Trauerakt
vom 16.03.2006 - Seite 4 von 4
Möglichkeit
für die direkten demokratischen Instrumente von Volkbegehren, Volksbefragung
und Volksabstimmung geschaffen, im Landtag und Gemeinderat Fragestunden
eingeführt und die Bezirke mit den Dezentralisierungskompetenzen auch
ausgestattet.
Ein kurzer Abschnitt all der
Leistungen, für die wir Leopold Gratz als Bürger dieser Stadt dankbar zu sein
haben.
Aber über all dem steht für mich
die Person und der Mensch Leopold Gratz. Trotz des Ungemachs, das ihm Politik
und Gesundheit immer wieder beschert haben, insbesondere auch, wenn man die
Projekte, die ich vorhin erwähnt habe, sich vor Augen führt, wo kaum eines ungeteilte
politische Zustimmung gefunden hat. Trotz alledem war er derjenige, der bis
zuletzt Sonnenschein in den politischen Alltag gebracht hat. Seine
ungeheuerliche Belesenheit, ohne dass er deswegen Aufdringlichkeit bei den
Ratschlägen gemacht hätte, sein Optimismus, mit dem er nicht nur die
Entwicklung seiner Heimatstadt Wien, sondern generell auch den Weg in dieses
neue Europa betrachtet hat, trotz der Kritik im Detail, seine Freundlichkeit,
mit der er den Menschen begegnet ist, womit er immer wieder auch die Sympathie
der Menschen gewinnen konnte, und nicht zuletzt, ich sage das als
vergleichsweise jüngerer Politiker, seine Hilfsbereitschaft dem damals jungen
Haus gegenüber, ihnen zu helfen, die Hand zu reichen, sie einzuführen in die
zweifelsohne nicht leichte Welt der Politik und der politischen Arbeit.
Einfach ein
Freund, ein Freund von den ersten Tagen, die wir jedenfalls als damals Junge
und junge Funktionäre mit ihm erleben durften; und selbst in
Konfliktsituationen war er derjenige, der den Weg gefunden hat, wie man aus
diesen Konflikten wieder heraus gekommen ist.
Lassen Sie mich noch einmal Leopold Gratz zitieren aus der
Schlusspassage seiner Abschiedsrede, die er im Wiener Gemeinderat am
10. September 1984 gehalten hat:
„Ich habe versucht, das Amt des
Bürgermeisters mit Stolz auf diese Funktion und mit Demut vor der Aufgabe
auszufüllen.
Meine Damen und Herren! Es ist uns eines gemeinsam, damit
meine ich alle Verantwortlichen für diese Stadt, alle Mandatare, gelungen, den
Gegenbeweis gegen die entsetzliche und falsche Philosophie der
Stadtfeindlichkeit anzutreten. In den letzten Jahrzehnten ist, wie ich glaube,
falsche Lehre entstanden, dass die Städte immer unwirtlicher, immer inhumaner
und immer hässlicher werden. Uns allen gemeinsam ist es gelungen zu beweisen,
dass dies zumindest für Wien nicht stimmt, dass diese Stadt nicht nur gleich
geblieben, sondern menschlicher und schöner geworden ist. Das ist etwas, worauf
alle Verantwortlichen und alle Wienerinnen und Wiener stolz sein können."
Ja, wir können stolz sein auf das
Erbe des Leopold Gratz, das er uns hinterlassen hat, und wir versprechen, dass
wir sorgsam und in steter Dankbarkeit daran auch weiter arbeiten.
Der Trauerakt wurde durch die Wiener Sängerknaben mit
"Hebe Deine Augen auf" von Felix Mendelssohn Bartholdy abgeschlossen.
(Ende des Traueraktes um 10.04
Uhr.)
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