Gemeinderat,
25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 91
unterstreichen, die Daseinsvorsorge, die Absicherung der
Versorgungssicherheit in Bereichen, die unmittelbar für das Leben der Bürger,
gerade auch in den Städten, aber auch im ländlichen Raum, von essenzieller,
wichtiger Bedeutung sind. Es ist nicht egal, ob man es einfach den
Zufälligkeiten oder den Mechanismen einer anderen Struktur, etwa dem
Marktmechanismen, dem Wettbewerb, dem Gewinnstreben oder sonst was, überlässt,
sondern da gibt es Bereiche, die an sich gewährleistet werden müssen unter dem
Gesichtspunkt der Fairness und der sozial abgesicherten Einnahmensituationen.
Es gibt nun in dem Abkommen einige Punkte, und zwar
Ausnahmebestimmungen, wo man GATS unterzeichnen kann, ohne dass man damit
verpflichtet ist, diesen Bereich dem Markt auch zu öffnen. Das ist dort
beschrieben als die Public Services, aber mit der Einschränkung, und es ist
wichtig, darauf hinzuweisen, im Rahmen staatlicher Zuständigkeit in Ausübung
von hoheitlicher Gewalt. Also relativ eng beschrieben wird das passen bei der
Polizei möglicherweise, wird das passen bei der Justiz, wird aber schon schwer
passen bei unseren sozialen Diensten zum Beispiel. Daher muss man sagen: Die
Beruhigungspillen, die es ja auch gegeben hat in den letzten Wochen, es ist
ohnehin alles kein Problem, denn es gibt ja die Ausnahmebestimmungen über die
Public Services, sind eigentlich nicht wirklich eine Beruhigung.
Die weitere Problematik hängt für Österreich,
Schweden und Finnland damit zusammen, dass es zwar beim Abschluss des Abkommens
zwischen der Europäischen Union und anderen Staaten der Welthandelsorganisation
so etwas gegeben hat wie einen Ausnahmekatalog, sogenannte Public Facilitys,
also öffentliche Notwendigkeiten der Wasserversorgung, der Abfallentsorgung und
ähnliches mehr, dass dieser generelle Vorbehalt, also eine sogenannte
horizontale Bereichsausnahmeregelung, allerdings nur gilt für jene
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Abkommens – das war vor unserem Beitritt – bereits Mitglied der Europäischen
Union gewesen sind. Für Finnland, Schweden und Österreich, die eben mit dem
Zeitpunkt 1.1.1995 ihre Außenhandelskompetenz an die Europäische Union
abgetreten haben, gilt diese Bereichsausnahme der Public Facilitys nicht, was
natürlich ein großes Problem darstellt, weil wir damit eigentlich im Vergleich
zur allgemeinen Ausnahmeregelung der Europäischen Union hinten nachhinken.
Nun hat bei der Konferenz, die der Österreichische
Städtebund am 26. Februar hier im Rathaus abgehalten hat, der für die
GATS-Verhandlungen zuständige Sektionschef Mayer des Wirtschaftsministeriums
versichert, dass es seitens der Europäischen Kommission die Zusage gibt, dass
man in den generellen Verhandlungen quasi Österreich, Schweden und Finnland mit
auf die Stufe dieser Bereichsausnahme nehmen wird. Allerdings wissen wir nicht,
welchen Preis, Hauptpreis, für dieses Zugeständnis wir möglicherweise in
anderen Zusammenhängen gegenüber der Europäischen Union, nämlich bei anderen
Fragen des GATS-Abkommens, zahlen werden.
Es gibt weiters – auch das soll korrekterweise gesagt
werden – die Aussage des Generaldirektors für Handel bei der Europäischen
Kommission, Peter Karl, der bei dieser Veranstaltung am 28. Februar gesprochen
und dabei ebenfalls gesagt hat, dass die Europäische Union vier öffentliche
Dienstleistungsbereiche, Bildung, Gesundheit, audiovisuelle Medien und Wasser,
in den Verhandlungen von den weiteren Liberalisierungen ausgenommen hat.
Auch diese als Entwarnung gedachte Mitteilung ist
nicht wirklich überzeugend, denn es ist bei dieser Veranstaltung von anderen
darauf hingewiesen worden, dass die Europäische Union in dem GATS-Verhandlungssystem,
wo man auf der einen Seite Liberalisierungen anbietet, aber auf der anderen
Seite auch Liberalisierungen einfordert, die Liberalisierung der
Wasserversorgung von 72 WTO-Staaten eingefordert hat. Es liegt daher nahe,
dass dann, wenn die Europäische Union in die Verhandlungen eintritt und sagt,
wir wollen von euch Liberalisierung bei der Wasserversorgung, wir wollen euch
Wasser liefern können – das ist sicherlich im Hinblick auf den großen
französischen Konzern, der weltweit Wasser liefert und der daher natürlich
massiv daran interessiert ist –, diese Mitgliedsstaaten sagen werden: Ja, liebe
Freunde, wenn ihr von der Europäischen Union derartige Zugeständnisse von uns
wollt, dann gilt das Prinzip der Reziprozität, der Gegenseitigkeit, dann wollen
wir auch, dass wir in diesem Bereich Liberalisierungsschritte haben. Und ob es
dann tatsächlich so sein wird, dass das alles halten wird, bezweifeln wir sehr.
Dritter Punkt in diesem Zusammenhang – auch das ist
ja erst allmählich hervorgekommen –: Das GATS-Abkommen ist dadurch
gekennzeichnet, dass im Rahmen der Beschränkungen, also Regelungen, die in
diesem Bereich als Handelsbeschränkungen oder -hindernis aufgefasst werden
können, eine sogenannte Beweisumkehr Platz greift. Das heißt, das
Welthandelsabkommen GATS verpflichtet jeden Staat, wenn er Vorschriften
vornimmt – gewerberechtliche Vorschriften, Umweltschutzvorschriften,
Entwicklungsvorschriften bei der Stadtentwicklung, was immer –, dass er
gleichzeitig den Beweis erbringt, dass diese Maßnahmen unbedingt notwendig
sind. Also es unterliegt einer Beweisnotwendigkeit und es unterliegt unter
anderem einem Verhältnismäßigkeitsbeweis, das heißt, es muss geprüft werden und
bewiesen werden, dass die Belastungen, die sich für die Wirtschaft und für den
Handel aus derartigen Beschränkungen ergeben, nicht unverhältnismäßig sind zu den
erreichten oder angestrebten Zielen. Also wir brauchen uns keinen Illusionen
hinzugeben, was das in der Realität bedeutet, welcher Druck, welche Probleme
des Rechtsstreites und der Schadenersatzforderungen mit einer derartigen
Regelung verbunden sein können. Ich füge hinzu: Das ist nicht Neuland. Das ist
ein wesentliches Merkmal des GATS-Abkommens.
Es besteht aber der entscheidende Punkt, und das ist das,
was wir eigentlich als Stadt und im Einklang mit anderen Ländern und Städten in
Österreich und
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular