Landtag,
31. Sitzung vom 29.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 93
er, der weiß genau, dass ich nicht auf ihn ziele, sondern auf eine Frage, die rechtlich relevant ist und die auch Sie sich unter anderem stellen sollten.
Das Disziplinarrecht macht sich's nämlich leichter
oder hat es leichter als das Strafrecht, es ist ja das Überbleibsel des
Ehrenstandpunktes des 19. Jahrhunderts. Man hätte das mit dem Gudenus im
19. Jahrhundert anders abhandeln können, aber wir haben das
Disziplinarrecht eben weiterentwickelt. Das Disziplinarrecht kennt zwei Elemente.
Es kennt die Unabhängigkeit vom Strafverfahren dort, wo es darum geht zu sagen,
es besteht so etwas wie die Begrifflichkeit des disziplinären Überhanges. Man
kann nämlich der Meinung sein, dass er vielleicht nicht gegen das
NS-Verbotsgesetz verstoßen hat, aber trotzdem der Würde und dem Ansehen des
Bundesheers in der Öffentlichkeit durch sein Verhalten geschadet hat. Das ist
die Frage, die im Disziplinarrecht zu stellen ist, und zwar lange bevor die
Staatsanwaltschaft einen Antrag einbringt, sondern unmittelbar, sofort nach
seiner Äußerung. Dieses ist nicht geschehen!
Es ist nicht geschehen, dass die Disziplinarbehörde -
und zwar nicht deswegen, weil sie nicht wollte, sondern weil sie nicht konnte -
des Bundesministeriums für Landesverteidigung sofort nach seiner allerersten
Äußerung ein Verfahren eingeleitet und sich die Frage gestellt hat, ob Würde
und Ansehen des Bundesheers durch sein Verhalten in der Öffentlichkeit Schaden
getragen haben und ob er gegen § 3 Abs 2 Z 2 der Allgemeinen
Dienstvorschrift - einer Verordnung, die die Bundesregierung gemeinsam mit dem
Hauptausschuss des Nationalrates erlässt - verstoßen hat, nämlich eine
gröbliche Verletzung der im Ruhestand auferlegten Pflichten.
Denn ihn trifft die besondere Pflicht der ADV, das
besondere Treueverhältnis zur Republik als Angehöriger der bewaffneten Macht
und die Verteidigung der Demokratie. So steht es in § 3 Abs 2 der
ADV, die besondere Pflicht, die John Gudenus trifft und die jetzt die
Disziplinarbehörde uns gegenüber hier festmacht und sagt: Bitte liefert ihn
insbesondere aus, er hat damit dem Ansehen des Bundesheers in der
Öffentlichkeit geschadet, er wollte sich aus der Verantwortung ziehen. Ohne
Strafverfahren hätte man es längst abhandeln können, spätestens bei der zweiten
Äußerung am 29. April.
Aber man hat sich offensichtlich gefürchtet, dieses
Disziplinarverfahren gleich einzuleiten, aus Gründen, die nur mäßig
verständlich sind. Man sagt, das ist ein Kommissionsverfahren, da entscheidet
nicht die Behörde allein, sondern eine Kommission von anderen Offizieren, und
man weiß ja nicht, wie das ausgegangen wäre. Das Schlimmste für die Demokratie
und das Ansehens des Bundesheers wäre es vielleicht gewesen, wenn dort welche
gesagt hätten: Na, so schlimm ist das gar nicht - weil ja die Strafen, die ihn
bedrohen, das Schlimme im Disziplinarverfahren sind -, so schlimm ist das gar
nicht, und wir wollen ihm so eine hohe Strafe nicht zumuten. Das war die
vorgeschobene Angst, warum man nicht sofort ein Disziplinarverfahren
eingeleitet hat, das schon nahezu abgeschlossen sein könnte.
Der Bundesminister für Landesverteidigung - zur Frage
der politischen Verantwortung - macht es sich besonders leicht. Er schreibt am
3. Mai - das wird dann auch noch in den Medien publiziert - dem Gudenus
einen Brief darüber, wie enttäuscht er von ihm und von seiner Haltung als
Offizier ist, anstatt dass er eine einfache Weisung gibt.
Jetzt zu der Frage, was ich gemacht hätte, wenn ich
noch stellvertretender Kabinettchef gewesen wäre: Ich hätte meinem
Bundesminister eine Weisung vorgelegt, mit der ich die Disziplinarbehörde
beauftrage, das Disziplinarverfahren gegen John Gudenus einzuleiten, und zwar
nicht wegen unserer seit einem Jahrzehnt gelebten persönlichen, offenen
Feindschaft, sondern wegen seines Verhaltens und des Schadens an Würde und
Ansehen des Bundesheers. Darum geht es in diesem zweiten Antrag.
Aber eine solche Weisung gibt es nicht, weil die
Strafe hoch wäre. § 57 Abs 1 Z 3 Heeresdisziplinargesetz: Der
Verlust sämtlicher dem Dienstverhältnis entsprechenden Rechte, das heißt
Hinunterstufung der wunderschönen Oberst-H1-Pension auf ASVG-Mindestpension,
der Verlust des Dienstgrades - für viele vielleicht nicht bedeutend, für ihn
aber schon - und, damit verbunden, das Verbot, nie wieder in Uniform auftreten
zu dürfen, nie wieder das Bundesheer in seinem Umfeld zu fühlen.
Daher frage ich mich noch einmal: Warum hat man
gewartet? Warum hat die Disziplinarbehörde gewartet, obwohl sie frei ist, das unabhängig
von den Strafbehörden zu entscheiden, nur auf der Grundlage des so genannten
disziplinären Überhangs? Warum schreibt ein Bundesminister einen Brief, der in
die Medien kommt, anstatt die Disziplinarbehörde anzuweisen?
Das Perfide an der Sache ist ja noch, dass das
Disziplinarverfahren jetzt dadurch unterbrochen ist, dass die
Staatsanwaltschaft aktiv ist. Das Disziplinarverfahren ist unterbrochen, die
Staatsanwaltschaft ist aktiv, wir wissen nicht, wie die Gerichte entscheiden
werden - aber bis zum Ende dieses Jahres, des heurigen Jahres, denn für ihn
trifft die Strafe nur bis zum Ende jenes Kalenderjahrs zu, in dem er das
65. Lebensjahr vollendet. Das Disziplinarverfahren ist jetzt unterbrochen,
und es ist absehbar, dass die Strafbehörden nicht vor Ende dieses Jahres so zu
einer Entscheidung kommen werden, dass das Disziplinarverfahren im
Kommissionsverfahren abgeschlossen werden wird. John Gudenus entkommt damit der
im zustehenden Strafe.
Meine Damen und Herren!
Diejenigen, die verhindert haben, dass dieses Disziplinarverfahren eingeleitet
wird, sind dieselben, die mich denunziert haben, ich hätte einmal
ungerechtfertigterweise in Uniform an einer Sondersitzung des Landtags, einer
Gebietskörperschaft gemäß Wehrgesetz, teilgenommen, noch dazu an einer
Sondersitzung, in der es um die Befreiung Wiens durch die Rote Armee, durch
Soldaten gegangen ist und durch die von Ihnen angesprochenen Widerstandkämpfer,
teilweise auch Soldaten der Wehrmacht, die aber ihrem Gewissen gefolgt sind,
weil sie anderes für wichtiger gehalten haben als eine scheinbare
Pflichterfüllung. Das
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