Gemeinderat,
27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 37 von 78
das Papier nicht gelesen, über das er geredet hat. Es ergeht
hiermit an ihn also die dritte Aufforderung, das Papier zu lesen.
Nun, wie steht es denn hier im Tagesordnungspunkt? –
Da geht es um folgenden Antrag: "Der Gemeinderat genehmigt eine Cross
Border Leasing Transaktion", und zwar "insbesondere die im
Punkt 3 angeführten Verträge und Vereinbarungen." – Das, was uns der
Herr Vizebürgermeister verschwiegen hat, ist, dass es den Vertrag in
Wirklichkeit nicht gibt, dass hier also über eine Seifenblase diskutiert wird!
Weiters heißt es hier: "Dem Magistrat wird
ausdrücklich die Zustimmung zu den unter den Punkten 2, 3.1 und 3.2
beschriebenen erzielten, vorläufigen Verhandlungsergebnissen" - das heißt,
es gibt keinen Vertrag, sondern es gibt bis jetzt nur vorläufige
Verhandlungsergebnisse! - "erteilt, und er wird ermächtigt, die Dokumente
der Cross Border Leasing Transaktion auszuverhandeln" - das heißt, das
gute Ding soll erst ausverhandelt werden, aber wir, die Gemeinderäte, sollen heute
hier schon zustimmen; das ist ja eine Seifenblase, bitte, und kein Vertrag! -
"und alle damit in Zusammenhang stehenden Verträge und Dokumente zu
unterzeichnen."
Das heißt, wir sollen eine Generalvollmacht erteilen
für etwas, was wir nicht kennen und wo wir glauben, dass die Sozialisten und
der Magistrat ein gutes Ergebnis erzielen werden. Nur: Diese Seifenblase werden
wir nicht unterzeichnen, denn diese Seifenblase haben Sie ja nicht einmal noch
hier, um sie uns vorzulegen, weder auf Englisch noch auf Deutsch!
In diesem Zusammenhang komme ich auf eine gestrige
Meldung über eine Aussage des Herrn Bgm Häupl zurück. – Könnte man vielleicht
die Zeitanzeige hier am Rednerpult laufen lassen, damit ich sehen kann, wann
ich zum Ende meiner Rede kommen muss? Geht das, bitte? (StRin Karin Landauer: Kurthi, du kannst 20 Minuten sprechen!)
Nun ja, 20 Minuten sind bisweilen sehr kurz, wenn es um die Zukunft dieser
Stadt geht! (Beifall bei der FPÖ. – StRin
Karin Landauer: Das ist wahr!)
Herr Bgm Häupl hat am 22. April 2003 im
Fernsehen vollmundig über "Raub", über "Pensionsraub"
gesprochen. Da müssen wir einmal klären, was "Raub" im Häupl'schen
Sinne ist. - Ich komme dann schon wieder zum vorliegenden Geschäftsstück
zurück. - Herr Bgm Häupl hat im Zusammenhang mit dieser Pensionsreform unsere
Bundesregierung, auf die hier so gerne hingehauen wird, offensichtlich als
Räuber bezeichnet - denn es gibt keinen Raub ohne Räuber. Herr Bgm Häupl hat
natürlich eines vergessen: dass die Räuber im Häupl'schen Sinn die Kanzler
Kreisky, Sinowatz, Vranitzky und Klima waren. Diese haben nämlich
1 300 Milliarden S Schulden angehäuft, und deswegen ist jetzt
eine Pensionsreform notwendig. Hier hat der Herr Bürgermeister offensichtlich
Ursache und Wirkung verwechselt: Warum müssen wir eine Pensionsreform machen?
Man kann über die Methode der Pensionsreform sicher
noch diskutieren - und wir werden über diese Pensionsreform auch diskutieren -,
aber das Wort "Raub" im Häupl'schen Sinn möchte ich auf diesen Akt
gerne im Häupl'schen Sinn anwenden: Hier findet genau das statt, was Kreisky,
Sinowatz, Vranitzky und Klima gemacht haben. Sie haben Schulden gemacht und
haben die Zukunft des Staates kaputt gemacht - und Sie machen Schulden und
machen die Zukunft dieser Stadt kaputt! Denn die 7 Milliarden EUR an
Zinsen, die wir im Bund jedes Jahr berappen müssen, zahlen wir für jene
Schulden, die die - nach Häupl'scher Einschätzung - Räuber Kreisky, Sinowatz,
Vranitzky und Klima gemacht haben. - Gut.
Jetzt
kommen wir zum zweiten Punkt: Kein Gemeinderat kann diesen Vertrag beurteilen –
selbst falls, erstens einmal, die Herrschaften Englisch könnten, was schön wäre
-, denn uns hat man im Ausschuss sofort gesagt, dieser Vertrag sei geheim, den
könnten wir uns nicht anschauen. (GR Mag
Thomas Reindl: Das stimmt nicht!) Das stimmt schon! - Daraufhin habe ich
mich zum Wort gemeldet - da haben Sie vielleicht nicht aufgepasst - und habe
gesagt: Die Unterlagen können nicht geheim bleiben! - Daraufhin wurde
konzediert: Gut, wir können uns die Unterlagen anschauen, aber wir dürfen uns
keine Kopien davon ziehen. - Das war auch der Grund, warum wir gesagt haben,
dass wir uns laut § 17 der Geschäftsordnung des Gemeinderats die Sachen
nicht nur anschauen wollen, sondern auch Ablichtungen machen wollen. Denn, ehrlich
gestanden, einen Vertrag dieser Größe müssen wir durch Wirtschaftsfachleute
prüfen lassen. Das liegt sicher nicht im Bereich der Möglichkeiten, die ein
einfacher Gemeinderat hat, und daher brauchen wir Kopien. Und diese Kopien,
Herr Kollege – das werden Sie ja zugeben -, wurden uns durchaus verwehrt.
Zum Beweis dafür, dass das keineswegs ein
ungefährlicher Vertrag ist, möchte ich hier ganz klar die Frage stellen: Was
ist für einen Staat wichtiger: Wasser oder Abwasser? Was ist für einen
Menschen, für einen Organismus wichtiger: einatmen oder ausatmen? - Beides ist
lebensnotwendig! Und weil da schwadroniert wurde: ja, der Blind mit der Pest im
Mittelalter!, weise ich darauf hin, dass Wien im Mittelalter natürlich nicht
deshalb von der Pest heimgesucht wurde, weil wir schlechtes Wasser hatten,
sondern weil die Abwasserentsorgung nicht funktioniert hat!
Daher: Wir lassen uns die für die Daseinsvorsorge
notwendigen Einrichtungen von der SPÖ einfach nicht wegnehmen! Diese Einrichtungen
der Daseinsvorsorge müssen den Wienern erhalten bleiben, und zwar ohne Risiko.
Auch der Herr Vizebürgermeister hat eingeräumt, dass es ein Risiko gibt.
Vielleicht ist es nach seiner Einschätzung ein kleines Risiko, aber wir hatten
ja heute hier schon einen Bankakt zur Diskussion vorliegen, da wurde das Risiko
auch als klein eingeschätzt. Hätten wir unsere Vermögenswerte in dieser Bank
deponiert, wir würden heute recht traurig aussehen!
Ich frage Sie auch: Wer kann mir erklären, warum wir – zu
Recht - das Wasser unter Verfassungsschutz stellen und das Abwasser nicht unter
Verfassungsschutz stellen sollten? Meine Kollegin Schmalenberg hat ja
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