Gemeinderat,
39. Sitzung vom 24.11.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 75 von 130
Damen und Herren von der
Regierung!
Ich muss Ihnen sagen, dass die Sachen, die Sie hier
vorgeschlagen haben, in der Verkehrspolitik noch keine Verbesserung darstellen.
Ich möchte Ihnen auch sagen, dass wir eine Verkehrspolitik, und das richtet
sich auch gegen eine andere Oppositionspartei,
beginnen und endlich davon weggehen müssen, dass wir bei den
Verkehrsteilnehmern die „good guys“ und die „bad guys“ haben. Für die einen
sind die „good guys“ die Radfahrer und die „bad guys“ die Autofahrer. Für die
anderen sind die „good guys“ vielleicht die Autofahrer und umgekehrt die „bad
guys“ die Radfahrer. Damit muss, glaube ich, einmal Schluss sein. Diese Zeiten
haben sich geändert, wo wir sagen können, nur der eine Verkehrsteilnehmer ist
der richtige, der am Verkehr teilnehmen soll und der andere ist der falsche.
Wir brauchen einen guten Mix. Wir brauchen einen Mix für die Verkehrsteilnehmer
in Wien. Da gilt es bei den Radfahrermaßnahmen daran zu drehen, dass wir einen
entsprechend höheren Radfahranteil bekommen. Da ist die Wiener Stadt sehr weit
hinten. Es wurden schon die Zahlen, die aufgelistet wurden und die
unterschiedlichen Statistiken kritisiert. Dem kann ich nur zustimmen. Einmal
4 Prozent, einmal 5 Prozent. Aber es geht auch darum, wohin wir
wollen. Auch da werden die Pläne ständig verändert. Im Vergleich zu anderen
Städten liegen wir hier weit darunter.
Ich will uns nicht mit
Mittelstädten in Deutschland vergleichen, wo der Radfahranteil bei 30 bis
40 Prozent liegt. Eine Vervierfachung des Radfahranteils von heute wäre
überhaupt kein Problem, aber das alles nur unter der Bedingung der Sicherheit.
Das heißt auch, dass wir im Radverkehr darauf achten müssen, dass der
Radverkehr vor dem Fußgängerverkehr, vor dem Autoverkehr sicher ist. Der Mix,
alles auf einer Fahrbahn zu haben, wird wahrscheinlich nicht der Weisheit
letzter Schluss sein. Davon bin ich absolut überzeugt. Wir müssen uns weiterhin
um die Sicherheit der Radwege kümmern und nicht glauben, dass, wenn wir die
Radfahrer und die Autofahrer in einem Bereich zusammenbringen, sich dann
automatisch die Sicherheit verbessert. Das ist aus meiner Sicht jedenfalls zu
wenig, meine Damen und Herren!
Wir brauchen in dieser
Stadt einen öffentlichen Verkehr, der ein Sowohl-als-auch ermöglicht. Sie haben
es bei der 1er- und 2er-Linie gezeigt, dass Sie zwar ein grundsätzlich
richtiges Konzept verfolgen, nämlich in die Richtung, dass wir mehr
durchgängige Linien haben sollen, aber Sie haben das mit der Auflage an die
Wiener Linien getan, dass das nicht mehr kosten darf als die bisherigen
Ringrundlinien. Das kritisiere ich, meine Damen und Herren von der SPÖ!
Ich kritisiere, dass Sie
nach außen sagen, Sie investieren in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, aber
gleichzeitig gegenüber den Wiener Linien bei einer Änderung sagen, es darf nicht
mehr kosten. Das ist nicht glaubwürdig, vor allem, wenn wir dann eine Situation
mit Durchgangslinien haben, die auf Grund der Länge automatisch anfälliger
werden und das von vielen Leuten nicht so zufrieden angenommen wird, wenn sie
in eine solche Situation kommen, wo sie dann 20 Minuten auf einen 1er oder
2er warten müssen. Daher freuen wir uns, dass der Vorschlag von uns und auch
von anderen Oppositionsparteien angenommen worden ist, wieder eine
Ringrundlinie zu installieren, aber wir halten es für unbedingt notwendig und
für unabdingbar, dass diese Ringrundlinie in den Verkehrsverbund der Wiener
Linien eingeschlossen ist. Wir halten es für notwendig, dass wir hier keinen
eigenen Tarif haben. Es ist aus meiner Sicht vollkommen unmöglich zu sagen, jeder,
der in Zukunft die Ringrundlinie ab kommende Ostern verwendet, hat dafür
15 EUR zu zahlen. Meine Damen und Herren, das stelle ich mir nicht von
einer Sozialdemokratischen Partei vor, dass das der Vorschlag für eine
sozialdemokratisch regierte Stadt ist! Das müssen Sie den Menschen erst einmal
erklären, dass sie in Zukunft 15 EUR zahlen müssen, wenn sie mit
der Straßenbahn rund um den Ring fahren! Da rächt sich Ihre Politik dann von
selbst! (Beifall bei der ÖVP.)
Das alles, meine Damen und
Herren, wenn wir gleichzeitig seit 1969 einen Verlust von 34 km
Straßenbahn haben, wo andere Städte den Straßenbahnausbau entsprechend
vorantreiben, wir aber den Straßenbahnausbau reduzieren. Wir versuchen uns
immer gerne mit anderen Städten zu vergleichen und zu sagen, wie gut wir sind.
Wir sind im Straßenbahnausbau grundsätzlich sehr gut, aber ich glaube, es ist
keine Zeit dafür, ihn zu verkleinern. Ganz im Gegenteil, es gibt einige Punkte,
wo man ihn verbessern kann. Was mir fehlt, wenn es um interessante Ideen geht, die
sich in anderen Ländern sehr gut verwirklichen haben lassen, ist die Geschichte
des „open space“ im Verkehrsraum, das in Wien einmal in einem Bereich
auszuprobieren, vielleicht in einem Stadterweiterungsgebiet, am ehemaligen
Flugfeld Aspern, zum Beispiel. Warum probieren wir das nicht einmal? Warum
schauen wir uns das nicht einmal an, Zukunftsprojekte, die in anderen Städten
positiv funktioniert haben, die in anderen Städten einen Erfolg gehabt haben,
wo wir alle Verkehrsteilnehmer gleichrangig zulassen und dabei den Verkehr
ausprobieren, natürlich in einem begrenzten Raum, nicht im innerstädtischen
Bereich? Aber in einem begrenzten Raum wäre das einmal eine Chance und das
würde ich sehr begrüßen, wenn Sie auch so neue Dinge einmal zulassen würden,
die Zukunft in die Verkehrspolitik Einzug halten zu lassen.
Wir wollen die Nachrüstung der
alten Straßenbahngarnituren, nämlich der E1. Da zeigt sich auch, wie Sie Ihre
Prioritäten nicht richtig setzen. Wir haben das schon öfters kritisiert und
schon öfters dargestellt. Man muss sich das wirklich vorstellen, dass es
Straßenbahngarnituren gibt, die keine Rückspiegel haben, und das allein auf
Grund der Tatsache, weil die sozialdemokratisch regierte Gewerkschaft bei den
Wiener Linien den Fahrern helfen möchte, damit es keine Haftungsfälle gibt,
wenn es zu einem Unfall kommt, weil der Fahrer es dann ja nicht gesehen haben
konnte, da es keinen Rückspiegel gibt. Ich glaube, dass diese Denkweise so
antiquiert ist, dass es nicht heute, sondern schon längst, vorgestern, Zeit
gewesen wäre, Schluss damit zu machen. (GRin
Ingrid
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular