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Gemeinderat, 25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 48 von 91

 

ausländische Firmen nicht begrenzen. China darf nicht Joint Ventures mit mindestens 50 Prozent an chinesischem Anteil zur Bedingung für Bankgeschäfte von Ausländern machen. Ägypten soll das Niederlassungsrecht ausländischer Banken nicht mehr von einem eigenen ökonomischen Bedarf des Landes abhängig machen. Mexiko soll Bankgeschäfte nicht mehr auf diejenigen Gesellschaften begrenzen, in denen mexikanische Aktionäre einen bestimmenden Einfluss haben.

 

Als Freund der Liberalisierung wird man sagen: Ja, das soll nicht so sein, es soll freien Zugang zu den Märkten geben, dafür sind wir, und dafür treten wir auch ein. Was allerdings ist die Gefahr, wenn das ohne Begleitmaßnahmen passiert? Die Banken können natürlich massiv in die Ökonomie vor Ort eingreifen. Es können Ersparnisse aus dem Land abgezogen werden. Und wenn eine Krise stattfindet, was passiert? Die Banken und die Investoren sind die Ersten, die das Land verlassen!

 

Ich kann Ihnen auch ein Beispiel geben, das Beispiel eines Landes, das vor 40, 50 Jahren das siebenreichste Land der Welt war: Argentinien. Argentinien war sozusagen eine Art Feldversuch der vollkommenen Liberalisierung in allen Bereichen, auch im Bankenwesen. Wenn man sich ansieht, wie Argentinien heute dasteht, kann man eigentlich sagen: Die Menschen sind pleite, das Land ist pleite, offensichtlich ist das Experiment dort ganz, ganz stark danebengegangen. Ich will nicht die Banken verteufeln, aber ich glaube, wenn wir von Liberalisierung sprechen, müssen wir uns eben ganz genau anschauen, was wir liberalisieren, welche Auswirkungen es hat und welche Schutzmaßnahmen wir stellen können.

 

Zum Kontrollausschuss möchte ich auch noch eine kleine Anmerkung machen. Frau Kollegin, ein gutes Beispiel dafür, wie Liberalisierung nicht funktioniert, war zum Beispiel der Bericht über die Ampelanlagen. Dort haben wir ein oligopoles Monopol, und auch Ausschreibungen helfen uns nicht, weil dieselben Anbieter, die in Österreich anbieten, auch in Deutschland und mit Töchtern auf der ganzen Welt anbieten. Daher wird sozusagen durch Liberalisierung - und das müssen wir klar sehen - der Markt teilweise auch vollkommen beseitigt: Große teilen es sich auf, und das war es.

 

Eine sehr interessante Frage der Liberalisierung hängt natürlich mit der Privatisierung zusammen. Liberalisierung hat ja immer auch den Inhalt der Privatisierung. Ich habe hier eine Umfrage der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft, die wir im Dezember letzten Jahres durchgeführt haben. 1 000 Wiener sind befragt worden, das ist also ein sehr gute Sample.

 

Wenn Sie die Wiener fragen: können Sie sich vorstellen, dass bestimmte städtische, kommunale Einrichtungen privatisiert werden?, kann ich Ihnen sagen: Die Wiener lehnen Privatisierungen mit großer Mehrheit ab. So entfallen etwa auf die Spitäler, aufs Wasserwerk oder auch auf die Verkehrsbetriebe 80 bis 85 Prozent an Ablehnung - die Wiener wollen nicht, dass das privatisiert wird. Auch die Klientel der ÖVP und der FPÖ steht Privatisierungen zum Beispiel in diesem Bereich durchaus sehr negativ gegenüber. So sind zum Beispiel 69 Prozent der deklarierten ÖVP-Wähler gegen die Privatisierung der Verkehrsbetriebe. Die FPÖ ist da schon eher auf dem Privatisierungs-Trip, hat aber mit 52 Prozent der deklarierten Wähler noch immer eine große Gegnerschaft. Bei der Müllabfuhr zum Beispiel wissen wir ja, dass Privatisierung nicht so gut funktioniert hat - sehr zum Leidwesen der Geldtasche des Budgets unseres Herrn Finanzstadtrats -, und das wird zu 75 Prozent abgelehnt, genauso bei Straßenreinigung, Abwasserbeseitigung und so weiter.

 

Wenn man nachfragt: wenn jetzt Private bestimmte Geschäfte machen, also bestimmte kommunale Dienstleistungen durchführen, was erwarten die Wiener, wird es billiger werden, oder wird es teurer werden?, können wir sagen: Mindestens drei Viertel der Wiener gehen davon aus, dass, wenn kommunale Einrichtungen privatisiert werden, die Preise höher werden und die Mieten teurer werden. Das ist schon ganz besonders bedenklich, der Ruf der Privatisierung dürfte offensichtlich doch nicht so gut sein.

 

Auch bei den Leistungen, die erbracht werden, wird im Generellen erwartet, dass es zu Verschlechterungen kommt: bei den Spitälern, Verkehrsbetrieben, Müllabfuhr, Straßenreinigung, Abwasserbeseitigung, Wasserwerken. Ich möchte jetzt nicht alles im Detail ausführen, aber es erwartet doch ein beträchtlicher Anteil von nahezu 40 Prozent aller Wienerinnen und Wiener, dass die Leistungen, wenn sie von Privaten durchgeführt werden, sich verschlechtern.

 

Auf die Frage "Wann kann denn ein privatisierter Betrieb finanziell erfolgreicher sein als ein kommunaler Betrieb?" ergeben sich im Prinzip zwei wesentliche Punkte: Leute rausschmeißen und nicht mehr investieren. Das sind jene zwei Punkte, auf die es uns in Wien ankommt - ich kann Ihnen gerne die Studie geben, es ist leider so.

 

Wenn wir dann fragen, ob es in Österreich sinnvoll ist, aus volkswirtschaftlichen Gründen eine verstaatlichte Industrie oder eine Industrie unter staatlichem Einfluss zu haben, so sind 55 Prozent der Wienerinnen und Wiener der Meinung: Eine staatliche Industrie oder auch kommunale Einrichtungen sind sehr sinnvoll und sollen so bleiben.

 

Wenn man nun diese Umfrage vergleicht mit dem, was wir heute auch von der Opposition hier im Haus gehört haben - zum Beispiel betreffend das Bekenntnis des Bundes zur Daseinsvorsorge haben wir heute schon gehört, dass sich der Bund dazu bekennt -, wenn wir uns auch anhören, dass ohnehin alles halb so schlimm ist, und jetzt diese Umfrage in Relation setzen zu dem, was im neuen Regierungsprogramm steht - meine Damen und Herren, ich glaube, die Wienerinnen und Wiener, die Österreicherinnen und die Österreicher können sich da warm anziehen: Offensichtlich arbeitet die Regierung schon voll an der Umsetzung des GATS-Abkommens, obwohl dieses noch nicht einmal abgeschlossen ist! Wie wäre es sonst erklärbar, dass etwa die Unternehmen der

 

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