Gemeinderat,
27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 78
GRin Mag Heidemarie Unterreiner
(fortsetzend): Ich komme, Herr Vorsitzender,
gleich zur Frage, aber das ist in Wien ein sehr wichtiges Thema.
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer (unterbrechend):
Es ist alles okay, aber wir haben trotzdem pro Frage zwei Minuten und die sind
um.
GRin Mag Heidemarie Unterreiner (fortsetzend):
Gut. Ich sage, es wird hier ein Kind malträtiert, es wird misshandelt. Jetzt
kommt man noch auf die perfide Idee, man wendet selber Gewalt an und sagt dann,
das sei eine Anklage gegen die sozialen Zustände in Mexiko City! Unserer
Meinung nach ist das Malträtieren eines toten Kindes Mord an der Seele und
zutiefst abzulehnen!
Ich frage Sie jetzt noch einmal allen Ernstes, und
lesen Sie nicht noch einmal das herunter, sondern sagen Sie Ihre ganz
persönliche Meinung als Stadtrat dazu, weil Sie die Verantwortung zu tragen
haben: Was hat so ein Video in Wien, in der Stadthalle, zu tun, wieso wird so
etwas vorgeführt und warum ist das kunst- und förderungswürdig?
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Frau Gemeinderätin!
Erstens ist das Video nicht in der Stadthalle,
sondern in der Kunsthalle. (GRin Mag
Heidemarie Unterreiner: Ich habe mich versprochen, natürlich in der
Kunsthalle!)
Zweitens weise ich mit aller Entschiedenheit Ihre
Feststellung, in Wien trieben Kulturschaffende ihr Unwesen, zurück! Ich kenne
keinen Kulturschaffenden, der in Wien ein Unwesen treibt.
Drittens, sehr geehrte Frau Gemeinderätin, das, was
ich hier vorgetragen habe, ist meine persönliche Meinung. Dass das Ihnen
vielleicht nicht passt, akzeptiere ich, es ist aber meine Meinung.
Zu der Frage, ob diese Förderung angemessen ist: Wir
sind zum Glück in einem Staat und in einem Land und in einer Gesellschaft, wo
wir nicht in der Situation sind, dass die Politik sich jede Ausstellung, jedes
geschriebene Wort, jedes gemalte Bild, jeden komponierten Ton vorlegen lässt,
um dann zu entscheiden, ob das gefördert wird oder nicht und weil etwas
vielleicht politisch nicht passt, dann nicht gefördert wird. (GR Mag Helmut Kowarik: Das hat damit nichts
zu tun!) Ich bin mir sicher, sehr geehrte Frau Gemeinderätin, dass Sie und
Ihre Fraktion eine solche Gesellschaft auch nicht haben wollen. Die Kunsthalle
ist eine ausgegliederte Organisation, die von Förderungen und von privaten
Geldern lebt, Förderungen auch der Stadt Wien.
Ich werde es selbstverständlich auch in Zukunft so
halten, dass mir nicht einzelne Ausstellungsprojekte, einzelne Videos oder
sonstige Performanceprojekte zur politischen Genehmigung vorgelegt werden, weil
das in Wahrheit natürlich nichts anderes als Zensur ist. Wir werden das auch in
Zukunft so halten.
Es gibt Verantwortliche in dieser Kunsthalle, die ihr
Programm zu rechtfertigen haben. Das tun sie auch. Sie stehen mit Rede und
Antwort zur Verfügung. Jedenfalls ist das mein Stil von Kulturpolitik, dass wir
Verantwortliche einsetzen, die dafür auch eine schöne Summe Geld bekommen.
Es gibt ein Programm, das hier im Gemeinderat zur
Debatte steht und vom Gemeinderat genehmigt wird. So werden wir es auch in
Zukunft halten.
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Die nächste Zusatzfrage, Frau Mag Ringler.
GRin Mag Marie Ringler (Grüner Klub
im Rathaus): Sehr geehrter Herr Stadtrat!
Ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie sehr offene und meines
Erachtens nach sehr fundierte Worte dafür gefunden haben, warum es sehr wichtig
ist, dass wir es in dieser Stadt möglich machen, dass derartige Kunstwerke
gezeigt werden und dass künstlerisches und aktuelles Schaffen nicht nur vom
Geschmack der einen oder anderen Gemeinderätin abhängt, sondern tatsächlich
auch die Möglichkeit gibt, Grenzerfahrungen und das, was wir in unserer
Gesellschaft nicht als das Schöne bezeichnen würden, deutlich zu machen. Ich
finde das sehr wichtig und ich bin Ihnen sehr dankbar für diese klaren Worte.
Allerdings glaube ich, dass man durchaus darüber
nachdenken sollte, wie wir damit umgehen, dass in unserer Gesellschaft diese
Arbeiten und zeitgenössisches Schaffen oft Menschen mit einem vielleicht etwas
nicht ausreichenden Bildungsstand und mit nicht ausreichenden Erfahrungen oder
auch nicht ausreichendem Hintergrundwissen betrachten und dadurch auch
Unverständnis herauskommt. Ein Anliegen der Grünen ist immer schon gewesen,
dass die Vermittlungsarbeit gerade im Bereich des aktuellen Schaffens
intensiviert wird. Die Kunsthalle hat hier durchaus vorbildhaft gezeigt, wie
man damit umgehen kann.
Andererseits denke ich, dass diese Anwürfe der FPÖ
immer wieder zu sehen sind, auch bei Institutionen, die leider über die Mittel
nicht verfügen, diese Vermittlungsarbeit zu leisten.
Daher meine Frage an Sie, ob Sie sich vorstellen
können, dies zum Anlass zu nehmen, zu sagen, ja, wir gehen darauf ein, dass
manche Leute nicht verstehen, was der eine oder andere Künstler hier meint oder
gesagt hat und deshalb geben wir Gelder gerade und explizit für die
Vermittlungsarbeit, um Institutionen, die derartige schwierige Arbeiten zeigen
,die Möglichkeit zu geben, sie besser an das Publikum zu vermitteln.
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte,
Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Frau Gemeinderätin!
Gerade das Beispiel Kunsthalle zeigt, dass die
Kunsthalle - da waren wir maßgeblich daran beteiligt - ausführliche
Vermittlungsprogramme hat. Ich meine auch, dass die Art und Weise, wie gerade
diese Ausstellung präsentiert, argumentiert und vermittelt wird, durchaus eine
vorbildliche ist, was aber nicht davon abhält, dass trotzdem versucht wird,
politisches Kleingeld daraus zu schlagen. Ich fürchte, dies wird man nie ganz
verhindern können. Dazu leben wir auch in einer Demokratie, um diese Meinungen
ebenso anzuhören und zu respektieren.
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