Landtag,
31. Sitzung vom 29.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 93
selbstverständlich vollinhaltlich zustimmen. (Beifall
bei der ÖVP.)
Präsidentin Erika Stubenvoll: Als
Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Abg Barnet. Ich erteile es ihm.
Abg Günther Barnet (Bündnis Zukunft
Wien - die Stadtpartei): Frau Präsidentin! Frau Berichterstatterin! Meine
Damen und Herren!
Kollege Prochaska, vorweg kurz auf Sie eingehend: Sie
haben Recht, wenn Sie sagen, dass man das in Ruhe diskutieren soll, aber ganz
Unrecht hat StR Ellensohn nicht. Wir tun oft so, als wären diese Debatten
voneinander zu trennen. Ich habe das selbst auch schon einmal gesagt, später
darüber nachgedacht und bin draufgekommen, dass es eigentlich falsch war. Wir
tun immer so, als wären die heutige Politik und die jüngere Zeitgeschichte
voneinander trennbar, und sagen das manchmal, aber tun es nicht immer, weil
wir, aus welchen Gründen auch immer, das eine oder das andere in unserer
Geschichte nicht so gern haben wollen und all das, was uns dann momentan doch
damit belastet, ein bisschen auf die Seite tun.
Da trägt jeder seine Verantwortung, die historische
derjenige, der daran beteiligt war, wie auch immer, persönlich oder in einem
Kollektiv, in einem geistesgeschichtlichen Zusammenhalt oder auch heute. Und
wenn es darum geht, es zu sagen, dann ist das wichtig für das Verständnis über
diese historischen Dinge, um die Werthaltungen für heute zu prägen, um sie auch
zu leben und zu sagen: Es geht um das Verhindern der Wiederholung in der
Gegenwart.
Man könnte daher die Debatte natürlich technisch
führen, sie abhandeln mit kurzen Worten und sagen: Wir nehmen zur Kenntnis, es
gibt zwei Anträge, einen von der Staatsanwaltschaft und einen von der
Disziplinarbehörde des Bundesministeriums für Landesverteidigung, die werden
sich etwas dabei gedacht haben, wir handeln das ohne Wortmeldung im Kollegium
und auch hier nur kurz ab und gehen wieder. Aber das wird ja unserer
politischen Verantwortung nicht gerecht! Wir haben uns in einer der letzten
Sitzungen anlässlich eines Entschließungsantrags, dem alle zugestimmt haben,
damit schon auseinander gesetzt, weil wir es für wichtig erachten.
Es ist natürlich bedauerlich - und bei diesem Punkt,
den ich damals geäußert habe, bleibe ich -, dass eine einzelne Person wie John
Gudenus diesen Landtag und die Wiener Politik in Geiselhaft nimmt. Aber es ist
umso bezeichnender, daher müssen wir uns damit auseinander setzen. Ich werde
das tun, auf dünnem Eis, aber trotzdem, um mich nicht zu verschweigen.
Kollege Ellensohn, Sie haben die Frage des hohen
Gutes der Immunität angesprochen. Das stimmt. Es hat daher im Zusammenhang mit
der Debatte um beide Personen, Gudenus wie Kampl, die Frage gegeben, ob man
denn nicht überhaupt so etwas tun sollte wie das, einen entsandten Bundesrat,
der eigentlich der Vertreter von uns hier, des Landtages, ist - denn er ist ja
nicht direkt gewählt, er ist vom Landtag entsandt, wenn auch in einer
Delegationsrolle -, immer wieder mit einem Mehrheitsbeschluss abberufen zu
können, wie auch immer: In der Fraktion, die ihn gewählt hat, nach dem
Fraktionswahlrecht, mit einem Gesamtbeschluss oder mit einem erhöhten Quorum.
Dieser Vorschlag ist - dies jetzt ohne Zuweisung, ihr
wisst ohnehin selber, welche Fraktion es war - abzulehnen, der geht sicher zu
weit. Der geht in die Richtung, dass jede politische Geisteshaltung, die im
Rahmen der Meinungsfreiheit geäußert wird - egal, ob das nachher strafrechtlich
relevant ist oder nicht -, dazu führt, dass wir ihn von uns aus abberufen und
sagen: Weg mit ihm, er darf dieses Land, diesen Landtag nicht mehr vertreten.
Das griffe in das genauso geltende Recht des freien Mandats ein, und das wäre
zu weitgehend. Ich bin froh, dass diese Entscheidung nicht gefallen ist.
Dennoch ist er von diesem Landtag entsandt, und man muss sich die Frage
stellen, wie wir damit umgehen.
Ich werde mich nicht so sehr mit dem strafrechtlichen
Antrag beschäftigen - das haben andere schon getan oder werden es noch tun -,
sondern insbesondere mit dem zweiten Antrag, jenem der Disziplinarbehörde. Und
zwar nicht, Kollege Prochaska, um damit die Schuld auf irgendeine politische
Partei zu lenken, sondern um zu sagen, was alles schon früher und schneller
denkbar gewesen wäre im Zusammenhang mit politischer Verantwortung im Falle
Gudenus, wenn man es ernst nehmen würde.
Dennoch vorweg einige Worte über den
Gesamtzusammenhang: Natürlich ist das Bundesgesetz über die nationalsozialistische Wiederbetätigung
nicht nur zu respektieren, sondern auch zu leben, weil es das Ergebnis unserer
jüngeren Geschichte ist. Es ist dies ein historisches und politisches Gesetz.
Man kann, ohne Revisionist zu sein, sagen, dass zu dem Zeitpunkt, als es entstanden
ist - und es ist ja seither nur einige Male novelliert worden -, einen Kontext
gegeben hat, der nicht mehr gleich dem heutigen ist.
Ich habe in meiner letzten
Rede das Beispiel meines Großvaters dargestellt, der, ohne es zu wollen,
Angehöriger einer Waffen-SS-Division war und daher zumindest in den ersten
Jahren nach dem Krieg darunter gelitten hat, dass meine Großmutter in der
Besatzungszeit fünfzig Unterschriften dafür erbringen musste, dass er nie bei
der NSDAP oder bei sonstigen Organisationen war, und dass ihm das vier Jahre
"Eiszapfenschlichten", wie man gesagt hat, in Sibirien einbrachte.
Natürlich diente das Gesetz damals auch insbesondere dem Schutz der Demokratie.
Ob es heute zum Schutz der
Demokratie notwendig ist, darüber kann man nachdenken. Wenn sie auf so tönernen
Beinen steht, dass einige hundert Revisionisten - oder wie viele es immer sein
mögen - unsere Demokratie zu Fall bringen, dann sollten wir uns mehr als dieses
eine Gesetz überlegen. Dennoch ist es ein Erinnerungs- und Verpflichtungsgesetz.
John Gudenus hat in diesem Zusammenhang als Politiker auf Fragen geantwortet,
daher müsste er ein Vorbild sein, und nicht als Historiker und nicht als
persönlich Betroffener. Er hat darüber hinaus in der konkret von ihm
angesprochenen Frage natürlich Unrecht, keine Diskussion.
Wenn
Sie aber die Frage sonstiger historischer
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