Gemeinderat,
25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 33 von 91
ist die größte Belastungslawine, die es innerhalb der
letzten 20 Jahre gegeben hat!
Da komme ich jetzt wieder auf Bgm Häupl zurück, weil
er gesagt hat, er bedauert es, dass keine grünen Minister da sind. Ja es war
nicht anders möglich! Die ÖVP hat allen Parteien ein und dasselbe Programm
vorgelegt und hat allen Parteien gesagt, ihr dürft bestenfalls ein bissel
umeinanderpitzeln, und die einzigen, die sich bereit gefunden haben - und dass
sie die Belastungslawine mittragen werden, das hat man ja schon vorher gewusst
-, das waren die Freiheitlichen!
Es war für die GRÜNEN nicht möglich, zuzustimmen,
dass man gegen GATS eigentlich nichts unternimmt, denn die GATS-Verhandlungen -
und das sage ich Ihnen ganz deutlich - sind der größte Raubzug gegen
öffentliches Eigentum! Die GATS-Verhandlungen, so wie sie gegenwärtig laufen,
sind der größte Angriff auf die Rechte der öffentlichen Beschäftigten, und
deshalb gilt es, diese GATS-Verhandlungen zu stoppen und deshalb freut es mich,
dass die Stadt Wien in dieser Frage eindeutig Position beziehen wird.
Ich komme jetzt zum Ende, weil ich mir aus
verschiedensten Gründen zumindest drei, vier Minuten offen halten möchte, um
möglicher Weise noch zu replizieren, und bringe daher zunächst einmal unseren
Antrag ein, einen Antrag, der sich auch als Fortsetzung unseres Antrags vom
24. Juni versteht, in dem der Gemeinderat der Stadt Wien weitere
Liberalisierungen öffentlicher Dienstleistungen, wie sie gegenwärtig im Rahmen
der GATS-Verhandlungen von vielen WTO-Ländern eingefordert werden, ablehnt. Wir
fordern stattdessen bis zur Überprüfung und Evaluierung bisheriger
Liberalisierungs- und Privatisierungsschritte einen sofortigen
Verhandlungsstopp. Das deckt sich im Großen und Ganzen, glaube ich, auch mit
der Position der sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen.
Genauso wie Kollege Rieder fordern wir die
Bundesregierung auf sicherzustellen, dass Länder und Gemeinden in der
innerösterreichischen Positionsfindung in globale Wirtschafts- und
Handelsabkommen miteingebunden werden. Des weiteren stellt der Gemeinderat
fest, dass es einen Ausverkauf öffentlicher und kommunaler Dienstleistungen zu
verhindern gilt, da sich die öffentliche Daseinsvorsorge in erster Linie an
solidarischen, ökologischen und volkswirtschaftlichen Kriterien zu orientieren
hat und der politische Gestaltungsspielraum erhalten werden muss. (Beifall bei den GRÜNEN)
Vielleicht noch einen Punkt zur Geheimhaltung, weil
mir der noch sehr wichtig ist. Es stimmt schon, es war sehr schwer, die exakte
Angebots- und Forderungsliste zu erhalten. Jetzt gibt es sie und es gibt sie
unter anderem deshalb, weil in Kanada trotz strengster Geheimhaltung immer
wieder die unterschiedlichsten Papiere veröffentlicht werden, die sich seitens
der EU und anderer WTO-Mitglieder auf die GATS-Verhandlungen beziehen. Es ist
kein Wunder, dass es sich dabei um Kanada und nicht um ein Land innerhalb der
EU handelt, weil Kanada in der Öffentlichkeit bezüglich GATS eine
Vorreiterrolle hat. Die EU ist in der Summe der Länder diejenige Organisation,
die die meisten Liberalisierungsforderungen aufgestellt hat. Die EU ist schon
jetzt weltweit der größte Dienstleister und stellt die meisten Forderungen,
unter anderem bei Wasser, aber auch noch in vielen anderen Bereichen.
Mit ein paar Beispielen will ich illustrieren, worum
es da geht. Wie StR Rieder schon gesagt hat, gibt es einen gewissen
Umkehrschluss: Die EU kann nicht unbeschränkt fordern und nichts zugestehen. So
soll zum Beispiel von Kamerun verlangt werden, dass endlich die Hürde fällt,
dass pro 10 000 investierte Dollars zumindest ein Arbeitsplatz
geschaffen wird. So soll in Malaysia die Hürde beseitigt werden, die den Handel
mit der Landeswährung einschränkt. So sollen in Mexiko und Chile die Gesetze
beseitigt werden, die davor schützen, dass die Küsten in diesen beiden Ländern
mit Hotels voll gepflastert werden.
Ja in diese Richtung geht alles, was die EU als
Handelshemmnis sieht. Und wenn man sich überlegt, welche weltweiten
Konsequenzen das hat, dann kann man sich jetzt schon ausmalen: Kommt GATS, dann
wird die Zweiteilung der Welt noch erheblich stärker fortschreiten als es jetzt
schon der Fall ist. Und auch innerhalb der Europäischen Union und auch in
Österreich wird es die öffentliche Versorgung nicht mehr in dem Maße geben, wie
es sie jetzt noch gibt. Es wird dann für Menschen, denen finanzielle Mittel
nicht ausreichend zur Verfügung stehen, sehr schwierig werden, sich Bildung zu
leisten, sich Gesundheit zu leisten, sich öffentlichen Verkehr zu leisten, et
cetera.
Ein letzter Punkt, weil die Angebotsliste ja auch durchgesickert
ist: Die EU macht an viele Länder dieser Welt ein sehr, sehr interessantes
Angebot im Bereich der sogenannten Arbeitskräftezuwanderung. Da soll das
Angebot gemacht werden, dass ausländische Investoren, die in Österreich eine
Firma gründen, Arbeitskräfte zur Ausbildung für ein halbes Jahr nach Österreich
entsenden können. Das hört sich auf den ersten Augenblick zunächst nicht einmal
so schlecht an, nur was steckt unter den Regelungen vom GATS dahinter? Das ist
die Aushöhlung des österreichischen Arbeitsrechts, das ist die Aushöhlung der
österreichischen Sozialversicherung, das ist Lohndumping, was dahintersteckt,
und das ist der Verlust sämtlicher sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche,
der dahintersteckt! Und auf wessen Kosten wird das gehen? Natürlich auf Kosten
aller in Österreich beschäftigten Menschen oder aller Menschen in Österreich,
die gerne hier beschäftigt wären und keine Arbeit finden. Wenn wir uns dann
auch noch mit Lohn- und Sozialdumping auseinandersetzen müssen, weil zwar in dieser
Art und Weise geregelt wird, dass Menschen in Österreich arbeiten können - die
man übrigens nachher auch gleich wieder heimschickt wenn man sie nicht mehr
braucht - ohne sich tatsächlich zu überlegen, wie man sicherstellen kann, dass
das österreichische Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht jedenfalls
Anwendung findet, dann leistet man der Schwarzarbeit Vorschub und dann leistet
man leider - und ich sage das ganz bewusst - auch der
AusländerInnenfeindlichkeit Vorschub.
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