Gemeinderat,
25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 91
ernsthafte Sorgen über die Kinderstube machen kann, aber
nicht vom Herrn Abg Margulies, sondern vom Herrn Abg Tschirf, wenn er
Derartiges hier in den Raum stellt. Stalin, ein Despot und Mörder, und sein
Gedankengut, das unterstellen Sie dem Herrn Abg Margulies! (GR Walter Strobl: In Bezug auf den Zwischenruf!) Ich bin ernsthaft
dafür, dass Sie sich entschuldigen, weil wenn einer, der dann so angesprochen
wird, sagt: "Der hat einen Klopfer!", dann ist das eine sehr milde
Ausdrucksweise (GR Walter Strobl: Das ist
intolerant und niveaulos!) und Reaktion und beweist im Grunde genommen die
sehr gute Kinderstube des Herrn Abg Margulies! (GR Johannes Prochaska: Margulies und Kinderstube schließen einander
aus! So einfach ist das!)
Das Zweite, was ich Ihnen gerne sagen möchte, ist etwas,
was ich wirklich zutiefst bedaure. Deswegen sage ich das jetzt auch, weil ich
will, dass das im Protokoll steht. Dass es im Jahr 2003 einen Abgeordneten
in diesem Haus gibt, der tatsächlich nicht zwischen Marxismus und Stalinismus
unterscheiden kann, ist wohl eine Bildungslücke, die ich an Ihrer Stelle nicht
allzu oft in die breite Öffentlichkeit tragen würde! (Beifall bei den GRÜNEN. - GR Johannes Prochaska: Das ist der alte
Schmäh! - GR Günter Kenesei zur ÖVP: Ihr traut euch nicht einmal bei der Ampel
links abzubiegen!)
Jetzt zu dem, was ich zu GATS gern sagen möchte.
Zunächst einmal möchte ich noch kurz auf die Rede des Herrn StRs Rieder
eingehen, nach der ich geklatscht habe, weil ich sie sehr gut gefunden habe und
weil sie in weiten Zügen dem entsprochen hat, was zu diesem Thema zu sagen ist.
Er hat auf eine Sache verwiesen, die auch mir sehr wichtig ist. Es finden
nämlich bezüglich GATS - wohl weil die Sache brisant ist - Geheimverhandlungen
statt, am Parlament vorbei, ohne parlamentarische Kontrolle und ohne die
Bevölkerung über die Tragweite dieser Verhandlungen zu informieren. Der Herr
Stadtrat hat gesagt, man stößt auf eine Nebelwand der Desinformation. Ja, genau
so ist es. Dieses Mienenfeld von dem er spricht, wo dauernd neue Informationen auftauchen,
gibt es tatsächlich.
Meiner Meinung nach haben Sie, meine Damen und Herren
von ÖVP und FPÖ, diese Nagelprobe für das Demokratieverständnis nicht
bestanden. Wenn Sie die Bevölkerung einmal fragen wird: "Wieso haben sie
keinen öffentlichen Dialog dazu geführt und warum wurden wir nicht
informiert?", dann werden Sie darauf keine Antwort geben können. Aber
diese Frage kommt auf sie zu, und zwar dann, wenn die Ergebnisse von GATS von
den Leuten gespürt, bemerkt beobachtet und kritisiert werden, nicht jetzt,
sondern dann, wenn es zu spät ist und dieser Vorwurf mehr als berechtigt ist.
Tatsächlich ist es so, dass Österreich an das
WTO-Abkommen von 1995 gebunden ist. Da müssen sich natürlich auch die
Sozialdemokraten die Frage stellen, was sie sich damals dabei gedacht haben,
als sie dieses Abkommen unterzeichnet haben. Es freut mich sehr, dass Sie einen
Meinungswandel durchlaufen sind, aber 1995 haben Sie das zunächst einmal
unterschrieben, und zwar mit einer viel weiter gehenden Katastrophe als sie jetzt
auf dem Tisch liegt, denn Sie wissen ganz genau, das dieses WTO-Abkommen im
Gegensatz zu den jetzigen GATS-Verhandlungen der EU keinen Erfüllungsvorbehalt
von Seiten Österreichs, zum Beispiel Bildung, vorsieht. Sie haben die Bildung
damals vollkommen freigegeben, einfach auf den Markt geworfen, und zwar nicht
nur die Erwachsenenbildung oder die Universitäten, was auch genug wäre, nein,
Sie haben das für den gesamten Pflichtschulbereich gemacht. Das werden Sie
vielleicht nicht gerne hören, aber ich frage trotzdem, vielleicht gibt
irgendein Abgeordneter der Sozialdemokraten eine Antwort darauf: Was um Himmels
Willen ist Ihnen denn eingefallen, damals dieses Abkommen ohne jeglichen
Erfüllungsvorbehalt zu unterzeichnen? Ich kann das nicht nachvollziehen und
wüsste gerne, was Sie sich dabei gedacht haben.
Ich möchte gerne ein paar konkrete Worte und Bilder
dazu auffinden, was das heißen würde, wenn es nicht gelingt, die Bildung wieder
herauszuverhandeln. Der Herr StR Rieder hat darauf hingewiesen, dass es ein
starkes Stück Arbeit sein wird, das wieder herauszuverhandeln. Ich persönlich
halte es nicht für möglich, das herauszuverhandeln, aber wir werden es ja
sehen.
Unsere Wiener Schulwelt: In dieser Wiener Schulwelt wird
kein Stein auf den anderen bleiben, sollte die Schule tatsächlich zur Ware
werden, sollte Bildung zur Ware werden und GATS in dieses Wiener Schulwesen
Einzug halten. Denn das hieße im Grunde genommen nichts anderes, als dass große
Bildungskonzerne - in Amerika, Australien oder Neuseeland gibt es sie und es
werden sicher nicht die einzigen sein - hier kommen könnten. Dann bliebe nichts
anderes übrig als zum Beispiel - wir haben es heute schon kurz einmal gehört -
Bildungsschecks zu vergeben, quasi an jedes Kind persönliche Bildungsschecks zu
verteilen. Dieser Konzern kann in der Folge mit diesen Bildungsschecks auch
Schule machen. Wenn Sie das in der Konsequenz ein kleines bisschen
weiterdenken, dann haben wir im Endeffekt eine staatliche Restschule, die nur
mit diesen Bildungsschecks Schule anbieten kann, und auf der anderen Seite
Privatschulen von Konzernen, die denselben Bildungsscheck in derselben Höhe
erhalten, dazu Schulgeld verlangen und mit Bildungsscheck plus Schulgeld
wesentlich bessere Schulen anbieten werden können, weil sie mehr Geld zur
Verfügung haben werden. Wir haben dann eine staatliche Restschule für
einkommensschwache Eltern, wo die Kinder einkommensschwacher Eltern hingehen.
Der Auftrag dieser Schulen wird im Endeffekt darauf hinauslaufen, unter
Anführungszeichen Billiglohnarbeiter zu produzieren. Auf der anderen Seite
werden wir Eliteschulen für jene Eltern haben, die sich neben dem
Bildungsscheck viel zusätzliches Schulgeld leisten können. Dort wird die
Geldelite ihre Kinder haben. Die Großzügigkeit wird dann darin bestehen, dass
man sagt, dann vergibt man halt Stipendien und so weiter und sofort. Das würde
aber nichts nützen. Das Schulsystem wird auseinander gehen. Die Schere zwischen
Arm und Reich wird weiter gehen. Gute Bildung wird nur noch leistbar und
bezahlbar von Menschen, die sehr viel Geld
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