«  1  »

 

Gemeinderat, 27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 78

 

man kann nicht einfach sagen: Gerade bei der Abwasserbeseitigung gibt es neue, innovative Ideen, wir krempeln das System um. Wer weiß, welche Innovationen in den vielfältigsten Bereichen in den letzten 35 Jahren stattgefunden haben, der kann, wenn er möchte, im Kopf durchspielen, welche innovativen Gestaltungsmöglichkeiten es im Bereich der Abwasserversorgung in 20, 25 Jahren geben würde. Davon Gebrauch zu machen, ist nicht möglich, ohne damit einen Vertragsauflösungsgrund gesetzt zu haben! Die Stadt Wien kann zwar, wenn sie in eine neue Abwasserbeseitigung investiert und neue Ideen kreiert, die jetzt vielleicht noch überhaupt nicht vorstellbar sind, aber in 20 Jahren gang und gäbe sein werden, diese umsetzen, nur muss sie das alte System jederzeit betriebsbereit halten und instand halten. Da schaue ich mir dann an, welche Kosten auf die Stadt Wien zukommen - oder ob man nicht sicher ist, nicht felsenfest davon überzeugt ist, dass das eine Innovationsbremse ist!

 

Sollte sich dann die Stadt Wien entscheiden: okay, wir wollen uns nicht länger geißeln lassen!, dann beträgt der Barwertvorteil, der uns jetzt versprochen wird - in Höhe von 25 Millionen EUR oder 4,5 Prozent des Transaktionsvolumens -, wahrscheinlich gerade 20 Prozent der Pönalzahlungen, die die Stadt Wien an den Trust zu entrichten haben wird. Denn wenn die Stadt Wien eine Vertragsverletzung setzt, dann ist es nicht so, dass man einfach alles rückgängig machen kann, sondern dann ist die Stadt Wien im Sinne des amerikanischen Rechtes natürlich auch schadenersatzpflichtig für den entgangenen steuerlichen Abzugsposten des Investors, und der liegt in der Regel zwischen 20 und 30 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens. 35 Jahre sind eine lange Zeit, da kann viel passieren.

 

Wenn immer wieder davon gesprochen wird, dass es sich in Wirklichkeit um eine Leasing-Transaktion handelt, und die Unterschiede der doppelten Eigentümerschaft gut und gerne hinweggewischt werden, dann stellt sich schon die Frage, warum sich in dem Entwurf, der uns vorliegt und auch im Finanzausschuss vorgelegt wurde, plötzlich das Zitat findet: Bei Ablauf des Mietvertrages wird der Stadt Wien die Option, die Kaufoption angeboten, das eingeräumte Fruchtgenussrecht zu einem bereits bei Vertragsabschluss fixierten Betrag, dem Kaufoptionspreis, zurückzuerwerben. - Wir sollen also heute einen Akt beschließen, in dem drinsteht: Wir kaufen uns etwas, was uns eigentlich gehört!

 

Sehr geehrter StR Rieder! Sehr geehrte Frau Kossina! Wem gehört es denn jetzt? Verleasen wir etwas? Oder verkaufen wir etwas? Wenn wir etwas verkaufen, ist klar, dass wir es zurückkaufen müssen. Wenn wir tatsächlich nur etwas verleasen, dann ist es vollkommen absurd, etwas zurückzuverkaufen, weil dann der Vertrag irgendwann einmal ausgelaufen ist, und dann gehört es wieder uns. Sie wissen so gut wie ich, dass es sich bei diesem Leasingvertrag de facto um einen Verkauf handelt, bei dem die Stadt Wien die Option hat, nach 35 Jahren mittels Ausübung dieser Kaufoption den zunächst auf 99 Jahre anberaumten Vertrag sozusagen zu saldieren und abzuschließen. Das wissen Sie, und Sie wissen auch, dass die Stadt Wien auf die Kaufoption verzichten kann; Sie wissen außerdem, dass damit dann die Abwasserbeseitigung, die Dienstleistung der Abwasserbeseitigung endgültig an den Trust übergehen würde.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie das nicht wollen, dann sagen Sie das zumindest heute, und stellen wir das per Beschluss fest! Aber es obliegt Ihnen, diesen Antrag einzubringen, weil Sie, wenn nicht Sie es tun, dem sicher nicht zustimmen. Stellen wir fest, dass jedenfalls das Fruchtgenussrecht an der Abwasserbeseitigung im 21. und 22. Bezirk inklusive der davon betroffenen Gebäude zurückgekauft wird. - Oje, das dürfen wir nicht. Die Stadt Wien darf nicht einmal erklären, dass sie beabsichtigt, dies in 35 Jahren zurückzukaufen, weil nämlich, kaum dass die Stadt Wien dies erklärt hätte, die amerikanische Steuerbehörde sagen würde: Das ist ein Scheingeschäft - dann schon!

 

Wenn man überhaupt die Geschichte von "Lease and lease back" über die letzten Jahre verfolgt, dann ist das ein permanenter Wettlauf der US-amerikanischen Steuerbehörden, die sich in vielen Mitteilungen gegen diese Cross Border Leasing Transaktionen ausgesprochen haben, und der US-Regierung, die sich aus unterschiedlichsten Gründen - sei es aus Subventionsgründen für die eigene Wirtschaft, sei es aus Gründen, die darin liegen, dass sie auch einen Fuß in die Dienstleistungsgesellschaft in Europa setzen will - dafür ausspricht, dass solche Schlupflöcher offen bleiben, sodass dieser Kampf an Komplexitäten und Kleinigkeiten entschieden wird. Ein Beistrich anders gesetzt, und das IRS kann es möglicherweise schon so einstufen, dass es ein Scheingeschäft ist.

 

Real wissen alle: Es ist ein Scheingeschäft. Es ist ein Scheingeschäft unter Beteiligung amerikanischer Investoren. Es ist ein Scheingeschäft unter Beteiligung von Banken, die ihren Sitz in Steueroasen wie den Cayman-Inseln haben. Es ist ein Scheingeschäft unter Beteiligung der Österreichischen Kommunalkreditbank. Es ist ein Scheingeschäft unter Beteiligung der Stadt Wien. Die Kosten für das Ein-Tages-Geschäft - wie es bei der Gemeinde Wien oft gerne dargestellt wird - trägt zunächst der amerikanische Steuerzahler, und im Laufe von 35 Jahren ein Vielfaches davon die Wiener Bevölkerung.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solche Scheingeschäfte lehnen wir ab. Unserer Meinung nach bedürfte es, bevor so etwas überhaupt nur angedacht wird, neben der deutschen Sprache, neben dem Aufliegen in Österreich, neben der Klärung, wie das Risiko tatsächlich aussieht, auch eines Konzeptes, wie sich die Frau Umweltstadträtin die Abwasserentsorgung in den nächsten 30 Jahren vorstellt. Gibt es so ein Konzept? Haben Sie jemals darüber nachgedacht? Oder denken Sie sich, es ist nicht notwendig, weil Sie in fünf Jahren wahrscheinlich eh nicht mehr hier sitzen, keine Rolle als Stadträtin mehr spielen und die politische Verantwortung ab dem Zeitpunkt aufhört, ab dem Sie nicht mehr da sind?

 

Selbiges gilt, wenn man den verschiedensten

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular