Gemeinderat,
25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 41 von 91
Wir kommen nun zur Wortmeldung des Kollegen Schieder. Ich
erteile ihm das Wort.
GR Mag Andreas Schieder
(Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Frau Vorsitzende!
Meine Damen und Herren!
Erlauben Sie mir, dass ich von der
ideologiegeschichtlichen Tieffliegerei wieder zum Thema "GATS"
zurückkehre, das Gegenstand der Mitteilung und damit auch der Debatte über
diese Mitteilung ist.
Ich darf vielleicht mit dem vorherigen Debattenredner
anfangen, mit dem Kollegen Schock, der hier sehr weise Vorschläge erteilt, was
Wien mit seinen Umwelttechnologien nicht alles tun sollte und zum Beispiel
Kroatien als ein Land genannt hat, wo man viel tun kann. Ich sage Ihnen, Sie
sind da der Vergangenheit nachgehüpft, denn es wurde da im letzten Jahr sehr
viel ausgearbeitet und es stehen nächste Woche am Mittwoch Verträge zur
Unterzeichnung an, wo die Stadt Wien mit ihren Umwelttechnologien Pula eine
Neuordnung des Entsorgungswesens, des Abwasserwesens und der Kläranlage
gemeinsam mit dem Pulanesen organisiert. Ein ähnliches Projekt läuft schon seit
vorigem Jahr erfolgreich im Raum Porec. Diese beiden Orte liegen zum Beispiel
auch in Kroatien. Da sieht man wieder, wir tun schon längst das, was sinnvoll
ist, mit Abschluss, bevor es uns jemand vorschlägt. (GR DDr Eduard Schock: Aber in Zagreb sind wir nicht dazugekommen!)
Der zweite Punkt, was ich Ihnen noch sagen wollte,
Herr Kollege Schock, ist, dass ich es nicht ganz okay finde, wenn sich vier
Gemeinderatsparteien zusammenfinden, ein Redaktionskomitee bilden, um eine Europadeklaration
auszuarbeiten und immer wieder Text- und Papiervorschläge unterbreitet werden,
wie man bei den einzelnen Punkten zu einem möglichen Konsens kommen kann, dass
Sie heraus gehen, wo Sie nicht einmal Teil dieses Redaktionskomitees sind, Teile
vorlesen und noch dazu Unterstellungen machen, das es mit irgendwelchen
Positionen nicht kompatibel wäre. Ganz das Gegenteil ist der Fall. Aber das mag
vielleicht auch daran liegen, dass wir vereinbart haben, in einer Stunde wieder
ein Redaktionskomiteetreffen zu machen und Sie hier anscheinend vorauspreschen
wollten.
Jetzt lassen Sie mich zu GATS kommen und festlegen,
dass mit Abschluss der Uruguayrunde des Freihandelswesens 1994 auch festgelegt
worden ist, dass es im Februar 2000 zu den Neuverhandlungen von GATS im
Rahmen der Welthandelsorganisation kommt. Das bitte ich insofern zu bedenken,
dass Februar 2000 dann auch bei allen Fragen von Transparenz,
Öffentlichkeit und Information gilt. Es geht nämlich auch um die Punkte, dass
ab dem Zeitpunkt, nämlich ab Februar 2000, die Information zu geben ist
und nicht erst ab März 2003.
Die GATS-Verhandlungen sind am Anfang von der
Öffentlichkeit nicht sehr stark behandelt und vom zuständigen Bundesministerium
für Wirtschaft im Stillen betrieben worden. Mit der Zeit ist das öffentliche
Interesse gestiegen und sind immer mehr Fragen betreffend GATS gestellt worden.
Die Informationen, der Informationsfluss und die Antworten auf die Fragen sind
jedoch aus dem Ministerium ausgeblieben. Es ist daher, glaube ich, sehr
begrüßenswert, dass die Gemeinde Wien in den Fragen von GATS aktiv ist. Es gab
am 8. November das Hearing der Geschäftsgruppe Finanzen und Wirtschaft und
es gibt auch die heutige Mitteilung im Gemeinderat. Diese Mitteilung gibt uns
auch die Möglichkeit, über den aktuellen Stand der GATS-Verhandlungen zu
diskutieren und möglicherweise auftretende Problemlagen zu erörtern, die sich
vor allem in sozial- und beschäftigungspolitischer, aber auch bezüglich den so
genannten Leistungen der Daseinsvorsorge stellen.
Mit den geplanten GATS-Liberalisierungen verknüpfen
die Welthandelsorganisation, die WTO, aber auch das Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit angebliche Erwartungen beim Wachstum und bei der
Beschäftigung. Sie haben es heute auch gesagt, dass Wachstum und Beschäftigung
ein nahezu naturgegebenes Resultat aus der Liberalisierung sind. Ich kann nur
sagen, die behaupteten positiven Effekte bezüglich Wachstum und Beschäftigung
lassen sich in dieser Eindeutigkeit und Einfachheit für die Industrienationen im
Westen und auch die Entwicklungsländern in dieser einfachen, eindeutigen Art
nicht bestätigen. Die meisten empirischen Untersuchungen, die es dazu gibt -
ich habe mir einige dazu angeschaut - gehen meistens auf preisliche Effekte
ein, dass Preise sinken, aber alle Fragen bleiben unterbeleuchtet. Daher wäre
es wichtig, dass es eine verstärkte empirische Forschung nach den Auswirkungen
auf Beschäftigung, auf die Qualität der Dienstleistungen und die Bereitstellung
der Dienstleistungen, auf die Umwelt und auch die Situation der
Entwicklungsländer gibt. Die Forderung nach einer genaueren und besseren
Untersuchung solcher behaupteten Effekte und einer öffentlichen Diskussion wäre
notwendig vor einem einseitigen Weiterdrehen der Liberalisierungsspirale. In diesem
Sinne ist auch die heutige Diskussion und auch ein später noch von uns
eingebrachter Antrag zu sehen.
Ein wesentlicher Motor dieser weltweiten Verbreitung der
Liberalisierung ist das Meistbegünstigtenprinzip, was eines der Kernelemente des
GATS-Agreements ist. Das verlangt, dass Handelsbegünstigungen, die einem Land
gegeben werden, automatisch dadurch, dass sie einem Land gegeben werden, allen
WTO-Mitgliedern, also nahezu der gesamten Welt, gewährt werden müssen und sich
damit natürlich die Liberalisierung hinaufdreht. Mit GATS wurde eine
multinationale Verhandlungsinstanz geschaffen, die durch international
verbindliche Disziplinen, wie die das formulieren, für die staatlichen
Gesetzgebungen und für die Regulierungen sämtlicher Dienstleistungserbringungen
und Dienstleistungsmärkte solche Disziplinen schafft. Es erstreckt sich auf
Gesetze, auf Verordnungen, auf Verwaltungsrichtlinien, auf Normen und auf
Standards, sowohl auf nationaler Ebene, aber auch auf Ebene der Regionen und
auch auf Ebene der Kommunen und Städte. Dadurch ist es besonders wichtig, dass
sich auch eine Gebietskörperschaft wie Wien mit diesen Fragen auseinander
setzt. Denn GATS greift nicht nur in die Mitgliedsstaatenebene ein, sondern es
greift direkt auf die Städte und auf Wien durch und
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