Gemeinderat,
25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 50 von 91
1,5 Prozent im Fünfjahresschnitt, die sie erbringen
müssen, nachgedacht, und es gibt Bestrebungen, diese gesetzliche Frist von fünf
Jahren auf zehn Jahre auszudehnen. Das bedeutet nichts anderes, als dass die
Betriebspensionen damit noch geringer sind, als sie durch die Verluste ohnehin
schon sind. Im Prinzip sind all diese Betriebspensionssysteme gestorben. In
Wirklichkeit können Sie, wenn sie weiterhin eine solche Steuer- und
Einkommenspolitik wie jetzt machen, die dritte Säule der Pensionsvorsorge auch
gleich auf dem Zentralfriedhof zu Grabe tragen. Denn die Kleinverdiener werden
dadurch nicht bevorzugt, und die Mittelverdiener auch nicht, weil sie über das
ASVG heruntergesetzt werden, damit die Großverdiener mehr Pension bekommen
können.
Meine Damen und Herren! Ein wesentlicher Bereich noch
- und hier geht es ja auch um öffentliche Dienstleistungen: Die
ÖIAG-Abverkaufsorgie wird fortgesetzt, da besteht weiterhin der Trend zu den
Privaten. Über das Verschenken der Telekom um 9 EUR will ich mich nicht
äußern, das habe ich schon vor zwei Jahren getan. Aber wenn wir wissen, dass
Paradeunternehmen wie Böhler Uddeholm, VA Tech, VOEST Alpine, Postbus - habe
ich schon erwähnt -, Bergbau Holding, Telekom Austria und so weiter abverkauft
werden sollen: beim jetzigen Börseumfeld werden sich wahrscheinlich Prinzhorn
und seine Konsorten freuen, sie haben ohnehin schon die halbe Verstaatlichte
aufgekauft. Da muss man wirklich sagen: Es wird österreichisches Volksvermögen
zu Schleuderpreisen verkauft!
Dass Sie überhaupt keine Anstalten machen,
österreichischer Kernaktionär zu bleiben, sodass der Staat sagt: okay, man muss
nicht alles haben, aber ich will zumindest so viel Einfluss haben, dass ich
entscheiden kann, wo die Konzernzentrale ist, wo Forschung stattfindet, wo
Entwicklung stattfindet und dass auch die Arbeitsplätze in Österreich
garantiert sind - das verstehe ich nicht! Es fehlt auch jedes
standortpolitische Konzept in Ihrer Politik, und wo die österreichischen
Interessen sind, wird man wahrscheinlich auch nur in einigen Ihrer Abgeordneten
in der Regierungsriege finden.
Meine Damen und Herren! Der Zusammenhang zwischen dem
Regierungsprogramm und dem GATS ist meiner Meinung nach eindeutig. Es wird hier
bereits alles für eine Liberalisierung auf dem Dienstleistungsweg vorbereitet,
damit Österreich da noch weiter geöffnet wird. Ich bitte Sie: Unterstützen Sie
alle unsere Resolution, die wir eingebracht haben. Noch ist es nicht zu spät,
noch haben wir Zeit und können das eine oder andere für Wien, für Österreich
und damit für unsere Bürger sichern. - Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Danke schön. - Als nächste Rednerin ist Frau GRin
Jerusalem zum Wort gemeldet. Es ist ihre zweite Wortmeldung, sie hat noch eine
Redezeit von 4 Minuten. - Bitte.
GRin Susanne Jerusalem
(Grüner Klub im Rathaus): Meine sehr
verehrten Damen und Herren!
Frau GRin Rothauer hat gemeint, die Desinformanten
sind unterwegs. Stimmt, denn genau als eine solche hat sie sich hier
vorgestellt: als Desinformantin! Ich möchte - um das auch zu untermauern, was
ich sage - zitieren aus einem Bericht von Frau Dr Elsa Hackl, Institut für
Politikwissenschaft: In dem Dokument, in dem sich Österreich betreffend
Dienstleistungen verpflichtet hat, steht eindeutig drin, dass Österreich sowohl
den primären Schulbereich als auch den Sekundärbereich und die
Erwachsenenbildung GATS-mäßig - sage ich jetzt einmal abgekürzt - freigibt. Das
ist dieser WTO-Vertrag. Wenn es nicht so ist, dann kommen Sie bitte heraus und
sagen Sie, er gilt nicht mehr! Aber derzeit gilt noch immer dieser WTO-Vertrag.
Meines Wissens haben Sie bis jetzt nichts davon hinausverhandelt, also gilt er.
Das WTO-Abkommen ist am 1. 1. 1995 in Kraft
getreten - die Verhandlungen hat nicht die EU geführt, sondern die
Verhandlungen hat damals Österreich als Nicht-EU-Mitgliedsland geführt -, und
es weicht in einigen Punkten deutlich vom EU-Vertrag ab. So hat anlässlich der
GATS-Errichtung zwar die EU, nicht aber Österreich unter der Rubrik
"Horizontale Verpflichtungen" eintragen lassen, dass in sämtlichen
EU-Mitgliedstaaten Dienstleistungen, die auf nationaler oder örtlicher Ebene
als öffentliche Aufgaben betrachtet werden, staatlichen Monopolen oder
ausschließlichen Rechten privater Betreiber unterliegen. Das heißt - jetzt
wiederhole ich es noch einmal, damit es klar ist -, die EU hat sich das Recht
vorbehalten, den Marktzugang im öffentlichen Bereich, sprich: auch in der
Bildung, einzuschränken, Österreich hat das nicht getan!
Wenn Sie diesbezüglich mehr wissen und bereits
berichten können, dass es gelungen ist, zumindest auf den Stand der Dinge der
EU zu kommen, dann sagen Sie es mir. Aber mir zuzuhören und dann herzugehen und
zu sagen, dass ich desinformiere, und selbst vollkommen desinformierend zu
wirken, das geht nicht an!
Wenn das stimmt, von dem ich glaube, dass es Sache
ist, dann kann sich die Schule genau so entwickeln, wie ich es in meiner Rede
gesagt habe: zu einer staatlichen Restschule für Kinder aus einkommensschwachen
Familienhäusern und zu Eliteschulen für - sagen wir es abgekürzt: - Reiche.
Wenn es sich anders verhält, dann sagen Sie es jetzt und hier! - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Als Nächster
ist Herr GR Walter Strobl zum Wort gemeldet.
GR Walter Strobl (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und
Herren!
Es gibt natürlich zwei Möglichkeiten der Desinformation:
entweder macht man es politisch absichtlich, oder man weiß es nicht. Ich
enthalte mich jetzt weiterer Überlegungen und zitiere hier - weil Sie es
vielleicht wirklich nicht wissen, Frau Kollegin Jerusalem - aus der Zeitschrift
"Österreichische Gemeindezeitung" Nr. 3 aus 2003. Darin können Sie
genau nachlesen, was der Inhalt der GATS-Verhandlungen ist. Hier steht
ausdrücklich drin - ich zitiere jetzt wortwörtlich -: "Bildung: Österreich
hat sich im Rahmen der Uruguay-Runde im primären und sekundären Bildungsbereich
voll verpflichtet" - das heißt, der ist ausgenommen in Hinblick auf Ihre
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