«  1  »

 

Gemeinderat, 25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 42 von 91

 

berührt daher auch die Arbeiterstädte mit vielen sensiblen Bereichen.

 

Einer dieser sensiblen Bereiche ist die Daseinsvorsorge. Es ist ein Begriff, der aus dem bundesdeutschen Sprachraum kommt und daher auch etwas hölzern klingt, aber man versteht unter Daseinsvorsorge alle Leistungen, welche die Grundversorgung mit Lebensnotwendigkeiten organisieren. Da geht es um Wasserversorgung, Müllversorgung und, Abwasser. Die Daseinsvorsorge ist quasi der Kern jedes Wohlfahrtsstaats und jedes wohlfahrtsstaatlichen Modell. Die Europäische Kommission hat selbst einmal die Daseinsvorsorge - das ist vielleicht recht brauchbar - als die Tätigkeit, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Behörden mit einer spezifischen Gemeinwohlverpflichtung verknüpft wird, definiert. Hierzu zählt eine breite Palette von Bereichen: das Wasser, das Abwasser, der Müll, der öffentliche Personennahverkehr, der billige Zugang zu Freizeiteinrichtungen, die Bildung, das Bildungssystem und -einrichtungen, die Kultur, die Gesundheitsversorgung und viele andere Bereiche des alltäglichen Lebens. Man könnte es auch mit "Lebensqualität" umschreiben. Wenn wir gerade vor ein paar Tagen lesen konnten, dass Wien die Silbermedaille bezüglich Lebensqualität weltweit erlangt hat, also unter 215 Städten die Stadt mit der zweithöchsten Lebensqualität auf der Welt ist, dann ist dieses Faktum auch sehr eng damit verbunden, dass Wien eine tiefe Tradition und eine hohe Qualität an solchen Leistungserbringungen im Bereich der Daseinsvorsorge hat. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Jetzt geht es um die Frage der Informationspolitik. Das Bundesministerium behauptet, das nimmt solche Dienstleistungen von der Liberalisierungsverpflichtung aus. Wenn man sich das genau anschaut, ist der Artikel 1 Abs. 3b vom GATS-Abkommen ein sehr enger Begriff. Darin steht: "Von der Liberalisierung ausgenommen sind die Dienstleistungen in Ausübung hoheitlicher Gewalt." Das ist klar bei der Landesverteidigung, bei allem anderen aber nicht klar. Das ist zumindest - um es vorsichtig zu formulieren - eine problematische Formulierung, die ein großes Maß an Rechtsunsicherheit mit sich bringt. Daher ist auch eine genaue Definition in diesem Bereich notwendig, weil es nichts Schlimmeres gibt, als ein internationales Abkommen, das bis auf die Städte durchgreifen kann, zu unterzeichnen, wo der Rechtsunsicherheit Tür und Tor geöffnet sind und das nicht vorher abgeklärt wird.

 

Eine weitere wichtige Frage ist, wie öffentliche Aufträge vor weiteren Marktöffnungszugeständnissen auch in der EU organisiert werden. Hier gilt die Forderung hinzuzufügen, dass wichtige Forderungen der internationalen Arbeitsorganisation, der ILO-Konvention, verankert werden sollen, sowohl im EU-Vergaberecht als auch im GATS-Bereich. Da geht es vor allem um die Punkte 94, Konvention, 95, Lohnschutz und 98, Vertragsfreiheit und Kollektivvertragsrecht. Das sind wichtige internationale Vereinbarungen, die im österreichischen Rechtsgebäude und politischen Leben zwar Selbstverständlichkeit erlangen, aber weder in der Union, noch auf Weltebene in dieser Selbstverständlichkeit vorhanden sind. Daher sollten sowohl ein EU-Vergaberecht als auch GATS darauf eingehen. Es ist letztendlich dem europaweiten Druck von Nichtregierungsorganisationen, Zivilgesellschaften, Gewerkschaften, verschiedensten politischen Gruppierungen, und auch dem Widerstand einiger Mitgliedsstaaten, im Besonderen Frankreich, Belgien und Deutschland, zu verdanken, dass es möglich geworden ist, dass die Europäische Kommission, die in ihrem Ansinnen möglichst viel zu Liberalisierung anmeldet, endlich etwas eingebremst werden konnte.

 

Bei den Mitgliedsstaaten Frankreich, Belgien und Deutschland fällt mir, weil von den Bundesregierungsvertretern quasi immer formuliert wird, dass die Bundesregierung jetzt so aktiv ist, auf, dass Österreich in all diesen Berichten als aktiver Motor zur Gestaltung dieses Prozesses nie aufscheint. Wir sind letztendlich Trittbrettfahrer von Frankreich, Belgien und Deutschland und ihren Bundesregierungen. Das ist auch eine Schande!

 

Es ist durch die Zivilgesellschaft, durch den massiven Druck, der entfacht werden konnte, gelungen, dass die Wasserversorgung wie auch die individuellen Dienstleistungen zumindest von der EU einmal nicht als Angebot formuliert worden sind. Wichtig ist aber viel mehr, auch darauf zu schauen, dass im Zuge der Verhandlungen das nicht im Rahmen von Abtäuschen, wie sie bei solchen Verhandlungen üblich sind, wieder passiert. Es bleiben auch viele andere Bereich mit Unklarheiten und Problemen weiterhin offen. Ich nenne nur die vielen Energiedienstleistungen, die Post und die Verkehrsdienstleistungen.

 

Ich glaube, dass man den Verhandlungsstand zum Thema "GATS" folgendermaßen zusammenfassen kann:

 

Das Niveau der Angebote der öffentlichen Dienstleistungen ist wegen dem erfolgreichen öffentlichen Druck geringer ausgefallen. Ich möchte den Komparativ betonen. Es ist geringer als es noch vor einem halben Jahr ausgesehen hat. Aber geringer heißt nicht gering, verachtenswert oder nicht mehr beachtenswert, sondern es ist gelungen, das Ganze eine kleine Nuance zu verringern. Aber es gilt weiterhin, hier besonders wachsam zu sein.

 

Zweitens versucht die Europäische Kommission über GATS die Liberalisierung, zum Beispiel im Schienenbereich, massiv voranzutreiben, die sie gerne innerhalb der Europäischen Union selbst organisiert hätte. Mit der Brücke GATS, so denke ich, kann man durchaus auch die Situation analysieren, die Wünsche zur Expansion einiger europäischer Großkonzerne zu fördern und deren Interessen Tür und Tor zu öffnen. Das ist auch nicht im Sinne der Städte.

 

Das Weitere ergibt eine politische Dimension beim GATS-Abkommen, das ist die Informationspolitik. Dazu möchte ich noch einmal sagen, seit Februar 2000 laufen die GATS-Verhandlungen. Bis vor kurzem gab es vom zuständigen Bundesministerium nahezu überhaupt keine Informationen. Ich habe mir jetzt noch einmal die GATS-Information auf der Homepage des Bundesministeriums durchgelesen. Das wird nach wie vor in

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular