Gemeinderat,
26. Sitzung vom 28.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 67
Ich meine, dass man hier für
Personen, die einen Wohnbedarf haben, eine Amnestie durchführen muss und
sollte, damit diese dann gerechtfertigt in dieser Wohnung bleiben können.
Aber es gibt natürlich ein
anderes Unrecht, zu dem ich kommen möchte, das ist der Fehlbelag, ein
Fehlbelag, der immer wieder auftritt durch Scheidungen, wo ein Ehepartner mit
Kindern zum Beispiel auszieht. Der Mann verbleibt in der Wohnung, 130 Quadratmeter,
und möchte natürlich in eine kleinere Wohnung ziehen, in eine
60 Quadratmeter große Wohnung. Jetzt sagt man, das geht nicht, weil er
eine Einzelperson ist, und er muss mit einem Einzelraum vorliebnehmen. Er hat
aber immer wieder seine Kinder auf Besuch, die dann länger bei ihm bleiben, die
auch den Urlaub bei ihm verbringen und die bei einem Einzelraum natürlich nicht
untergebracht werden können. Wiener Wohnen handelt hier eben nicht sozial und
sagt: 130 Quadratmeter, bleibst lieber drinnen, bekommst keine
60-Quadratmeter-Wohnung, weil dir stehen eben die 40 Quadratmeter
da zu.
Hier, glaube ich, sollten Sie also schon mehr
Toleranz üben und ein soziales Handeln im Sinne der Kinder und der gemeinsamen
Erziehung beider Partner, auch wenn sie getrennt sind, an den Tag legen.
Wie werden Sie in Zukunft bei solchen Dingen
vorgehen?
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
Bitte.
Amtsf StR Werner Faymann: Es gibt
durchaus, insbesondere von der Wohnungskommission, aber auch von der sozialen
Schiene, Einzelfälle, wo es demjenigen nicht zumutbar war, weil Scheidung
alleine heißt ja noch nicht, dass der nicht wirtschaftlich in der Lage ist,
auch am Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden, also Einzelfälle, die sozial
nachweisbar dazu geführt haben, dass man Ausnahmen von der Regel macht und
besondere Angebote durch die Stadt geleistet hat. Der Regelfall ist es nicht,
aus einem sehr einfachen Grund. Ich werde oft gefragt: Warum geben Sie Menschen
nicht eine ein bissel größere Wohnung? Jungen Leuten, die zusammenziehen, die
wissen, sie wollen einmal ein Kind, vielleicht zwei Kinder, geben Sie ihnen
doch eine größere Wohnung.
Aber das liegt nicht an mir und auch nicht an der
Wohnhäuserverwaltung, sondern es ist so, dass der Großteil unserer Wohnungen
sehr kleine Wohnungen sind und dass wir gerade bei Zwei-, aber vor allem bei
Drei-Zimmer-Wohnungen und bei noch größeren Wohnungen einen Engpass haben. Das
heißt, jemand großzügig gegenüberzustehen und zu sagen, man gibt ihm eine
größere Wohnung, als ihm eigentlich zusteht, diese Toleranz geht natürlich auf
Kosten anderer, die in der Warteschlange stehen. Wenn jemand eine Wohnung
zurückgibt im Falle einer Scheidung und uns zum Beispiel anbietet bei einem
Scheidungsvergleich, dass wir zwei kleinere Wohnungen zur Verfügung stellen,
machen wir das, wie die Praxis zeigt, sehr häufig. Wenn Sie einen Fall haben,
wo Sie glauben, dass es vertretbar ist, dass diese Toleranz nicht dazu führt,
dass sie auf dem Rücken anderer ausgeht, dann bin ich überzeugt, dass wir uns
das so wie in anderen Fällen auch sehr konkret ansehen sollten.
Zur Amnestie wollte ich noch etwas sagen. Wir haben
einmal eine Aktion gemacht – die ist schon einige Jahre zurück –, wo wir gesagt
haben: Wenn uns jemand nachweist, dass er bisher als Untermieter ungerechtfertigterweise
in einer Wohnung gewohnt hat, und er zeigt uns, dass er da jahrelang bezahlt
hat für Gas und Strom, oder er führt andere Nachweise, dann übertragen wir ihm
die Wohnung. Man muss natürlich aufpassen, dass man diese Amnestieaktionen
nicht in zu regelmäßiger Abfolge macht, weil das ist ja dann keine
Amnestieaktion mit dem eigentlichen Ziel und Zweck, den Schwächeren zu helfen,
sondern das ist ja dann eine Anleitung zur Weitergabe der Gemeindewohnung
womöglich an die Falschen. Und diese scharfe Grenze zwischen sinnvoller
Amnestie und regelmäßig wiederkehrenden Regelungen, die eine Art Anleitung für
Missbrauch sind, diese scharfe Grenze muss man wählen, und ich glaube, die
wählt man dadurch, dass man die Abstände, in denen man solche Aktionen macht,
nicht zu berechenbar werden lässt.
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
Danke. – Frau GRin FRANK, bitte.
GRin Henriette FRANK (Klub der
Wiener Freiheitlichen): Herr StR Faymann, Sie haben ursprünglich die
Fälle insgesamt genannt. Ich habe das nicht mitgeschrieben oder nicht richtig
verstanden und jetzt sind mit nur die 110 gerichtlichen Fälle im Gedächtnis
geblieben.
Meine Frage ist jetzt: Wenn das insgesamt eine
gewisse Summe ausmacht, so sind das ja oft sehr langfristige Verträge. Das
heißt, würden diese Leute die Wohnung zurückgeben oder sterben, dann würde
vielleicht der Nachfolger einen wesentlich höheren Mietzins zahlen, als dies
jene Leute tun.
Gibt es jetzt irgendeine Größenordnung, welcher
Schaden der Stadt Wien daraus entsteht?
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
Bitte.
Amtsf StR Werner Faymann: Einen Schaden
könnte ich ja nur dann messen, wenn ich den Nachweis führen kann, dass es sich
um einen Missbrauch der Wohnung handelt und dass dort tatsächlich ein illegaler
Untermieter drinnen ist. Bei den Fällen, die wir kündigen – das kann ich ja
jetzt nicht auswendig sagen –, sind es im Durchschnitt zwei Jahre, und diese
zwei Jahre wäre der berechenbare Schaden, den ich Ihnen da hochrechnen könnte.
Der größere Schaden entsteht durch den Aufwand, den wir
dabei haben, dass uns jemand sehr häufig schreibt, er weiß, dass im Haus auf
Tür Nummer 3 jemand anderer wohnt. Und wenn wir ihn dann bitten, uns das
irgendwie schriftlich mitzuteilen und uns auch als Zeuge zur Verfügung stehen,
dann sagen sehr viele Menschen: Mit dem Gericht möchte ich nichts zu tun haben.
Daher kommt oft die Maschinerie in Bewegung, ohne dass es zum Erfolg führt,
weil sich viele Menschen über einen Missstand zwar gern allgemein beschweren,
aber nicht dann konkret als Zeuge vor Gericht zur Verfügung stehen. Da sind
sicher die Kosten der Stadt
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