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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 30.10.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 57 von 106

 

der durchaus sinnvollen Tätigkeit, an der Börse Investitionen für Unternehmen zu lukrieren, innerhalb der letzten fünf Jahre in einem diese Investitionstätigkeiten dramatisch übersteigenden Ausmaß mit Derivaten, Wettscheinen, Optionen gehandelt. Man muss sich das einmal überlegen: Die Realwirtschaft ist an der Börse maximal noch mit einem Prozent aller gehandelten Umsätze vertreten. Alles andere sind Finanzgeschäfte und Wetten, und es ist in den letzten Jahren nur mehr um die Frage gegangen – und deshalb verwundert die Blase, die zusammengebrochen ist, nicht –: Wie finde ich den nächsten Deppen, der mir meine Papiere, die ich teuer gekauft habe, noch teurer abkauft? Ich bitte, mir jetzt keinen Ordnungsruf zu erteilen, ich meine das zitierend! Darum ist es letztendlich gegangen, und ich denke, eine Lehre aus dieser Situation müsste sein, dass man den Finanzmarkt dramatisch reguliert.

 

Jetzt komme ich, weil ich glaube, dass es hier nicht notwendig ist, eine Wirtschaftsdebatte im großen Stil abzuhalten, tatsächlich zu den heutigen Ereignissen und dem Bankenpaket, und dann widme ich mich dem Konjunkturpaket für Wien. – Ich weiß nicht, wer von Ihnen das heute schon mitbekommen hat: Die Erste Bank nimmt 2,7 Milliarden EUR aus dem Bankenpaket in Anspruch. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit daran, dass, als es darum gegangen ist, die Krankenanstalten zu sanieren, die das Geld wirklich gebraucht hätten, sich der Finanzminister quergelegt hat. Oder denken wir daran, was uns im Rahmen der Pensionsvorsorge erzählt wird, dass diese nicht gesichert sei und wir doch in Aktien investieren mögen. – Es wäre schön, wenn Karl-Heinz Grasser jetzt mit den Verlusten der Pensionsfonds, die auf Aktien aufbauen und im Zusammenhang mit denen Millionen von Menschen – selbst in Österreich sind es schon eine Million Menschen – hineintheatert wurden, konfrontiert wäre und wenn Grasser die Verluste begleichen müsste. Leider wird das nicht der Fall sein!

 

Jetzt aber kommt die Erste Bank und sagt: Wir hätten gerne 2,7 Milliarden EUR! – Und die Bundesregierung ist nicht einmal imstande sicherzustellen, dass man für die 2,7 Milliarden EUR – und ich habe es heute schon einmal gesagt, dass das 60 Prozent des Wertes sind, den die Erste Bank mit heutigem Tag repräsentiert – auch nur einen einzigen Stimmrechtsanteil erhält. Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, der Erste Bank wirklich vorzuschreiben, dass die Managergehälter gekürzt werden. Ganz im Gegenteil: Die Erste Bank darf jetzt sagen: Wir machen heuer einen Gewinn. Wir stehen hochweis da! Und jetzt kommt die Chuzpe schlechthin: Man nimmt sich 2,7 Milliarden EUR vom Staat und sagt dann: Wir zahlen heuer auch noch eine Dividende aus. – Wo sind wir denn? Ist es wirklich so, dass wir das Geld gestohlen haben?

 

Ich sage jetzt auch zu Ihnen, liebe KollegInnen von der ÖVP: Ich würde mir wünschen, wenn da von euch wirklich eine geharnischte Presseaussendung kommt! Es ist notwendig, wenn die Banken wirklich in Not geraten sind, weil es um das Geld vieler Sparer und Sparerinnen und um viele kleine und mittlere Unternehmen geht, dass man die Banken nicht einfach hängen lässt. Das brächte uns allen nichts und würde die Krise verschärfen. Es ist aber unanständig und unseriös, sich von einem Erste Bank-Chef vorführen zu lassen, der sagt: Uns geht es gut, eigentlich brauchen wir das nicht, wir nehmen es aber trotzdem und zahlen eine Dividende aus! In einem solchen Fall müsste die Bundesregierung sagen: Liebe Banken, so nicht! So etwas habe ich jedoch nicht gehört, und das ist wirklich bedauerlich! Bleibt die Frage: Wie schaut die reale Situation aus?

 

Einen leichten Seitenhieb kann ich mir jetzt nicht verkneifen: Ich habe ein bisschen das Gefühl, die Erste Bank geht mit ihrer wirklichen wirtschaftlichen Situation genauso um wie möglicherweise die Stadt Wien, wenn sie nicht wirklich bekannt geben möchte, inwieweit sie davon betroffen ist. Bei der Erste Bank ist es allerdings wahrscheinlich noch viel schlimmer. Wir alle kennen das Engagement der Erste Bank oder von Raiffeisen in Osteuropa, und da geht es jetzt nicht darum, eine Bank schlechtzureden.

 

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, Kollege Aichinger: Ich halte das Engagement in Osteuropa für durchaus sinnvoll. Wenn es jetzt jedoch darum geht, was in Osteuropa geschieht und wie man den Banken helfen möchte, dann müssten die Karten auf den Tisch gelegt und müsste tatsächlich offengelegt werden, wie das Engagement in Rumänien, in Ungarn, in Südosteuropa, in Serbien, in Kroatien, in der Ukraine und in Weißrussland tatsächlich ist. Das sind ganz wichtige Punkte, denn nur wenn Teile dieser Länder in noch gröbere Finanzmarktschwierigkeiten und Liquiditätsschwierigkeiten kommen – und es sieht so aus, als ob dies der Fall wäre –, dann bekommen die Erste Bank und Raiffeisen relativ große Probleme. Ich gebe zu, über das Osteuropageschäft der Bank Austria weiß ich weniger Bescheid, aber auch die Bank Austria hat sich vornehmlich nach Osteuropa ausgerichtet.

 

Diese Art des Kassensturzes darf man sich erwarten, und im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Bankenunterstützungsmaßnahmen muss man sich einmal überlegen, ob jetzt nicht der Zeitpunkt dafür wäre, jetzt einmal eine Zeit lang die betroffenen Bankaktien von der Börse auszusetzen. Es erschüttert mich nämlich am meisten, dass in dieser Hinsicht nichts unternommen wird. Während in aller Welt Hilfspakete geschnürt werden, geht die Zockerei an den Börsen munter weiter! In den USA wurden tatsächlich neben dem ersten Hilfspaket über 700 Milliarden Dollar mittlerweile drei weitere in einer Größenordnung von noch einmal 650 Milliarden Dollar geschnürt, und Ähnliches geschieht auch in Frankreich, Deutschland und Österreich. Während aber diese Pakete geschnürt werden und greifen, wird an den Börsen weiter gezockt und geht die Umverteilung der Gewinne weiter.

 

In Anbetracht dessen verstehe ich nicht, dass kein größerer Aufschrei durch die politischen Parteien dieses Landes geht und man sagt: Ja, wir sind bereit zu helfen, aber wir wollen nicht, dass die Zocker daran verdienen. Wir setzen die Börse aus. Wir schauen uns die Banken

 

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