Gemeinderat,
26. Sitzung vom 28.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 67
während der letzten Lebensjahre wird natürlich mehr Pflege
notwendig sein, wir brauchen Pflegeplätze und wir brauchen Pflegepersonal. (GRin Josefa Tomsik: Die sich jeder leisten
kann!) Aber da geht es schon auch um eine Grundsatzdiskussion – ich habe
das von dieser Stelle aus schon einige Male gesagt –: Wie viel ist der
Gesellschaft der alte und pflegebedürftige Mensch wert? Genügt es, wenn der
immobile Mensch warm, satt und sicher aufbewahrt – ich betone: aufbewahrt –
wird?
Ich sage, es ist zu wenig, denn wir wissen, dass sehr
viele Menschen den sozialen Tod längst vor dem physischen Tod erleiden. Hier
sind Veränderung notwendig, und jede Maßnahme, die diesbezüglich gesetzt wird,
wird auch von uns unterstützt. (GRin
Josefa Tomsik: Bitte welche Maßnahmen haben Sie von Seiten des Bundes gesetzt?
Frau Kollegin, welche Maßnahmen hat der Bund bisher gesetzt?) Das ist auch
ein ganz, ganz wichtiger Prüfstein für die Stabilität und die Qualität unserer
Gesellschaft.
Daher sage ich noch einmal, dass ich die
Zusammenführung der Sozialkompetenzen in eine Geschäftgruppe grundsätzlich für
positiv halte, weil eine gemeinsame Administration sicher günstiger sein wird.
Die Geschäftsgruppe hat die Kompetenz für politische Vorgaben, strategische
Steuerung, Planung, Finanzierung und Controlling, während der operative Bereich
ausgegliedert wird.
Aber nun ergeben sich für mich einige Fragen, die
heute nicht beantwortet wurden: Wie erfolgt die Einbindung der politischen
Parteien? Mein Kollege Hahn hat einen Vorschlag gemacht. Der Kollege
Hundstorfer hat zwar gesagt, von der Opposition seien keine Vorschläge
gekommen. Vielleicht haben Sie es überhört. Hier ist ein Vorschlag. Typisch ist
auch wieder, dass die Frau Kollegin Stubenvoll, obwohl das überhaupt noch nicht
behandelt wurde, von dieser Stelle aus schon gesagt hat, der Unterausschuss sei
nicht notwendig. (GR Christian Oxonitsch:
Da werden Sie daran erinnert!) Das ist wieder typisch für die so genannte
Demut, die Sie an den Tag legen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich hoffe sehr,
dass die politische Kontrolle nicht auch mit ausgegliedert wird, denn das wäre
sicher fatal. (Beifall bei der ÖVP. – GR Christian Oxonitsch: Von der
politischen Kontrolle im Bund ist noch viel offen!)
Weiters: Frau Vizebürgermeisterin, werden Sie dafür
sorgen, dass die Prüfungszuständigkeit der Volksanwaltschaft erhalten bleibt?
Warum ist mir das ein Anliegen? Aus jedem Bericht der Volksanwaltschaft geht
hervor – Frau Kollegin Jerusalem hat ja heute schon daraus zitiert und hat
erwähnt, dass auch Kollege Kostelka, der Ihnen nicht fremd ist, hier große
Kritik geübt hat, aber auch schon vorher in allen Berichten Jahre zurück –,
dass gerade die Sozialhilfe unbürokratisch sein muss, dass sie bürgernah sein
muss und dass sie bedarfsgerecht sein muss, dass sie in Wien aber nicht
bedarfsgerecht ist.
Faktum ist, dass man vier bis sechs Wochen warten
muss, um überhaupt einen Termin beim Sozialamt zubekommen. Dabei geht es nicht
nur um das Geld, sondern es geht gerade in diesem Bereich auch um
Sachleistungen, vor allem aber um die aktivierende Sozialhilfe. Das ist ja
ganz, ganz wesentlich. Es geht nicht darum, jemandem ein paar Euro zu geben –
das ist auch wichtig –, sondern es geht um die aktivierende Sozialhilfe.
Sozialhilfe darf nicht dazu führen, dass die Menschen auf ein Abstellgleis
gestellt werden und sich die Gesellschaft dann nichts mehr von ihnen erwartet.
Die Volksanwaltschaft zeigt in jedem Bericht auch
gravierende Verfahrensmängel bei der MA 12 auf, Fehler in der
Aktenführung, Rechtsschutzdefizite, Ignorierung der Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes, rechtswidrige Berechnung des Richtsatzes et cetera,
et cetera. Und das, Frau Vizebürgermeister, ist nicht die Kritik der bösen Opposition
sondern, das ist die Kritik einer objektiven Stelle. Und ich nehme doch an,
dass Sie mir Recht geben werden, dass die Volksanwaltschaft als solche
Institution anzusehen ist. Es wäre wirklich falsch und fatal, wenn dieses
Sprachrohr des Bürgers, eben die Volksanwaltschaft, aus diesem demokratischen
Prozess ausgeschlossen werden würde. (Beifall bei der ÖVP.)
Frau Vizebürgermeister, auch eine Frage, die mich
sehr beschäftig: Wann werden Sie das Landesseniorengesetz beschließen? Wir
haben heute so viel gehört von der demographischen Entwicklung, dass die
Menschen älter werden, wie wichtig es ist, dass man hier sehr viel für diese
Generation tun muss. Es hat die FPÖ ein Landesseniorengesetz eingebracht, es
hat die ÖVP ein Landesseniorengesetz eingebracht, andere Bundesländer haben
bereits ein Landesseniorengesetz, in Wien, wo immerhin eine halbe Million
Menschen bald über 60 Jahre alt sein werden, gibt es keines. Informell ist
im Ausschuss kurz gesagt worden, der Entwurf sei zur Überprüfung weitergegeben
worden. Passiert ist nichts. Der Rest ist Schweigen.
Meine Damen und Herren! Wenn die Mehrheitsfraktion
dieses Hauses die Anliegen und die Probleme der altersbunten Gesellschaft so
ernst nimmt wie unsere Gesetzesinitiativen, dann nützen auch Organisationsänderungen
nichts, denn dann fehlt der gute Wille, dann sieht die ältere Generation in
Wien einer nicht sehr guten Zukunft entgegen. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Jerusalem. Ich möchte
Sie darauf hinweisen, dass Sie noch 3 Minuten Redezeit haben.
GRin Susanne Jerusalem (Grüner Klub
im Rathaus): Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich möchte nur rasch noch die Möglichkeit wahrnehmen,
auf einen Widerspruch in der SPÖ hinzuweisen, der mich dazu bringt, zu
behaupten: Sie wissen überhaupt nicht, was sie tun.
Herr GR Hundstorfer – nachzulesen in einer Veröffentlichung
der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – sagt klipp und klar zum Ausgliedern
– nicht zum Privatisieren, sondern zum Ausgliedern –, dass die Bevölkerung
zusätzlich belastet wird, dass ein Qualitätsverlust stattfindet und dass die
Rechte der Bediensteten verloren gehen. Das sind die drei Punkte. Ich habe das
auch gesagt, daraufhin haben Sie behauptet, ich hätte einen
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular