Gemeinderat,
27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 78
natürlich neu aufbauen, weil es ja
in dem Vertrag enthalten ist, und dann geht der Vertrag ganz normal weiter. Da
möchte ich Sie jetzt aber ernsthaft fragen: Würden wir das nicht auch sonst neu
aufbauen müssen? Angenommen, das ganze Abwassersystem wird zerstört: Da nehme
ich schon an, dass die Stadt Wien das wieder aufbauen müsste!
Es gibt
natürlich auch sehr ernst zu nehmende moralische Bedenken, die von den
verschiedensten Seiten geäußert wurden, im Zusammenhang mit dieser Frage. Ich
habe schon erwähnt, dass das US-Steuersystem Superreiche begünstigt - keine
Frage -, und es sieht relativ wenig Unterstützung, weil das auch über das
Steuersystem nicht wirklich möglich ist, für sozial Schwächere vor. Die USA
betreiben nicht zuletzt auch im Rahmen der GATS-Verhandlungen eine aktive
Deregulierungs- und Liberalisierungspolitik, die meines Erachtens vor allem
akute Auswirkungen in der Dritten Welt haben wird, aber zweifellos auch in
Europa eine Bedrohung für das Engagement des Staates in der Daseinsvorsorge
darstellt. Beides ist abzulehnen, nur: Ich wüsste nicht, was das Engagement der
Stadt Wien, im konkreten Fall Cross Border Leasing, daran ändern könnte. Es
gibt als Akteure die US-Regierung, die dieses Steuersystem schafft. Die kann
das wieder abschaffen, und – auch das ist überhaupt keine Frage - man kann auf
die US-Regierung Druck ausüben. Aber diese Investitionsförderung in der Höhe
von 10 Milliarden US-Dollar im Jahr schütten die einfach für
Großinvestoren aus, übrigens auch in der Rüstungsindustrie. Wenn wir das nicht
machen, dann schütten sie dieses Geld trotzdem aus, nur eben für andere
Großinvestoren. Auch ich hege große Zweifel an der Richtigkeit einer solchen
Steuerpolitik, nur: Es ändert nichts daran, ob wir das machen oder nicht.
Am Schluss
bleibt für mich an Realem, worüber es in diesem Akt geht, Folgendes: Wir
erhalten ungefähr 150 Millionen EUR an Mitteln für Investitionen. Wir
investieren dieses Geld in den Umweltschutz, dadurch wird die Wirtschaft
angekurbelt und es gibt Arbeitsplätze. Die Risiken sind für mich klar erkennbar
und meines Erachtens auch für die Stadt klar beherrschbar.
Ich habe
es schon einmal erwähnt: Während die Bundesregierung den Leuten a) Geld aus der
Tasche zieht, tut sie b) nichts für die Wirtschaft und für die Arbeitsplätze.
Wir in Wien hingegen schaffen Investitionen, ohne den Leuten Geld aus der
Tasche zu ziehen, indem wir intelligente Finanzierungsmöglichkeiten
ausschöpfen. (Beifall bei der SPÖ. – GR
Mag Wolfgang Gerstl: ...! Dank Amerika!)
Dieses
Geschäft ist daher aus meiner Sicht nicht riskant und nicht nebulos, es
bedeutet auch keine Gefahr für die Bürger und kein Aus-der-Hand-Geben der
Daseinsvorsorge. Es ist eine Investition in die Wirtschaft und es kommt den
Wiener Bürgerinnen und Bürgern zugute. (Beifall
bei der SPÖ.)
Vorsitzender
GR Günther Reiter: Zum Wort
gemeldet ist Herr amtsf StR Dr Sepp Rieder. Ich erteile es ihm.
VBgm amtsf
StR Dr Sepp Rieder: Herr
Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich wollte
mich eigentlich erst am Schluss der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt zum
Wort melden, tue das aber dennoch bereits jetzt, um einen Punkt gleich vorweg
auszuräumen: Natürlich ist es völlig richtig, dass sich der Gemeinderat, wenn
er um die Zustimmung zu Verträgen ersucht wird, auch in der der Stadtverfassung
entsprechenden Form vom Inhalt der Verträge Kenntnis verschaffen können soll,
und das setzt nicht unbedingt voraus, dass jeder von uns über perfekte
Englischkenntnisse, noch dazu in einer rechtsorientierten Materie – da geht es
ja um eine Vielzahl komplexer Zusammenhänge –, verfügen muss. Daher stimme ich
im Prinzip zu, dass wir in Zukunft - die Betonung liegt jetzt auf "in
Zukunft" - diesen Aspekt berücksichtigen werden, und ich werde dafür
sorgen - im Wesentlichen betrifft es ja meine Geschäftsgruppe -, dass wir
darauf achten werden, dass, auch wenn es eine Menge Geld kostet und auch wenn
es möglicherweise nur von einem geringen Teil der Mitglieder des Gemeinderats
in Anspruch genommen wird, die entsprechende Möglichkeit hiefür geschaffen
wird.
Was den
konkreten Anlass betrifft, so möchte ich nur auf Folgendes hinweisen: Nach der
Sitzung des Finanzausschusses hat Herr Dr Kramhöller, der zuständige
Abteilungsleiter, die Möglichkeit angeboten - und das ist den Fraktionen übermittelt
worden -, sich direkt mit ihm in Verbindung zu setzen und auch Fragen mit ihm
zu besprechen, und zwar anhand der Texte. Es ging also nicht nur darum, das
Vertragswerk zur Einsicht zu überlassen und darüber Auskunft zu geben, wo man
bestimmte Punkte in dem Konvolut der Vertragsbestimmungen findet, sondern es
wurde angeboten, wenn es wichtige Themen und Fragestellungen gibt, diese direkt
anhand des Vertragswerks zu besprechen. Das ist übrigens auch die Vorgangsweise
gewesen, die man, wie ich gehört habe, 1998 hier im Gemeinderat eingehalten
hat, als es um das Cross Border Leasing der Wiener Linien gegangen ist, wo
ebenfalls diese Diskussion geführt hätte werden können und wo - jetzt sage ich
es einmal salopp - die GRÜNEN noch nicht diese moralischen Bedenken hatten,
weil sie damals diesem Cross Border Leasing auch zugestimmt haben. (GR Heinz
Hufnagl: Der "Messias" Margulies war noch nicht auf der Welt!)
Ich wollte damit sagen: Das war der Grund, warum wir
diese Vorgangsweise gewählt haben. Ich räume aber ein, dass es nicht absolut
korrekt gewesen ist, und daher werden wir in Zukunft die von mir erwähnte
andere Vorgangsweise wählen.
Zum Inhalt selbst: Die hier geführte Diskussion kommt nicht
überraschend. Zum Teil spiegelt sie eine Diskussion wider, die in zwei
westlichen Bundesländern geführt wird, dort allerdings vor dem Hintergrund
eines sich möglicherweise anbahnenden Wahlkampfes, nämlich in Salzburg zwischen
dem Landeshauptmann und dem Bürgermeister von Salzburg. Aber im Allgemeinen
muss man für Österreich einmal das feststellen, was auch ein in diesem Bereich
tätiger Experte immer wieder bestätigt: Der österreichische Markt ist für Cross
Border
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