Gemeinderat,
27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 17 von 78
wissen, entfällt für 2002 die Dividende der HVB und 2003 ist
sie keinesfalls sicher. Traurige Tatsache ist damit, dass rund
1,5 Milliarden EUR verschwunden sind, und es schaut so aus, als wäre
keiner Schuld. Wirklich keiner? Irren wir uns alle und es ist vielleicht gar
nichts passiert? Ist der Betrag nur eine Lappalie? Der Bürgermeister Häupl
sagte unlängst zu dieser Thematik, die Stadt Wien hat keinen Schaden erlitten.
Da, meine Damen und Herren, irrt er leider
dramatisch, und zwar in dreierlei Hinsicht. Wäre nämlich im Jahr 2001 nicht
getauscht, sondern der Anteil verkauft worden, hätte die Gemeinde direkt oder
indirekt 1,7 Milliarden EUR verfügbares Vermögen. Selbst wenn dieses
Vermögen in eine Stiftung geflossen wäre, könnten wir bei einer vier- bis
fünfprozentigen Kapitalmarktrendite 60 bis 70 Millionen EUR im Jahr
an Zinsen lukrieren. Chorherr wird das dann sicher noch einmal bringen. Der
Technologiefonds bekommt weniger Geld. Da die Dividende für 2002 entfällt,
meine Damen und Herren, gibt es weniger Jahresüberschuss. Das ist nicht
wegzuleugnen. Daraus resultiert zweifelsfrei ein Verlust für die Gemeinde.
Ich bin sehr interessiert, wie der Kollege Hufnagl
und die SPÖ diesen Verlust durch den Entfall der Dividende werden wegleugnen
wollen. Ich weiß schon, da werden wieder Formalismen kommen. Darauf gehe ich
jetzt gar nicht ein. Es kann sich gern dann auch der Kollege Salcher damit
beschäftigen, falls es wieder von Ihnen kommen wird.
Die Stadt Wien hat ohne jeden Zweifel exorbitant viel
Geld verloren und in absehbarer Zeit ist leider auch keine Besserung zu sehen,
meine Damen und Herren. (GR Heinz
Hufnagl: Derzeitiger Kurswert!) Die Aktie müsste fast wieder um
300 Prozent steigen, um auf das alte Niveau zurückzukommen. Dies ist
angesichts der Situation der europäischen Finanz- und Wirtschaftsmärkte im
Augenblick wohl kaum möglich.
Die Frage, die uns hier zu interessieren hat, ist:
Wer trägt für dieses Desaster die politische Verantwortung? (GR Dipl Ing Martin Margulies: ÖVP und
SPÖ!) Wenn ein Bergewerk und eine Brücke einstürzen, meine Damen und
Herren, wird nach der Verantwortung eines Ministers und eines Stadtrats
gefragt. Wenn 1,5 Milliarden EUR oder Ausschüttung, zumindest aus der
Dividende der Beteiligung, auch nur theoretisch futsch sind, dann trägt niemand
Schuld?
Ich sage Ihnen dazu nur, meine Damen und Herren von
der Sozialdemokratie, ein Zitat von der SPÖ Niederösterreich, die ein ähnliches
Thema bezüglich der niederösterreichischen Wohnbaugelder vor kurzem angezogen
hat. (GR Heinz Hufnagl: Die sind verkauft
worden!) Dort hat nämlich der Redner gesagt, persönlich verantwortlich sei der
Finanzlandesrat und daher politisch nicht mehr akzeptabel. Das ist nicht unsere
Aussage, sondern die der SPÖ Niederösterreich. Halten Sie sich bitte daran,
meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)
Jetzt kommen wir zur Haltung der ÖVP in dieser Causa.
Ich bin davon überzeugt, Sie sind schon gespannt darauf. Wir hätten schon,
meine Damen und Herren, von Anfang eine ganz andere Lösung bevorzugt, was die
CA-Übernahme anbelangte. In Anbetracht der Tatsache, dass die Aktie der ERSTE
Bank im selben Zeitraum, nämlich in den letzten zwei Jahren, um 30 Prozent
gestiegen ist, sieht man, dass wir und Teile der österreichischen
Finanzlandschaft damals sehr wohl Recht gehabt hätten. Leider wurde von Ihnen
und Ihrem damaligen Finanzminister und Bundeskanzler ein anderer Weg gewählt.
In der Folge war dann für die Volkspartei eine
Privatisierung der Bank Austria aus drei Gründen von eminenter Bedeutung:
In erster Linie waren wir - das ist der Kernsatz -
für eine Vollprivatisierung, also den Verkauf an institutionelle Investoren
oder über den Streubesitz, um damit dann verschiedene
Infrastruktureinrichtungen und andere Dinge der Stadt Wien finanzieren zu
können.
Zweitens wollten wir die Bank Austria aus der
Umklammerung der Sozialdemokratie befreien.
Drittens wollten wir - das ist auch von eminenter
Bedeutung - die Haftung der Gemeinde Wien wegbekommen. (GR Christian Oxonitsch lacht.) Da lachen Sie, Herr Oxonitsch!
Am Beispiel Bank Burgenland hat sich gezeigt, wie
wichtig es ist, eine Haftung wegzubekommen. Oder ist dort nichts schlagend
geworden? Glauben Sie, man kann es weglächeln?
Die VP hat - ich bin davon überzeugt, ein oder
mehrere Nachredner werden darauf eingehen - dem letztlich zugestimmt, d'accord,
überhaupt keine Frage, aber als zweitbeste Lösung. So hat der damalige VBgm DDr
Görg etwa in einem "profil"-Interview im Dezember 2000 Folgendes
gesagt. Er wurde zitiert, er hat jahrelang vergeblich darum gekämpft, die Bank
Austria voll zu privatisieren und sieht in der Stiftung immerhin einen
Teilerfolg seiner Bemühungen. "Immerhin ist die Haftung der Gemeinde für
die BA los. Zwei meiner wesentlichen Forderungen wurden erfüllt, aber eben die
dritte, die Vollprivatisierung, leider nicht." (GR Kurt Wagner: Passt eh! Ausverkauf!) Da waren Sie von der
Sozialdemokratie immer davor, so wie die Gitti Ederer am 22.7.2000: "Ein
Verkauf der Anteile kommt überhaupt nicht in Frage."
Aus heutiger Sicht - das sehen wir sehr deutlich -
wäre es eindeutig besser, den Weg, den wir vorgeschlagen haben, den Weg der
Vollprivatisierung, zu gehen und nicht einen Kompromiss zu machen. Aber besser
wir haben überhaupt etwas getan, als die Gemeinde hätte noch immer die Haftung.
Aber Sie müssen einmal die Größe haben, herauszugehen und zu sagen, es war ein
Fehler, dass wir keine Vollprivatisierung durchgeführt haben, meine Damen und
Herren! (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Kollegen, wenn Sie sachdienliche Hinweise zum
Verbleib der 1,5 Milliarden EUR haben, dann kommen Sie bitte heraus
und helfen Sie uns das aufzuklären.
Auch die Rolle der Betriebsratschefin wäre
aufklärungsbedürftig. (GR Kurt Wagner:
Die geht Sie aber gar nichts an!) Die hat mit verhindert, dass diese
Vollprivatisierung durchgeführt werden konnte. Ihr Ziel war es
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