich nehme mir eines aus dem Keller
heraus!
Die Zahlen
hat Herr StR Schicker richtig genannt, sie können von meinem Herrn Vorredner
nicht in Frage gestellt werden, weil sie natürlich aufs ganze Jahr bezogen
sind. Woher kommt es, dass wir auf dem dichtest befahrenen Radweg Wiens, dem Rad-Ring-Rund,
2002 einen Zuwachs von 55 Prozent hatten - nicht, wie er glaubt, gegenüber
dem Winter, sondern gegenüber einem gemittelten Vorjahreswert, gegenüber dem
Spitzenmonat -, woher kommt das? Er hat richtigerweise auch die Zweierlinie
genannt, die zum Beispiel ebenfalls damit zu tun hat, dass man den Mut hat,
dort etwas zu bauen, oder die Alserbachstraße: 110 Prozent Zuwachs im Jahr
2002. Woher kommt denn das?
Das kommt
daher, dass es das Thema war, dass es also gelungen ist - nicht perfekt und deutlich
verbesserungsfähig -, einmal das Rad zu einem Thema zu machen! Wer sich an
einige dieser Tage erinnern kann, an diese vielen rosa und blauen Radeln, wie
die Leute darauf reagiert haben, wie das diskutiert wurde - das war einfach
etwas, was sie nicht nachvollziehen kann: Eine gute Stimmung war da in Wien! Es
hat sehr vielen Leuten getaugt, dass es so war, und sie haben auch bedauert,
dass es durch Vandalismus leider nicht gelungen ist, dies in der offenen,
freien Form weiterzuführen.
Ich sage Ihnen noch etwas, was mich von einer
Grundwesensart der FPÖ und von dieser Grundhaltung unterscheidet: Man soll den
Mut haben, etwas Wichtiges auszuprobieren, auch auf die Gefahr hin, das eine
oder andere nachbessern zu müssen! Wenn man nur Dinge macht, bei denen man im
Vorhinein 100-prozentig sicher ist, dass sie funktionieren, kann man überhaupt
nichts Neues ausprobieren. Wir stehen dazu, und ich stehe leidenschaftlich zu
diesen 600 000 EUR! (GR Heinz Christian Strache: ... Blödsinn
einzugestehen!)
Ich werde Sie bei jeder Volksgarage daran erinnern, wenn
irgendwo - jetzt mache ich keine regionale Qualitätsbeschreibung zu
Außenbezirken - dafür, dass ein paar verhungerte Autos unter der Erde
verschwinden - soll sein! -, ein Vielfaches an Steuergeldern verschwendet wird,
wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Und bei solchen Großprojekten wie der
Donauquerung gehen uns die Vorstellungen aus, wenn wir über Milliarden
Schilling, Milliarden Euro reden; das wird Milliarden Euro kosten, das kann
sich keiner mehr vorstellen! Dagegen ist das hier nicht einmal im
Promillebereich, es ist ein Nichts. Eigentlich müsste es und soll es auch viel
großzügiger sein, die Dotierung des Radverkehrs und auch
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