Gemeinderat,
27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 73 von 78
angedacht - sagt, es werden kurze Strecken überwunden, um
dann mit anderen Verkehrsmitteln, welche Strecken auch immer, fortzusetzen. Ein
alternatives Verkehrsmittel kann es sicher nicht sein. Die Stammersdorfer, die
jeden Tag bis Erdberg oder Favoriten in die Arbeit fahren, zeigen Sie mir auch,
wie viele das sind, Herr Kollege Chorherr! Ich kann sie nicht erkennen. Es ist
daher kein alternatives, sondern höchstens ein ergänzendes Verkehrsmittel.
Daher richtet sich unsere Kritik gegen das alte
Konzept. Es war nicht nur mit hohen Kosten verbunden, sondern es waren von
Anfang an die Risiken bekannt und man ist trotzdem das Wagnis eingegangen. Das
ist für mich eigentlich unverständlich. Es war nahezu fahrlässig. Das werden
auch die Gerichte, wie es der Kollege Madejski schon gesagt hat, zu klären
haben.
Vor allem aber war es - ich bleibe dabei - der
falsche Raum. Die Innenstadt ist meiner Meinung nach tendenziell der falsche
Raum, um verkehrspolitisch jemanden neu davon zu überzeugen, zusätzlich das
Fahrrad zu benutzen. Warum?
Erstens ist die Dichte mit öffentlichen
Verkehrsmitteln nirgendwo so hoch wie in den innerstädtischen Bezirken. Daher
ist der Grenznutzen tendenziell gering. Die Wahrscheinlichkeit, ein
öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen, um in angemessener Zeit eine kurze
Strecke zu überwinden, ist sehr hoch. Das Fahrrad ist keine Alternative und
auch nahezu keine Ergänzung.
Zweitens gibt es nirgendwo so viele Radfahrer als in
der Innenstadt, die man nicht durch zusätzliche Räder motivieren kann. Ich
verstehe den Zusammenhang nicht. Daher stellt sich die Frage: Wozu Gratisräder
in der Innenstadt?
Der Herr Stadtrat hat von einem Werbewert von
2,4 Millionen EUR gesprochen, ein Faktor vier gegenüber den Kosten.
Wenn ich 653 000 EUR einer Wiener Werbeagentur oder einer PR-Agentur
gebe, um mir ein gescheites Konzept zu machen, um die Leute zum Radfahren zu
animieren, kommt mehr dabei heraus, auf jeden Fall ein höherer Faktor als vier
im Bereich der Werbung.
Ich bleibe dabei, Kollege Chorherr, ich glaube, es
ist Ihnen in Wahrheit um etwas anderes gegangen, nämlich um eine politische
Zielgruppe - das mag legitim sein -, um ihre Wähler in den Innenstadtbezirken,
denen Sie darlegen wollten, dass dieses nahezu koalitionsfreie Übereinkommen
mit der SPÖ einen Sinn hat, dass Sie etwas umsetzen können. Das kann man
goutieren, dafür kann man sein, aber den Nutzen, dass deswegen mehr Rad
gefahren wird, glaubt Ihnen niemand. Wenn es darum geht, Leute vom Autofahren
abzuhalten, um das Fahrrad entweder als Alternative oder als ergänzendes
Verkehrsmittel zu nutzen, könnte ich ja noch bei Ihnen sein. Aber dann müsste
man das vielleicht etwas anders machen. Dann müsste man sich einiges überlegen.
Jetzt komme ich zu einer Überlegung, die ich selbst
noch nicht völlig zu Ende gedacht habe, wo ich dankbar bin, wenn Sie dazu
beitragen würden. Dann müsste man dazu übergehen, es verstärkt in den
Außenbezirken zu machen, denn dort sind tendenziell eher die Autofahrer, die in
die Innenstadt fahren oder die Stadt durchqueren, weil sie zu ihrem
Arbeitsplatz kommen oder ihre sozialen Kontakte aufrecht erhalten wollen. Wenn
die Zahlen von StR Schicker, die im Ausschuss präsentiert wurden, nur halbwegs
stimmen, dann ist das Gegenteil eingetreten. Dann ist in den Jahren 1999
bis 2001 die allgemeine Fahrradnutzung in den Außenbezirken, insbesondere 21.
bis 23., sogar um die Hälfte zurückgegangen. Dann ist das eigentlich negativ.
Deshalb müsste man die Gratisräder als ergänzendes Verkehrsmittel eher in die
Außenbezirke bringen, um damit die höherwertigen öffentlichen Verkehrsmittel
wie Schnell- oder U-Bahn erreichen zu können, und zwar mit einem vernünftigen
Verkehrsmittel, nicht mit Autobussen, die nach 21 Uhr lange Intervalle haben,
nicht angenommen werden, mit geringer Frequenz an Fahrgästen und die auch sehr
teuer sind. Dieses Konzept kann man sich durchaus überlegen. Wenn das die neue
Vorstellung ist, dann könnten wir uns vorstellen, uns dem auch anzuschließen,
denn das macht Sinn. Wenn ich die Floridsdorfer dazubringe, die noch nicht
fertig gebaute U-Bahn, die nur bis zum Spitz geht, dadurch zu nutzen, dass ich
Gratisfahrräder bei Straßenbahn- oder ehemaligen Autobushaltestellen hinstelle
und sie dazu bringe, die kurze Strecke in Floridsdorf mit dem Fahrrad zu
bewältigen und die längeren Strecken in der Stadt mit den höherrangigen
öffentlichen Verkehrsmitteln U-Bahn und Schnellbahn zu fahren, dann halte ich
das für sinnvoll. Aber das Gratisfahrrad in der Innenstadt, für jemanden, der
eigentlich tendenziell schon Fahrräder hat, ist ein sinnloser
verkehrspolitischer Nutzen, der extrem teuer war.
Herr Stadtrat, zum Abschluss, wenn ich gewusst hätte,
wie Sie das alles beantworten, hätten wir eigentlich auch die Frage 26
stellen müssen, nämlich: Wieso haben Sie den Ankauf von Fahrrädern mit Mitteln
der Stadt Wien zugelassen, die offensichtlich nicht der Straßenverkehrsordnung
entsprechen werden? (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum
Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag Chorherr. Ich bitte ihn zum Rednerpult.
GR Mag Christoph Chorherr (Grüner
Klub im Rathaus): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Ich freue mich ehrlich, dass sogar diejenigen, die von
Anfang an signalisiert haben, dass sie das Projekt nicht wollen, und denen
diese grundsätzliche Umorientierung des Radverkehrs so wichtig ist, noch am
Schluss eine entsprechende Werbung dafür gemacht haben. Es geschieht nicht alle
Tage, dass hier ein Fahrrad steht. Schade, dass Sie es wieder weggenommen
haben, Herr Madejski. (GR Dr Herbert
Madejski: Ich musste es wegnehmen!) Normalerweise redet man hier über die
Ausdehnung von Spuren, über neue Brücken, über Garagenförderung, aber viel zu
wenig über notwendige Maßnahmen für den Radverkehr. Sogar da hat sich gezeigt,
auch die FPÖ trägt dazu bei, dass dieses Projekt seinen Sinn erreicht hat,
nämlich Bewusstsein für den Radverkehr zu schaffen.
Lassen Sie mich, weil ich nicht glaube, dass ich
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