Gemeinderat,
25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 91
wieder findet, international nicht wird durchsetzen lassen.
Für eine solche Einbindung ist ein eigener verbindlicher
Kommunikationsmechanismus einzurichten, der verhindert, dass die betroffenen
Gebietskörperschaften von der Meinungsbildung im Entscheidungsprozess auf EU-
und WTO-Ebene abgeschnitten werden.
Das ist kein frommer Wunsch. Diese Forderung kann
sich nämlich auf Art 23d der Bundesverfassung stützen. Darnach haben die
Länder, Städte und Gemeinden zu Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union ein
verfassungsgesetzlich gewährleistetes Begutachtungsrecht.
2. Nach dieser Bestimmung Art 23d Abs 2 ist
der Bund in Angelegenheiten, die nach unserer Gesetzeskompetenz Landessache
sind, bei seinen Verhandlungen und Abstimmungen in der Europäischen Union an
eine einheitliche Stellungnahme der Länder gebunden. Das heißt, die Länder
haben es in der Hand, durch eine gemeinsame Stellungnahme den Bund in diesen
Fragen zu binden, nachdem das zum Thema der Europäischen Union gemacht worden
ist. Also der Bund kann da nicht sagen, das ist der Wunsch der Länder.
Daher ist mein Vorschlag, diese Chance der
Bundesverfassung auch tatsächlich, wie das immer so heißt, mit Leben zu
erfüllen, also konkret wahr zu nehmen und darauf zu drängen, dass es zu einer
einheitlichen Stellungnahme aller Bundesländer in Fragen von GATS kommt.
3. Auch auf Grund dieser Bestimmung der
Bundesverfassung, Art 23d Abs 3, haben die Bundesländer das Recht, an
die Bundesregierung mit dem Verlangen heran zu treten, die Mitwirkung an der
Willensbildung im Europäischen Rat einem von den Ländern namhaft gemachten Vertreter
zu übertragen. Das heißt, die Länder haben die Möglichkeit, im zentralen
politischen Entscheidungsfindungsgremium des Europäischen Rates direkt
mitzuwirken und können von der Bundesregierung verlangen, dass sie einen
Vertreter namhaft machen, der hier diese Interessen der Bundesländer wahrnimmt.
Auch da ist meine Empfehlung, dass wir diese Chance nützen, uns also nicht nur
in larmoyante Äußerungen ergehen und einen Zustand beklagen, sondern dass wir
hier operativ an die Bundesregierung herantreten und die Wahrnehmung dieser
verfassungsrechtlichen Bestimmungen offensiv einfordern.
Ich möchte zum Schluss auch eine Bemerkung machen,
die sich mir nach allgemeiner Einschätzung aufdrängt. Also die Regierungen
anderer Mitgliedstaaten beweisen uns immer wieder, dass die Mitgliedschaft in
der Europäischen Union nicht automatisch bedeutet, dass man auf jedes nationale
Vorwärtsdenken zu Gunsten der eigenen Wirtschaft und zu Gunsten des eigenen
Arbeitsmarkts verzichten muss, quasi das einem übergeordneten Interesse des
öffentlichen großen gemeinsamen Wirtschaftsraumes opfern muss. Umso mehr bin
ich der Meinung, dass man von der österreichischen Bundesregierung verlangen
kann, dass sie sich nicht mit den Lippenbekenntnissen im Regierungsprogramm
begnügt, sondern in den weiteren Phasen, den wirklich zentral entscheidenden
Phase der GATS-Verhandlungen das Anliegen der Daseinsvorsorge tatsächlich zur
eigenen Sache macht und tatsächlich für die Interessen der Österreicherinnen
und Österreicher in dieser Frage kämpft, also dass sie nicht nur fromme Worte
sagt und nicht nur Liberalisierungsklassenbester in der Europäischen Union sein
will. Wenn schon Klassenbester, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann bei
den österreichischen Wirtschaftsdaten - beim Wirtschaftswachstum, bei der
Beschäftigungssituation und in der Frage der Versorgungssicherheit der
Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der SPÖ und den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Günther
Reiter: Danke, Herr Vizebürgermeister, für den Bericht.
Die Geschäftsordnung, meine sehr geehrten Damen und Herren, bestimmt,
dass bei der nun folgenden Besprechung kein Redner öfters als zwei Mal und mehr
als insgesamt 20 Minuten sprechen darf.
Zur Besprechung dieser Mitteilung erteile ich jetzt
Herrn GR Dipl Ing Margulies das Wort.
GR Dipl Ing Martin Margulies
(Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!
Es freut mich, dass heute einem so wesentlichen Thema
wie dem GATS Raum eingeräumt wird, um Position zu beziehen, wobei ich nicht
verhehlen will, dass die GRÜNEN in der Frage der Tagesordnung überhaupt nicht
angemerkt haben, GATS wäre wenig wichtig, et cetera. Wir wissen, wie wichtig
das GATS ist. Aber ein Punkt, warum der Neoliberalismus in Form unter anderem
des GATS so einen Auftrieb erhalten hat, sind eben solche Vorfälle, wie sie von
der Untersuchungskommission untersucht wurden, ist das Problem, dass es gerade
in den Bereichen der öffentlichen Dienstleistungen auch viel zu verbessern
gibt. Aber nicht nur in Österreich, sondern auch in sehr, sehr vielen anderen
Staaten. Und daher wäre es auch unseres Erachtens sinnvoll gewesen, diese
Punkte vorher einmal aufzuarbeiten und aufzuzeigen.
Aber ich komme jetzt zurück zum eigentlichen Thema
und ich muss wirklich sagen, ich freue mich. StR Rieder hat gesagt: „Im letzten
Moment“. Ich komme jetzt zu dem gegenwärtig einzigen kleinen Kritikpunkt an der
Position der Sozialdemokratie und das ist nicht einmal mit etwas Inhaltlichem
zu tun.
Wir haben bereits am 24.6.2002 einen Antrag eingebracht,
der sich mit GATS befasst hat. Einen Antrag, der sich unter anderem mit den
Forderungslisten des GATS befasst hat, die, wie ich später ausführen werde,
noch wesentlich mehr Relevanz haben als die Angebotslisten und wo in der
Diskussion vom 24 6 sehr, sehr Vieles, was der Herr StR Rieder heute
gesagt hat, schon von mir vorweg genommen wurde. Es war der Finanzausschuss
neben der ExpertInnenenquete leider nicht in der Lage, innerhalb von neun
Monaten zum Thema GATS zu einer einheitlichen Position der Stadt Wien zu
kommen.
Deshalb haben wir heute hier vor uns zwei ähnlich lautende
Anträge der Sozialdemokraten und der GRÜNEN liegen, wo ich damit rechne, dass
beide durchgehen und es freut mich. Noch viel lieber wäre es mir gewesen, wir
hätten die Zeit im Finanzausschuss
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