Gemeinderat,
27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 78
tatsächlich nur New York als Gerichtsstand
angegeben ist, schaut es im Cross Border Leasing-Vertrag über das Kanalnetz ein
Äuzerl anders aus - es gibt einen zweiten Gerichtsstand. Jetzt würde man doch
annehmen, der zweite Gerichtsstand läge irgendwo dort, wo einer der
Beteiligten, insbesondere die Gemeinde Wien, ihren Sitz hat, oder
möglicherweise auf den Cayman-Inseln, weil von dort auch Kreditgeber kommen -
von den sicheren Cayman-Inseln, einer Steueroase der Weltpolitik; dazu später
-, aber nein: Der zweite Gerichtsstand liegt im High Court of London!
Sehr
geehrte Damen und Herren! Wissen Sie, was der Sinn dahinter ist, dass es neben
New York einen zweiten Gerichtsstand in London gibt? Es gibt für solche Sachen
kein Vollstreckungsabkommen zwischen den USA und Österreich. Das heißt, sollte
tatsächlich - und das hat ja nur für den Investor einen Sinn - die Stadt Wien
verurteilt werden, muss sich der Investor absichern, dass es neben dem
amerikanischen Gerichtsstand noch einen zweiten in Europa gibt. Da wählt man am
besten London, aber schon gar nicht Wien: weil da etwas "Blödes"
herauskommen könnte, wählen wir London! Damit ist sichergestellt, dass der
Investor seine Sachen gegenüber der Stadt Wien, sollte es zu so genannten
"Defaults" kommen, tatsächlich durchsetzen kann.
Darüber
hinaus gibt es ein Schiedsgericht, das sich an die Spielregeln der
Welthandelskammer hält. Wo wird sich das befinden? - Selbstverständlich in New
York, das ist vollkommen klar! In Wien wird sich diesbezüglich nichts befinden,
weil, wenn es nach der Stadt Wien geht, die Verträge auch nicht in Wien,
sondern außerhalb des Landes aufgehoben werden. Das erklärt, warum man in
Wirklichkeit überhaupt nicht vereinbaren muss, dass in Österreich ein
Gerichtsstand ist: Wenn sich die Verträge gar nicht in Österreich befinden,
dann wird die Stadt Wien ihre bevollmächtigten Vertreter zu etwaigen
Diskussionen über die Verträge immer ins Ausland schicken.
Wie schaut
das jetzt eigentlich aus? Was ist überhaupt so ein Cross Border
Leasing-Vertrag? Da gehen die Einschätzungen auseinander. Die einen sagen, es
ist ein super Modell zur Gemeindefinanzierung und zur Budgetsanierung - wobei
bisher, wenn man sich das anschaut, eigentlich kein budgetwirksamer Teil
ersichtlich ist. Denn im Großen und Ganzen werden nur Dienstleistungsbereiche -
gebührenfinanzierte oder tariffinanzierte Dienstleistungsbereiche - Cross
Border Leasing-Verträgen unterworfen.
Wenn ich
mich der österreichischen Rechtsordnung recht entsinne, hängen zum Beispiel die
Kanalgebühren ein bisschen damit zusammen, wie viel die Aufwendungen und
Erträge - also der Saldo davon - für die Abwasserbeseitigung ausmachen. Das
heißt, eigentlich müssten wir Folgendes annehmen: Sollte es tatsächlich so
sein, wie Sie sagen, dann müsste es zu einer Senkung der Gebühren im Abwasserbereich
kommen. Aber das ist wiederum nicht der Fall. Das wollen Sie nicht, und ich
sage Ihnen ganz ehrlich, ich würde das kurzfristig auch nicht für sinnvoll
halten. Aber um aus budgettechnischen Gründen zu sagen, es geht darum, Defizite
abzufangen, macht Cross Border Leasing keinen Sinn.
Im
Gegenzug gibt es aber viele Verpflichtungen und Probleme, die etwaigen
Einmal-Erträgen der Gemeinde Wien gegenüberstehen. Ein Problem, das bisher noch
überhaupt nicht festgeschrieben ist, ist der Umgang mit den Sicherheiten. In
den internen Akten, die wir im Finanzausschuss wie immer bekommen haben, steht
natürlich drin, dass es kaum ein Risiko gibt. Aber wenn es kaum ein Risiko
gibt, stellt sich die Frage: Warum wird die Transaktion auf vielen hundert
Seiten gegen alle möglichen Risken abgesichert? Warum verlangt der US-Investor
beziehungsweise der Kreditgeber dingliche Schuldverschreibungen? Warum - das
ist in Wirklichkeit die nächste Umgehung - werden diese dinglichen Sicherheiten
nicht im Grundbuch eingetragen, wenn es sie schon tatsächlich geben müsste?
Nein, sie werden auf ein Treuhandkonto gelegt, in Form von
Grundschuldverschreibungen!
Das heißt, außer den Vertragspartnern bei einem
Vertrag, der sonst eigentlich niemand zugänglich sein sollte - das Problem, das
man hier im Gemeinderat diskutieren muss, ist das Einzige, was hier sozusagen
im Sinne der Geheimhaltung zu nehmen ist -, außer diesen weiß niemand - und ich
sage es jetzt absichtlich so, dass es jeder versteht -, dass die Stadt Wien
sehr wohl Teile ihres Eigentums verpfändet!
Das könnte natürlich spannend werden, wenn man einmal
einen Kredit aufnehmen möchte und der Kreditgeber sich tatsächlich ins
Grundbuch eintragen und eine Rangsicherung machen lassen will. Wie sieht es
dann damit aus? Muss man die Verträge und die dinglichen Sicherheiten wieder
herausgeben? Oder "legt" man den Kreditgeber und sagt ihm: das ist eh
ein Vertrag, da kann überhaupt nichts passieren, wir lassen es versteckt im
Treuhandkonto? Das möchte ich mir dann aber anschauen, wie die Stadt Wien damit
umgeht. Oder ist sichergestellt, dass wir für die Abwasserversorgung und die
Kanalisation innerhalb der MA 30 keinerlei Kredite und Sicherheiten mehr
benötigen? - Das ist ein Punkt.
Ein weiterer Punkt: Dass in Wirklichkeit eine große
Gefährdung auf die Abwasserversorgung der Stadt Wien zukommt und sich binnen
kürzester Zeit herausstellt, dass es sich nicht um so ein super Geschäft
handelt, sondern eher um eine Investitions- und Innovationsbremse, zeigt sich,
wenn man sich tatsächlich einmal anschaut, was verleast wird und in welcher Art
und Weise es verleast wird. Es wird ein System verleast, das System der
Abwasserversorgung, und der daraus entstehende Fruchtgenuss. Damit dieses
System als wirtschaftliches Eigentum des Trusts, an den tatsächlich verleast
wird, anerkannt werden kann, muss es im steuerlichen Eigentum des Trusts
stehen.
Um dies gegenüber dem amerikanischen Investor wirklich
glaubwürdig darlegen zu können, hat der verleaste Gegenstand, das verleaste
System jederzeit instand gehalten zu sein, jederzeit in gleichem Umfang -
zumindest in groben Zügen - aufrechterhalten zu werden, und
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