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Gemeinderat, 25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 49 von 91

 

Energieversorgung von der öffentlichen Hand mehrheitlich abgegeben werden sollen, sodass der Staat weniger als 51 Prozent haben soll? Wir wissen aus den USA und Großbritannien, was für Folgen das haben kann: in Kalifornien gab es wochenlang keinen Strom. Der Vorteil ist, Sie brauchen dazu eine Verfassungsmehrheit, und diese werden Sie von der SPÖ im Bund sicher nicht bekommen.

 

Es ist auch interessant, dass zum Beispiel die Land- und Forstwirtschaft vor allem Energieträger werden soll, und zwar durch Biomasse. Wir wissen ja, dass das nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss ist, aber hier ist durchaus auch eine Pflege Ihrer Klientel zu sehen.

 

Wenn Sie schon für Liberalisierung sind, dann muss man sich fragen, warum die neue Regierung keine Liberalisierung des Berufszuganges und der Berufsausübung im Bereich der freien Berufe macht. Das wäre zum Beispiel ein interessanter Beschäftigungsimpulsgeber der Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten und so weiter. Warum also wird in diesem Bereich nicht liberalisiert? Warum entscheidet sich die Regierung nicht zu diesem Schritt?

 

Es fehlt auch jedwedes Bekenntnis zu einer aktiven Lehrlingsbeschäftigungspolitik. Es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, was die Regierung für die Beschäftigung und für die Lehrlinge in unserem Land machen wird. Die Eindämmung der Schattenwirtschaft erfolgt sehr zaghaft, und wenn ich höre, dass der Herr Finanzminister zwar Schwerpunktkontrollen macht, diese aber überwiegend erfolglos sind, frage ich mich: Warum gibt es nicht endlich das Gesetz, das wir auch hier im Land schon oft eingefordert haben?

 

Im Bereich des Verkehrs werden unserer Meinung nach die falschen Prioritäten gesetzt. Es wurde zwar ein Generalverkehrsplan erstellt - aber 45 Milliarden EUR an Investitionen, da wird wohl keiner hier im Haus glauben, dass das machbar ist. Wir haben einen Vorschlag gemacht, über das LKW-Road-Pricing einen zwar geringeren, aber doch erheblichen Investitionsschub zu bekommen. Da aber jetzt im Regierungsabkommen drinsteht, es soll erneut eine Überprüfung der Höhe der Sondermaut für LKW hinsichtlich nachteiliger Standorteffekte stattfinden, wissen wir schon, was das heißt: Die Maut wird sinken, die Einnahmen sollen sinken. Damit können wir aber weniger Impulse setzen.

 

Eine ganz besondere Bedrohung und voll GATS-konform ist schon die Frage beim Nahverkehr. Wörtliches Zitat: "Beim Nahverkehr wird eine Stärkung des Bestellerprinzips gefordert." Das heißt nichts anderes, als dass der öffentliche Verkehr weiter ausgedünnt wird. Was wird nämlich dort, wo weniger Leute wohnen oder wo mit erheblichem Aufwand nur öffentlicher Verkehr stattfinden soll, passieren? Es wird der Postbus eingestellt werden, oder er wird verkauft und privatisiert - ein Privater wird natürlich nur auf der Linie fahren, die ihm Geld einbringt -, oder er wird subventioniert werden.

 

Auch im Umweltbereich gibt es einen massiven Reformstau, ich erwähne hier nur Klimaschutz, Abfallpolitik, Luft-, Wasserreinhaltung und Strahlenschutz. Ich möchte jetzt nicht Temelín erwähnen, das ist sicher keine Erfolgsstory. Was natürlich auch fehlt, sind sehr viele Investitionen in die Umwelt und in die Infrastruktur. Bei 300 000 Arbeitslosen muss man sich eigentlich fragen, worauf da noch gewartet wird.

 

Was ebenfalls fehlt, ist - weil wir heute so viel vom Wasser gesprochen haben -: Wir haben in Österreich durch die Überdüngung der Äcker in einigen Bereichen massive Grundwasserprobleme. Doch hier steht kein Wort über eine Grundwassersanierung im Regierungsprogramm, oder es besteht nicht einmal die Absicht. 250 000 Österreicherinnen und Österreicher können ihr Grundwasser nicht nutzen und müssen anders versorgt werden, weil es hier keine Maßnahmen gibt.

 

Anders hingegen die Landwirtschaft, die eigentlich - das muss man sagen - recht gut aussteigt: Sie wird mehr Geld bekommen, rund 180 Millionen EUR mehr, die Umsetzung der Agrardieselpreissenkung wird erfolgen und kostet den Steuerzahler 100 Millionen EUR im Jahr, dafür wird allen anderen Autofahrern der Diesel oder überhaupt der Sprit durch Steuererhöhung verteuert. Aber das sind sicher Förderungen, die sehr gut ankommen.

 

Mit dem Budget möchte ich mich in Anbetracht der Zeit nicht mehr so genau auseinander setzen. Aber es wäre einmal interessant zu wissen, wie hoch eigentlich der Konsolidierungsbedarf der österreichischen Bundesregierung wirklich ist. Warum gibt es überhaupt einen, wenn das schwarz-blaue Reformteam während der letzten drei Jahre so erfolgreich war und alle Probleme, die es in Österreich gab, einfach wegradiert hat? Warum stehen wir jetzt wieder vor denselben Problemen, die wir vor drei Jahren hatten, nur jetzt mit dem Vorteil, dass alle Reservetöpfe ausgeräumt sind? Das heißt, dass weniger Geld da ist, dass alle Abgaben erhöht wurden - 35 Steuererhöhungen waren es, wie wir wissen -, jeder leidet unter dieser Steuerlast, aber trotzdem wird jetzt wieder konsolidiert, und natürlich einnahmenseitig: Zur Kasse gebeten werden die Kranken, die Pensionisten und die Autofahrer. Die Landwirte und andere werden sich freuen, weil sie ein bisschen mehr Geld bekommen. Wenn man hört, dass auch bei der Gebührenfinanzierung eine Erhöhung kommen soll, dann wissen wir ohnehin schon, was passiert.

 

Mit der Frühpensionen-Abschaffung - darüber haben wir heute schon gesprochen - möchte ich mich nicht näher befassen. Ein besonderes Lieblingsthema von mir - Sie wissen ja, dass ich in meinem Privatberuf Betriebsrat bin - ist die private Pensionsvorsorge. Steuerfrei kann man 1 800 EUR mit 9,5 Prozent staatlich gefördert einzahlen, nur: Wer kann sich die 1 800 EUR leisten? So, wie wir hier sitzen, wahrscheinlich wir alle - aber bei einem Durchschnittsösterreicher mit einem durchschnittlichen Einkommen frage ich mich, wenn man sich den Einkommensbericht anschaut: Wie sollen sich diese die 1 800 EUR, die berühmte dritte Säule, leisten können?

 

Ich frage mich auch, wenn ich mir die Betriebspensionskassen anschaue, welche Performance diese liefern. Jetzt wird laut über die gesetzliche Mindestrendite von

 

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