Gemeinderat, 15. Sitzung vom 22.11.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 110
Jetzt könnte man sagen, na gut, das ist halt die Situation der Menschen, und es hat nichts damit zu tun, was wir für sie bieten, es ist ja jeder selber schuld, wenn er sich nicht informiert. Dem ist nicht so, denn Gesundheitskompetenz ist auf der einen Seite eine Holschuld, aber auf der anderen Seite auch eine Bringschuld, und wenn wir uns nicht darum bemühen, wird das nicht nur gesundheitliche, sondern auch wirtschaftliche Folgen haben. Jeder kann sich das vorstellen. Wenn man Informationen nicht versteht, zum Beispiel einen Beipackzettel nicht lesen kann, nimmt man das Antibiotikum zu kurz, berücksichtigt irgendwelche Unverträglichkeiten mit Müdigkeit oder Alkohol nicht, gibt Kindern die falsche Dosis. Jeder weiß, wozu das führen kann.
Und weil wir das alles nicht wollen, und weil wir wollen, dass die Gesundheitskompetenz der Wiener und Wienerinnen erhöht wird, wird die rot-grüne Stadtregierung eine unabhängige Patienteninformationsstelle einrichten, wo wir offensiv und aktiv den Menschen die Möglichkeit geben wollen, im Gesundheitssystem auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Wenn wir dann aber schon im Spitalsbereich sind – es war ja heute schon die Rede vom AKH –, dann möchte ich auch da zu einer aktuellen Debatte, die läuft, Stellung nehmen. Während wir hier reden, läuft eine Betriebsversammlung der Ärzte und Ärztinnen im AKH. Man droht damit, lange Wartezeiten in den Ambulanzen zu verursachen, man droht damit, 30 Prozent der Operationen herunterzufahren, und all das, weil man meint, dass man mit der bestehenden ärztlichen Belegschaft nicht auskommen kann. In erster Linie ist Minister Töchterle adressiert, in zweiter Linie die Stadt Wien.
Es muss schon klar sein, bevor sich hier alle darin einig sind, dass man die Verantwortung auf die Gemeinde Wien abschiebt, dass es Wien ist, das mit 37 Prozent der Kosten das AKH und die ärztlichen Leistungen indirekt finanziert. 33 Prozent des Budgets des AKH kommen aus dem Gesundheitsfonds, und das ärztliche Personal, das von der MUW bezahlt wird, beträgt demgegenüber lediglich 15 Prozent.
Also wenn man dann gleich damit droht, dass man 30 Prozent der Operationen herunterfährt, dann ist das schon äußerst kritikwürdig, vor allem, wenn man weiß, dass auch das zweite Argument nicht stimmt, das hier verwendet wird, nämlich dass man eine Leistungsausweitung bei einem gleichzeitigen Sinken des Personals geschafft hat. Es ist nämlich faktisch so, dass der Anteil der Betten im AKH im Vergleich zu anderen Häusern des Krankenanstaltenverbundes mit 19 Prozent gleichgeblieben ist, die LKF-Punkte aber um einen Punkt auf 25 Prozent gesunken sind. Dass man also mehr Leistungen erbringen muss mit weniger Ressourcen, ist schlicht und einfach unrichtig.
Man könnte aber, was die Ärzte und Ärztinnen im AKH betrifft, einen ganz anderen Vorschlag machen, und wir Grünen haben den schon wiederholt und nachdrücklich gemacht. Wir sind sehr davon überzeugt, dass die Ausweitung der Operationskapazitäten auf den gesamten Tag, also lange Tische bis in die Abendstunden, ein Teil der Lösung des Problems sind, dass es eine strikte Regelung braucht, was die Nebenbeschäftigungen betrifft, und dass Privatpatienten und -patientinnen in erster Linie im städtischen Spital und nicht auf der „Goldenen Meile" behandelt werden sollen. Wenn nun der Verein Rettet das AKH auftritt und meint, populistisch Spenden sammeln zu müssen, dann sollen sich die Herren und Herren und Herren und Damen einmal damit beschäftigen, was es heißt, in erster Linie für den eigenen Dienstgeber da zu sein und erst in zweiter Linie für die eigene persönliche Gewinnmaximierung.
Ich bin in dem Zusammenhang dann auch gleich bei der Ärztekammer angekommen. Es ist schon sehr interessant – und ich habe ja eingangs die Gesundheitskompetenz und die Lebensstilsituation als ganz wichtigen Faktor fürs Gesundbleiben erwähnt –, wie wenig sich die Wiener Ärztekammer hier stark macht für die entsprechenden innovativen Projekte. Wir wissen, wir haben Reform-Pool-Projekte, deren Leben ohnehin ein höchst mickriges ist, aber eines der allermickrigsten ist das Projekt „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff". Hier sollen niedergelassene Ärzte und Ärztinnen dazu veranlasst werden, Programme zu machen, dass diabeteskranke Patienten und Patientinnen sich in ein umfassendes Programm einklinken, mit dessen Hilf ihre Gesundheit möglichst zurückgewonnen wird.
Ich habe mir in der Gesundheitsplattform im dicken Wälzer die Zahlen angesehen, wie viel man mit diesem Projekt im heurigen Jahr im niedergelassenen Bereich erreicht hat. Da sind doch – und ich konnte meinen Augen nicht trauen – lediglich 352 nicht etwa Ärzte und Ärztinnen, nein, Patienten und Patientinnen in einem Jahr gewonnen worden, an diesem Programm teilzunehmen. Na, da sagt man, schwach anfangen, dafür stark nachlassen.
Der Herr Ärztekammerpräsident Dorner saß da, und ich habe ihn gebeten, uns zu erklären, warum es denn so ist, dass man da nichts erreicht. „Blame the victim" ist die Kurzfassung der Antwort. Er hat gesagt: Tut mir leid, die Leute wollen halt einfach nicht. Die gehen nicht zur Gesundenuntersuchung, und die kommen auch einfach nicht in dieses Disease-Management. Was sollen wir tun?
Ich hätte einen Vorschlag. Man könnte ein bisschen etwas anderes inserieren als das. (Die Rednerin hält eine Zeitungsseite in die Höhe, auf der eine nackte Frau abgebildet ist.) Seit mehreren Wochen lachen uns – sie lachen nicht einmal, schauen ängstlich – Nackedeis aus den Wiener Zeitungen entgegen, weil man der Bevölkerung mit diesen dreisten Bildern Angst vor ELGA machen wollte. Meine Kollegin Laschan hat dann den Herrn Präsidenten Dorner gefragt, warum er nicht, statt Geld in die Publikation von nackten Menschen zur populistischen Angsterzeugung zu investieren, zum Beispiel Werbung für das Projekt Disease-Management machen will. Der Herr Präsident Dorner ist die Antwort schuldig geblieben.
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