Gemeinderat,
25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 91
Vermutungen oder Ängste, dass hier Liberalisierungen
stattfinden oder gar Private die Möglichkeit hätten, den staatlichen
Monopolbereich zurückzudrängen -, nicht jedoch im tertiären Bereich. Das ist
klar, das ist bekannt, und das ist auch keine Neuerung.
Das heißt, das, worum es hier geht, ist jetzt
tatsächlich die Frage: Gebe ich Informationen weiter, nur um Angst zu machen,
oder gebe ich Informationen weiter, um tatsächlich etwas zu bewirken nach dem
Motto: hier muss nachverhandelt werden? Ich kann aber nicht etwas
nachverhandeln, was gar nicht im Vertrag drinsteht, und deswegen habe ich
zitiert: "voll verpflichtet", im Monopolbereich, im staatlichen
Bereich zu verbleiben. (GR Mag Rüdiger
Maresch: Aber was heißt "voll verpflichtet"?)
Noch einmal: Wenn drinsteht, dass der tertiäre
Bereich ausgenommen ist, dann geht es um GATS. GATS will ja Liberalisierung,
daher muss ich mich nicht negativ abgrenzen. (GR Mag Rüdiger Maresch: Das steht aber in dem Artikel nicht drin! Ich
kenne den Artikel! Sie zitieren etwas, was nicht drinsteht! Ich kenne den
Artikel!)
Noch etwas: Sie haben eine zweite Geschichte, und da
gehe ich doch davon aus, dass hier sozusagen bewusst etwas behaupten, was
nirgendwo steht. Das werden Sie auch nicht zusammenbringen, dass Sie hier nur
Ihre Vermutungen auf irgendetwas beziehen. Das ist der so genannte
Bildungsscheck. Ich hätte gern gewusst, wo das steht. Das steht in keinem
Regierungsabkommen, in keinem Koalitionsabkommen. Es gibt bestenfalls
Diskussionen darüber, aber da gibt es viele, Frau Kollegin Jerusalem. Da gibt
es auch Ansätze der totalen Verstaatlichung und der Rückkehr zu Mustern, die
wir schon überwunden haben. Aber deswegen komme ich nicht auf die Idee, hier
ein Angstgebäude aufzurichten, nur nach dem Motto: Verunsichern wir zuerst
einmal die Menschen! Politik hat die Aufgabe, den Menschen Angst zu nehmen, und
nicht die Aufgabe, Angst zu verbreiten. (GR Günter Kenesei: Das kannst
deiner Bundesregierung ausrichten!)
Daher bitte ich jetzt in aller Seriosität - Kollege
Kenesei, in aller Seriosität -: Wenn Sie hier Diskussionen zum GATS und zum
Thema Bildung führen, dann erkundigen Sie sich bitte, bevor Sie sich ans
Rednerpult stellen und Dinge behaupten, die nachweislich nicht stimmen. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Meine
Damen und Herren! Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist somit
geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die beiden Beschluss-
und Resolutionsanträge, die zur sofortigen Abstimmung empfohlen werden.
Ich lasse zuerst über den Antrag der GRÜNEN abstimmen
betreffend die Forderung nach einem Verhandlungsstopp des GATS-Abkommens und
einer Beendigung des Ausverkaufs öffentlicher Dienstleistungen sowie der
Privatisierung der Grundversorgung der Bevölkerung.
Wer dafür ist, bitte ich um ein Zeichen. - Das ist
mit Mehrheit, mit den Stimmen der Sozialdemokraten und GRÜNEN, angenommen.
Wir kommen zum zweiten Beschluss- und
Resolutionsantrag der SPÖ-GRe Mag Andreas Schieder und Mag Thomas Reindl
betreffend die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen durch GATS.
Wer dafür ist, bitte ich um ein Zeichen. - Der Antrag
ist ebenfalls, mit dem gleichen Stimmverhalten, angenommen.
Es gelangt nunmehr die
Postnummer 61 der Tagesordnung - lang ersehnt - zur Verhandlung. Sie
betrifft den Bericht der Gemeinderätlichen Untersuchungskommission bezüglich
"Praxis der Wiener Flächenwidmungen".
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte,
bevor ich den Herrn Berichterstatter bitte, einzuleiten, nur noch sagen, dass
sich der Vorsitzende der Gemeinderätlichen Untersuchungskommission, Herr
Senatspräsident Dr Derbolav, für die heutige Sitzung entschuldigen muss, da er
eine dringende Verpflichtung hat. Er hat aber beantragt, dass wir allen
Fraktionen seinen Dank aussprechen: Er dankt den Fraktionen für die gute
Zusammenarbeit.
Ich bitte den Berichterstatter, Herrn GR Deutsch, die
Verhandlungen einzuleiten. Er weiß, die Redezeit für ihn beträgt
45 Minuten.
Berichterstatter GR Christian Deutsch:
Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Untersuchungskommission des Gemeinderates
betreffend "Praxis der Wiener Flächenwidmungen" hat sich am
4. April 2002 konstituiert. Nach 17 öffentlichen Sitzungen in mehr als 62 Stunden
wurde in der Sitzung am 26. Februar 2003 mehrheitlich, mit den Stimmen von
SPÖ und ÖVP, der Antrag auf Vorlage eines Berichtes an den Gemeinderat
beschlossen.
Grundlage für die Beratung
der Kommission waren fünf Kontrollamtsberichte. Sie wissen, das Kontrollamt hat
Vorgänge im Bereich der Widmungspraxis der Stadtplanung der damaligen
MA 21B einer Prüfung unterzogen, in denen schwerwiegende Verfahrensfehler
festgestellt wurden. Es war daher die Aufgabe der Kommission, in einem
behördlichen Verfahren den maßgeblichen Sachverhalt zu erörtern, um dem
Gemeinderat Bericht erstatten zu können.
Ich möchte aber auch
festhalten, dass es nicht die Aufgabe der Kommission war, die zivil-,
disziplinar- und strafrechtliche Verantwortung einzelner Personen festzustellen,
sondern die politische Verantwortung der behaupteten Missstände.
Der heute hier vorliegende
Bericht entspricht daher auch einem Verfahrensprogramm, das sich die Kommission
selbst auferlegt hatte, nämlich:
erstens die Feststellung der
Fakten auf Grundlage der fünf Kontrollamtsberichte,
zweitens die Feststellung
des Zeitpunktes der Kenntnis beziehungsweise der Möglichkeit der Kenntnisnahme
der behaupteten Missstände durch die vorgesetzten Dienststellen und die
politischen Verantwortungsträger und
drittens die Feststellung
der gesetzten Maßnahmen nach Kenntnis der behaupteten Missstände.
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