Gemeinderat,
27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 78
die kommunalen Dienstleistungsbetriebe stehen eben durch
diese Veränderungen in einem massiven Wettbewerb, sie stehen unter einem
Wettbewerbsdruck. Diese Veränderungen verlangen auch rasche Entscheidungen,
damit man eben auf aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen effizient reagieren
kann. Und da scheiden sich halt ein bisschen die politischen Wege, wie man das
in Angriff nimmt. Insbesondere bei der ÖVP wird das sehr stark sichtbar. Wir brauchen
nur einen kleinen Blick ein Stückchen weiter, ein paar hundert Meter weiter zum
Bund zu machen, wo Entscheidungen getroffen werden. Da sehen wir, wie der mit
Betrieben umgeht, wie Betriebe verschleudert werden, um eben gewisse
Budgetlöcher zu stopfen. (GR Ing Herbert
RUDOLPH: Bleiben Sie hier! Da treffen wir heute Entscheidungen!) Mir fällt
da als Beispiel ein österreichisches Flaggschiff ein, ein toller Betrieb, die
ATW, die in einer Nacht- und Nebelaktion verscherbelt wurde. Oder man denke nur
– das ist heute auch schon angesprochen worden – an den Börsegang der Telekom.
Professionell war das sicher nicht.
Frau Kollegin Rothauer hat in ihrer Wortmeldung heute
einen Hinweis auf die Verwendung der Verkaufserlöse gegeben, wenn man
privatisiert, wenn man verkaufen kann und auch soll. Das, meine Damen und
Herren, geht wieder an die falsche Adresse, das müssten Sie sehr intensiv an
den Bund richten und kritisieren, was er mit den Geldern macht, wie er Betriebe
billigst verkauft. (StRin Dipl Ing Dr
Herlinde Rothauer: Wir reden aber hier über die Wiener Beteiligungen!)
Sie haben die Investitionspolitik angeschnitten. Ich
erlaube mir wieder nur einen kleinen Hinweis, Frau Kollegin. Vergleichen Sie
die Wiener Investitionspolitik mit der des Bundes, und Sie werden sehen und,
wenn Sie ehrlich zu sich sind, sehr deutlich erkennen, dass Wien hier eine
Spitzenreiterfunktion gegenüber dem Bund einnimmt. Ich wage zu sagen, dass Wien
eine bessere Investitionspolitik als der Bund hat. Der Vergleich macht uns
sicher.
In Wahrheit möchte ich aber auf noch eines hinweisen,
Frau Kollegin, was Sie jetzt in Ihrer Wortmeldung gesagt haben, weil Sie so die
Angst hineingestreut haben in die Diskussion, es entsteht ein Moloch mit der
neuen Holding. Ich habe Ihren Aufschrei nicht gehört, als es um die
Zusammenlegung großer Pensionsversicherungsanstalten gegangen ist, ich habe
Ihren Aufschrei nicht gehört, als es um die Zusammenlegung des gesamten
Sicherheitsapparates, also Polizei, Kriminalabteilungen, Gendarmerie, gegangen
ist. Da hat er mir gefehlt. Und ich höre auch noch keinen Aufschrei über die
künftig geplanten Zusammenlegungen im Bereich der Krankenversicherungen. Das
ist alles kein Problem. Kein Aufschrei. Fast würde es mir über die Lippen
kommen: Das ist ein wenig doppelmoralisch, Frau Kollegin.
Aber in Wahrheit geht es der ÖVP eben um die reine
Privatisierung, um den reinen Ausverkauf. Ich will nicht das Wort
"Verscherbelung des Familiensilbers" verwenden, aber man könnte es
durchaus so nennen. Privatisieren will jedoch auch gelernt sein. Das haben wir
gesehen. Ich habe ein Beispiel aufgezeigt mit der Telekom, das heute schon ein
paar Mal genannt worden ist.
Und dass, wie Sie behauptet haben, Private im Bereich
der Daseinsvorsorge besser sein sollen, darüber kann man auch sehr lange
diskutieren, denn es gibt durchaus einleuchtende und klare Beispiele, wo das
nicht eingetreten ist, wie Sie es behauptet haben, Frau Kollegin. Paradeland
England. Da brauchen wir nicht viel zu erwähnen, das ist ein negatives
Beispiel. Sie erinnern sich sicher an die Privatisierung des Schienennetzes in
England. Rail Trekking hat sich dieser Betrieb genannt. Er ist konkursreif.
Jetzt muss er mit Milliarden von Steuermitteln wieder saniert werden, damit er
überleben kann. Es ist nichts investiert worden in diesem Bereich.
Ich darf Ihnen aber noch ein zweites Beispiel von
Privatisierung nennen, aus dem ersichtlich wird, dass es auch gelernt sein
muss, und hier bleibe ich in Wien, bei der Wiener ÖVP. Sie haben ja vor der
Wiener Gemeinderatswahl ein Modell für die Privatisierung der Gemeindewohnungen
entworfen. Damals haben Sie ja sogar mit einem Türhänger agiert, worin Sie
angeboten haben, wie günstig denn die Gemeindewohnungen zu erwerben sind.
Jetzt gehe ich davon aus, dass die ÖVP eine Wirtschaftspartei
ist, dass sie zumindest mit Zahlen hantieren kann bei diesem Modell. Die
Menschen haben den Trick eh durchschaut, denn so einfach, wie es da draufsteht,
ist es ja leider nicht gewesen. Ich habe mir dann auch angeschaut, wie das
Finanzierungsmodell der ÖVP ausgesehen hätte, Frau Kollegin Rothauer, das ist
nicht uninteressant. Wiener ÖVP. (Zwischenrufe
bei der ÖVP.) 60 000 EUR Eigenmittel. Das nimmt man sich mit
einem Kredit auf. Kein Problem, überhaupt kein Problem! Das gibt es ja heute,
Kredit ist ja da. Dann steht, dass die monatliche Rückzahlungsrate 469 EUR
beträgt. Das muss man zehn Jahre lang jeden Monat, also 120 Monate lang,
zurückzahlen. (Zwischenruf des GR Mag
Wolfgang Gerstl. – GR Godwin Schuster: Wo ist der Unterschied zwischen der ÖVP
und den Freiheitlichen?) Und dann kommt man zu dem Schluss, dass die
Wohnung einen Euro pro Quadratmeter kostet. (StRin
Dipl Ing Dr Herlinde Rothauer: Wo haben Sie das hergenommen?) Na ich komm
schon dazu. Also ein tolles Modell! Aber wenn man das zusammenrechnet – und
wenn einer nicht "zu Fuß" rechnen kann, dann kann er auch einen
Computer zur Hand nehmen; das kann man heute durchaus zugestehen, denn wir sind
alle computerverwöhnt –, wenn man also die 469 EUR mit 120 multipliziert,
dann kommen nicht 60 000 EUR heraus, sondern 56 280 EUR.
Das heißt, das ist ein toller Kredit! Bei 4,75 Prozent Verzinsung – das
steht da drinnen – zahlt man dann eigentlich um über 3 000 EUR
weniger zurück, als man sich aufnimmt. Eine tolle Geschichte, eine
wirtschaftlich tolle Geschichte! Nun, das ist auch kein Problem, vielleicht
fördert die ÖVP irgendetwas oder schießt irgendetwas zu.
Jetzt habe ich mir die Mühe gemacht – ich weiß nicht, wer
damals Landessekretär war – und habe im März bei der Volkspartei in Wien
angerufen und habe mir erklären lassen, wie das geht. Und der hat sich, wie Sie
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