Gemeinderat,
25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 91
auseinandersetzen muss.
Daher geht es im Zusammenhang mit GATS nicht um den
Wettbewerb, sozusagen wir wollen keinen Wettbewerb zwischen Öffentlichen und
Privaten haben, sondern es geht darum, dass in einem solchen Wettbewerb eine
sozialorientierte Förderung durch öffentliche Finanzierung von Sachleistungen
nicht mehr möglich ist, sondern dann nur mehr zulässig ist eine Förderung des
Einzelnen. Wir kennen das aus der Diskussion über des System des Pflegegeldes.
Und ich möchte nur auf eine Zeitschrift verweisen, die gestern oder vorgestern
erschienen ist, "Focus Deutschland", wo unter dem Titel
"Masterplan mit Macken" steht: "Als erstes Bundesland plant
Hamburg ein Gutscheinsystem für die Kinderbetreuung." Also das, was bei
uns in Österreich das Pflegegeld ist, ist dort sozusagen propagiert als
Gutscheinsystem. Und da hat sich der zuständige Bildungssenator sehr gerühmt
dieses Konzepts. Die Zeitung, die sozusagen von ihren gesamten politischen
Einstellungen nicht wirklich sozusagen verdächtigt werden kann, liberalen
Tendenzen entgegenzutreten, schreibt aber dazu: "Was auf dem Papier wie
ein genialer Masterplan aussieht, droht in der Praxis kläglich zu
scheitern." Und das ist dann im Detail ausgeführt und ist ein Beispiel
dafür , dass die Veränderung eines Systems von einem öffentlich finanzierten
Leistungssystem hin zu einem Geldzuweisungssystem nicht automatisch
gleichwertig ist, sondern in der Praxis oft dramatische Einbrüche und Nachteile
zur Folge hat, und zwar auch deswegen, weil wir ja alle wissen, dass bei einem
solchen System das Risiko sehr groß ist, dass die öffentlich eingesetzten
Mittel auf einem grauen Markt versickern und nicht Niederschlag finden in einem
offiziell ausgewiesenen Beschäftigungsergebnis. Und das ist natürlich gerade
unter den gegebenen Bedingungen ein durchaus ernstzunehmender Aspekt.
Zweitens kann ein Überlassen von
Dienstleistungserbringung an private Anbieter dort, wo es auf die
Versorgungssicherheit für alle auch um den Preis der Unwirtschaftlichkeit
ankommt, bedeuten, dass Einkommensschwache sehr rasch auf der Strecke bleiben.
Also wenn man zum Beispiel in Österreich beurteilt,
dass es eine Reihe von privaten Strombietern gibt, die von der Grundgebührausstattung
das so anlegen, dass jemand, der relativ wenig Strom bezieht, hier absolut fast
bestraft wird, dann kann man dem Betreffenden sehr wohl unterstellen, dass er
aus betriebswirtschaftlicher Kalkulation solche Kleinkunden gar nicht will. Wenn
es nun nur mehr solche Anbieter gäbe, die nach diesem System vorgehen, weil der
Kleinkunde mit riesigen Betriebsausgaben im Verhältnis zu den Einnahmen des
Betreffenden verbunden ist, dann würde das im Klartext bedeuten, dass damit
kleine ältere Leute, die sehr sparsam mit dem Energieverbrauch umgehen, von der
Energieversorgung ausgeschlossen sind.
Das dass keine theoretische Annahme ist, können Sie
in vielen Fällen in anderen europäischen Städten ablesen, und ich bin nicht
genötigt, nur auf das Beispiel des Eisenbahnsystems in Großbritannien
hinzuweisen. Man könnte dort zum Beispiel auch auf die Wasserversorgung
hinweisen, dass damals die Privatisierung popagiert worden ist, das wird jetzt
alles billiger werden. Dem Vernehmen nach und nach Zeitungsberichten,
englischen Zeitungsberichten, ist zwar etwas gestiegen: das sind die Einkommen
der Manager und gleichzeitig die Preise. Billiger ist mit der Privatisierung
dort nichts geworden.
Und in der Tat ist es so, und das ist der dritte
Punkt, dass dem öffentlichen Interesse, dem gemeinnützigen Interesse, nicht
gedient ist, wenn man ein öffentliches Monopol, das deswegen kritisiert wird,
weil es ein Monopol ist, durch private Monopole oder private Oligopole
abtauscht, wenn die dann möglicherweise effizienter, rationeller arbeiten, aber
das, was sie damit erzielen, nicht an den Konsumenten weitergeben, sondern als
Gewinn dem Aktionär zukommen lassen oder in die Managererfolgsprämien
einfließen lassen. Da ist null Veränderung für den Konsumenten hergestellt. (Beifall
bei der SPÖ.)
Und viertens ist Privatisierung dort, wo es in erster
Linie auf die Qualität der Dienstleistung ankommt, selten eine Verbesserung. Da
gibt es auch eine Reihe von Beispielen, weil allzu oft im Wettbewerb die
Preissenkung verhindert, dass es dann zu Qualitätsmaßnahmen kommen kann. Auch
das ist daher abzuwägen, wenn man den Schritt der Privatisierung tut oder nicht
tut. Also kein pauschales Ablehnen.
Das Problem bei GATS liegt aber darin, dass man hier
in ein System hineinkommt, wo dem Einzelnen, der einzelnen Stadt, der einzelnen
Gebietskörperschaft nicht mehr die eigenständige Wahlmöglichkeit bleibt.
Marktöffnung und Gleichstellung heißt auch, dass gewisse Konsequenzen im
Hinblick auf die Wettbewerbssituation so herzustellen sind, dass eine
öffentliche Finanzierung dann gar nicht mehr möglich ist. Und das ist der
Hintergrund, warum es natürlich massive Einwände und Bedenken gegen dieses
Abkommen gibt, und zwar zu einem Großteil in Österreich, zu einem Großteil in
der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in anderen Städten.
Unter diesem Gesichtspunkt verstehe ich es, wenn
gerade Konsumentenvertreter, wenn gerade Vertreter der Arbeitnehmerschaft
sagen: Hände weg von den öffentlichen Versorgungsleistungen bei GATS.
Es darf natürlich in dieser Situation keine
vorschnellen internationalen Zugeständnisse geben im Bereich der
Daseinsvorsorge, weil, einmal zugestanden, die nachträglich nicht mehr
veränderbar sind.
Also ich wünsche der Republik Österreich da viel
Glück und insbesondere auch dem Herrn Bundeskanzler, der in seinem
Regierungsprogramm zu GATS feststellt, man wird sich bemühen, die bereits
eingegangenen Freigaben zurückzunehmen. Aus meiner Einschätzung, wie die
Welthandelsorganisation mit solchen frommen Wünschen umgeht, würde ich sagen:
Mit hoher Skepsis sehe ich dem Ergebnis entgegen.
Aber es ist auch notwendig, meine sehr geehrten Damen und
Herren, und ich möchte das noch einmal
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