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Trauerakt vom 16.03.2006  -  Seite 3 von 4

 

noch stärker als bisher einzubeziehen. Die Renaissance des politischen Bewusstseins kann von der Kommune ausgehen und es ist unsere Aufgabe, diese Renaissance zu unterstützen, nicht mit Worten, die manchmal besonders massiv etwa im Wahlkampf verwendet werden, sondern mit täglich erlebbaren Bemühungen und Leistungen, die die Menschen in ihrem Interesse für die Politik bestärken und festigen und damit auch unser demokratisches System.“

 

Mit diesen Sätzen beendet Leopold Gratz am 13. November 1978 vor dem Gemeinderat seine Regierungserklärung nach der Wiederwahl zum Wiener Bürgermeister. Aus diesen Worten und Gedanken spricht der überzeugte Demokrat und der leidenschaftliche Parlamentarier, gleichsam ein politisches Vermächtnis, der der begeisterte und homo politicus Leopold Gratz diesem Haus hinterlässt. Und bereits in seiner Antrittsrede vor dem Wiener Gemeinderat am 5. Juli 1973 spannte er den Bogen vom griechischen Staatsmann Perikles bis zum Schöpfer der österreichischen Bundesverfassung, Hans Kelsen, um seine politischen Grundsätze darzulegen, gleichsam als Fundament seiner kommunalpolitischen Vorstellungen. Und diese Vorstellungen waren von großer Weitsicht und Tatkraft gepaart mit Optimismus getragen und das zu einem Zeitpunkt, als Wien mit dem massiven Standortnachteil der Randlage am Eisernen Vorhang zu kämpfen hatte, ebenso mit den stetig sinkenden Bevölkerungszahlen und dem herrschenden düsteren Zeitgeist einer latent negativen und pessimistischen Einstellung zur Großstadt.

 

All dem entschieden zu entgegnen und Wien wieder eine positive Zukunftsperspektive zu verleihen, war Leopold Gratz angetreten. Er prägte entscheidend die Politik der siebziger und Anfang der achtziger Jahre hier in Wien und stellte damit die Weichen für den erfolgreichen Weg Wiens ins 21. Jahrhundert. Viele gesellschaftliche und soziale Errungenschaften, die von so immenser Bedeutung für unsere Stadt und unser Land sind, wären ohne den Politiker Gratz nicht möglich gewesen. Der Aufstieg Wiens zu einer weltoffenen, pulsierenden, internationalen Metropole und zu einer Stadt des Miteinanders ist zweifellos großteils sein Verdienst. Der Beginn eines Weges, den Helmut Zilk und auch ich fortsetzen durften, wie die Zeit der Überwindung der kommunistischen Diktaturen und des Eintritts in die größere Europäische Gemeinschaft. "Ein Leben in und für Wien" könnte man die Biographie von Leopold Gratz betiteln. Eine Biographie, die Ihnen vertraut ist und die vieles aus seinem Leben verständlich macht.

 

Sein Lebensweg führte ihn aus seinem Geburtsbezirk Ottakring, über die Universität, dem Landesarbeitsamt in sein erstes großes politisches Betätigungsfeld, das Parlament. Er arbeitete von Mai 1953 bis zum Dezember 1954 als Angestellter des Klubs der sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte und ab 1. Jänner 1955 als Parlamentsbediensteter. 1963 wurde Leopold Gratz Zentralsekretär der SPÖ und ebenfalls 1963 wurde er in den Bundesrat entsandt, dem er drei Jahre angehörte. Als Nachfolger Franz Olahs wurde er zum Bezirksparteiobmann von Wien-Hernals gewählt. Er zog am 30. Mai 1966 als Abgeordneter in den Nationalrat ein, dem er bis 1973 angehörte. Nach der Etablierung der Minderheitsregierung Kreisky 1 gehörte ihr Leopold Gratz ab dem 21. April 1970 bis zum 4. November 1971 als Bundesminister für Unterricht und Kunst an. In diese Zeit – sie wird heute noch zu würdigen sein – fallen vor allem eine Bundestheaterreform, die Sistierung der Aufnahmeprüfung in den Allgemein bildenden höheren Schulen und die Ausweitung der Schulversuche.

 

Vom November 1971 bis Juli 1973 fungierte Leopold Gratz als geschäftsführender Klubobmann des Klubs der sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte, bis er als Nachfolger des zurückgetretenen Felix Slavik zum neuen Wiener Bürgermeister gewählt wurde. Von Dezember 1984 bis Juni 1986 war Leopold Gratz Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten im Kabinett Sinowatz, ab Dezember 1986 gehörte Leopold Gratz wieder dem Nationalrat an, zu dessen Erstem Präsidenten er wenig später gewählt wurde.

 

Im Februar 1989 trat Gratz von allen politischen Funktionen zurück, hatte aber noch bis zuletzt, insbesondere auch in seiner politischen Heimat, intensiv Anteil am politischen Leben genommen.

 

Sehr geehrte Trauergäste! Die österreichische Bundeshauptstadt Wien hat sich in der Amtszeit von Bürgermeister Leopold Gratz tiefgreifend verändert. Zu den großen kommunalen Leistungen, von denen viele für uns heute eine völlige Selbstverständlichkeit sind, zählen unter anderem die Neugestaltung des Donaubereichs, vor allem der Ausbau der Donauinsel und der neuen Donau zu dem Naherholungsgebiet, die Fertigstellung des U-Bahn-Grundnetzes, die Errichtung der großen Fußgängerzonen, mit denen die Voraussetzungen für die Revitalisierung der inneren Stadt geschaffen wurden, die großen Bauvorhaben, die in der Ära Gratz errichtet wurden, sind besonders geprägt durch die UNO-City, die Südosttangente, die neuen Donaubrücken, das AKH, die Hauptkläranlage, Kurpark und Therme Oberlaa.

 

Die Wende in der Stadterneuerung, mit der die ausufernde Stadterweiterung eingedämmt wurde, der Ausbau der sozialen Dienste sowie die Schaffung des Bürgerdienstes als ein erstes sichtbares Zeichen der Öffnung der Stadtverwaltung. Und nicht zuletzt, es wurde erwähnt, sorgte Leopold Gratz für die Reform der Stadtverfassung und die Einleitung der Dezentralisierung. Auf Wiener Ebene wurden dadurch die

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