Gemeinderat, 15. Sitzung vom 22.11.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 94 von 110
GR Univ-Prof Dr Peter Frigo (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine Damen und Herren!
Ich möchte kurz zu der Zusatzsubvention für die Wiener Symphoniker Stellung nehmen. Die Wiener Symphoniker benötigen eine erste Zusatzsubvention von 700 000 EUR, sie haben aber schon 12 Millionen EUR bekommen. Nun habe ich gehört, diese Mittel werden zur Auszahlung der Gehälter und Pensionen benötigt, und zwar sofort, da sonst der Weihnachtsabend für die Symphoniker karg ausschaut. Wieso, meine Damen und Herren, haben die Symphoniker ein eigenes Pensionssystem? Ich denke, es sollte an der Zeit sein, dass man das überdenkt und die Symphoniker zum Beispiel in das Pensionssystem der Gemeinde Wien anbindet.
Die zweite Bemerkung, die ich zu dieser Subvention machen möchte, ist ein Statement, das ich im „Standard“ vom 29./30. Oktober 2011 von dem neu eingesetzten Geschäftsführer Johannes Neubert gelesen habe, nämlich zu dem Thema Marketing. Er sagt selbst: „Womit alles anfängt, ist Qualität, erst dann kann das Marketing ansetzen. Mir ist auch die Musikvermittlung wichtig, da muss manches passieren.“ Auf die Frage: „Muss gespart werden?“ antwortet Herr Neubert: „Da sehe da keinen Spielraum mehr, es sei denn, man geht an die Substanz.“ Weiter werden Neuberts Worte wie folgt zusammengefasst: „Eher müsse man schauen, dass der Bereich Tournee nicht zu kurz kommt. Auch für die Position zu Hause ist das wichtig. Man muss ‚draußen’ etwas darstellen, um hier etwas zu gelten.“
Dazu möchte ich kurz kommentieren: Ich glaube, dass gerade im Musikgeschäft, das ein sehr hartes Geschäft ist, das Marketing das Um und Auf ist; und ich denke, dass die Wiener Symphoniker so einen Dilettantismus nicht verdient haben. (Beifall bei der FPÖ.) Meine Damen und Herren! Tourneen scheinen Herrn Neubert am Herzen zu liegen, aber eine Tournee ohne Marketing wird floppen. Das gilt offensichtlich auch für die derzeitige USA-Tournee des Orchesters, wo es, wie man liest, insgesamt 20 000 Zuhörer gab – eine Zahl, die in den USA maximal ein Mittelmaß darstellt, würde ich meinen. Ich vermute stark, dass diese Tournee gegen Ende des Jahres eine zweite Zusatzsubvention verursachen wird.
Meine Damen und Herren, so geht es nicht! Marketing sollte kein Fremdwort für die Wiener Symphoniker sein, sondern ein Muss, um in die schwarzen Zahlen zu kommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Dr Sigrid Pilz: Zu Wort gemeldet ist Herr GR Baxant. Ich erteile es ihm.
GR Petr Baxant (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Frau Vorsitzende! Liebe Menschen, die uns jetzt noch über das Internet zusehen!
Ich möchte mit einem kleinen schönen Zitat von Johann Wolfgang von Goethe beginnen. Er sagte Folgendes: „Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.“
Goethe hat dies alles nicht gesagt, weil es so schön klingt, sondern er war ein Weltverbesserer. Er wollte sich nicht mit dem Status quo zufriedenstellen. Er war ein zutiefst politisch denkender Mensch, der von der Möglichkeit einer Entwicklung überzeugt war, und davon, dass man sich mit der Ungerechtigkeit, der geistigen Faulheit und mit dem Schlechten an sich nicht abfinden sollte. Er war überzeugt von der Möglichkeit einer Entwicklung des einzelnen Menschen, also des Individuums, sowie eines sozialen Ganzen, einer Gesellschaft oder, wenn Sie so wollen, eines sozialen Organismus.
Aber der Glaube war ihm zu wenig. Er forderte den Fortschritt auch konkret ein. Goethe meint, dass die Entwicklungen des Individuums einerseits sowie jene des sozialen Organismus andererseits nicht nur Möglichkeiten sind, an die man glauben kann, sondern historische Notwendigkeit. Wenn Goethe einfordert, dass wir „alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen“, dann verstehe ich das als klaren Auftrag, Kunst und Kultur zu leben, und zwar so oft es geht, so intensiv wie möglich, möglichst jede Gelegenheit zu nutzen, im Interesse des menschlichen Fortschritts.
Goethe war ein Humanist. Dass wir auf der einen Seite Kunst schaffen und auf der anderen Seite Kunst rezipieren können, das sind die wahren Königsdisziplinen des Menschen. Denn ob exzellente technische Meisterleistungen, ob medizinische Entdeckungen oder Innovationen im IT-Bereich – nichts vermag uns Menschen so sehr in unserem innersten Menschsein zu berühren wie ein kleines Lied, ein gutes Gedicht, ein treffliches Gemälde und als Krönung all dessen ein gutes Gespräch.
Warum erzähle ich das alles? Was haben Goethe und dieses Zitat mit der Wiener Kulturpolitik zu tun? Ich glaube, sehr vieles! Wien ist nämlich schlicht und einfach der Ort, wo all das, was Goethe fordert, möglich ist; wo es von der Politik eingefordert wird, wo der ständige Kontakt, der Austausch und der Dialog stattfindet. Die Wiener Kulturpolitik agiert als ständige Antreiberin. Sie stellt sich der Kultur nicht in den Weg, sondern sie hält sie im Fluss.
Meine Damen und Herren! Die Wiener Kulturpolitik forciert den Wandel und muss deswegen fortgeschrieben werden. Ich möchte gleich anhand von einigen Lebensfeldern verdeutlichen, warum ich dieser Meinung bin, aber vorher möchte ich das Verhalten der Opposition ein bisschen hinterfragen. Ich weiß – und das hat auch Kollege Ebinger schon angesprochen, nämlich in einem Nebensatz –, dass es zum parteipolitischen Einmaleins gehört, dass eine Opposition gegen Regierungsentwürfe stimmen muss. Aber das muss auch nachvollziehbar und argumentierbar sein!
Das heißt, auch wenn ich nicht eurer Meinung bin, muss ich verstehen, warum ihr ablehnt – und da gibt es
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