Gemeinderat,
33. Sitzung vom 08.05.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 89
Prävention ist und was wir tun können, um vorzubeugen, damit es nie mehr zu Ereignissen wie in Amstetten kommt, dass es aber auch viel seltener zu Vorfällen wie den Abertausenden kleinen Tragödien des Alltages kommt, die sich in den benachbarten Wohnungen abspielen.
Darauf sollten wir den Schwerpunkt in der Debatte
legen, und genau in solche Maßnahmen sollten wir investieren. Wenn nämlich
drakonische Strafen beziehungsweise sozusagen Strafen biblischen Ausmaßes
gefordert werden – ich denke jetzt etwa an die Vorstellungen des Herrn
Westenthaler bezüglich chemischer Kastration –, dann fühle ich mich
sozusagen zurückversetzt, ich sage jetzt einmal: Back to the future.
Solche Vorgangsweisen haben meiner Meinung nach
erstens nicht viel mit Prävention zu tun, denn sie greifen bekanntlich im
Nachhinein, und zweitens sind drakonische Strafrahmen auch im Sinne des
Opferschutzes bedenklich. Auch wenn sie unter Umständen gut gemeint sein mögen,
bedeuten sie nämlich, dass in vielen Fällen die Opfer von Vergewaltigungen
umgebracht werden. Das wollte ich auch einmal gesagt haben.
Viele Expertinnen und Experten und auch die
Richtervereinigung warnen vor solchen Maßnahmen. Viele Menschen, die sich
diesbezüglich auskennen, haben sich zu Wort gemeldet und haben erklärt, dass
drakonische Maßnahmen in diesem Zusammenhang nicht der Weisheit letzter Schluss
sind. Die Verschärfung des Strafrahmens für eine Vergewaltigung à la Rübe ab,
ab ins Gefängnis, nie mehr das Tageslicht erblicken und ähnliche Maßnahmen sind
aus dem simplen Grund kontraproduktiv, als solche Strafrahmen bedeuten, dass in
der Regel die Anzahl der toten Frauen nach Vergewaltigungen steigt. Wenn
nämlich der Täter sozusagen den Unterschied nicht sieht und sowieso mit
Lebenslänglich rechnen muss, falls er erwischt wird, dann sorgt er in der Regel
dafür, dass er keine Zeugen zurücklässt.
Eine ähnliche Debatte hatten wir anlässlich des
tragischen Falles des kleinen Buben, der vor Kurzem zu Tode misshandelt wurde.
Sie werden sich an den Fall Luca erinnern können. Anlässlich dieses Falls
entzündete sich eine ähnliche Debatte, nämlich betreffend Anzeigepflicht für
Hausärzte. Auch in diesem Zusammenhang hat man gesagt, dass es zwar gut gemeint
sein kann, dass es aber dennoch dazu führen kann, dass noch weniger Kinder
jemals in eine Arztpraxis gebracht werden.
Ich glaube, so erschüttert wir jetzt auch sowohl über
den Tod des Herrn Natschläger als auch über die ganze Tragödie in Amstetten
sind, dass Anlassgesetzgebung ganz schlecht ist! Das ist eine schlechte Idee!
Die Empörung und die Erschütterung, die wir alle in den ersten Wochen
empfinden, ist ganz bestimmt ein schlechter Ratgeber. Es kommt ja nicht von
ungefähr und macht Sinn, dass unsere Rechtssysteme gewachsen sind. In diesem
Zusammenhang sollten Expertinnen und Experten, die solche Dinge aus der
Vogelperspektive mit sehr viel Wissen und nicht emotional betrachten,
Vorschläge unterbreiten. Diesen Vorschlägen sollten wir uns anschließen, und
wir sollten das Ganze nicht sozusagen zu einem Jahrmarkt verkommen lassen, auf
dem nach dem Motto „Wer bietet mehr?" jeder noch mehr und noch strengere
Strafen fordert. – Das ist zwar populär und einfach, aber ich fürchte, das
löst nichts!
Lassen Sie mich noch zwei kurze Anmerkungen zu zwei
weiteren Anträgen der ÖVP machen, bevor ich zum Schluss komme.
Es gibt da einerseits einen Antrag der ÖVP betreffend
Einführung eines eigenen Straftatbestandes Zwangsehe und weitere rechtliche und
praktische Unterstützungsmöglichkeiten der Opfer von Zwangsehen. Liebe
Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Ich verstehe den Antrag betreffend
Einführung eines eigenen Straftatbestandes deshalb nicht, weil es diesen
ohnedies schon seit Längerem gibt. Das heißt, Sie beantragen hier etwas, was es
bereits gibt. Daher fällt es uns natürlich schwer zuzustimmen, denn da würden
wir ja so tun, als ob es das noch nicht gäbe und erst gemacht werden müsste.
Im Hinblick darauf möchte ich Sie ersuchen: Beantragen
Sie nicht gesetzliche Regelungen, die es ohnedies schon gibt, es sei denn, Sie
können uns irgendwie nachweisen, dass es das noch nicht gibt. Es gibt diesen
Straftatbestand. (Zwischenruf von GR Dr Wolfgang Ulm.) Es hat vor
Kurzem ... (Zwischenruf von GRin Mag Barbara Feldmann.)
Ich kann Ihnen nur sagen: Schauen Sie sich das noch
einmal an! Ich bin selbstverständlich dafür, dass so etwas geahndet wird und
dass Täterinnen und Täter auch hinterher mit Konsequenzen zu rechnen haben.
Im Übrigen hat jemand gemäß dem österreichischen
Rechtssystem, wenn er nicht die österreichische Staatsbürgerschaft hat und
verurteilt wird, damit zu rechnen, dass er oder sie hinterher nicht
eingebürgert werden kann. Das ist bereits jetzt rechtlich so geregelt. Außerdem
muss man auch damit rechnen, dass ab einem gewissen Strafrahmen auch die
Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verlängert wird oder manchmal unmittelbar
nach Verbüßung der Strafe ein Aufenthaltsverbot verhängt wird.
Das heißt, es gibt das, was Sie fordern, bereits. All
das gibt es, und daher können wir, wie gesagt, unsere Zustimmung hiezu nicht
erteilen. Wir sehen nicht ein, warum wir Dinge beantragen sollen, die es
bereits gibt, und warum wir diese noch einmal beschließen sollen.
Ich möchte hingegen noch einmal in Erinnerung rufen,
dass es in dieser Stadt keine spezialisierte Unterbringungs- und
Betreuungseinrichtung für Mädchen gibt, die von Zwangsehen betroffen sind, und
an dieser Stelle einmal mehr die grüne Forderung bekräftigen. Es ist sehr gut,
dass wir Frauenhäuser haben. Wir brauchen jedoch auch Häuser, die auf solche
Fälle spezialisiert sind, also die Schaffung spezialisierter
Unterbringungseinrichtung für Mädchen, die von Zwangsehen betroffen sind, wie
immer Sie diese letztlich benennen möchten.
Außerdem gibt es noch einen Antrag
betreffend Verschandelung von öffentlichen und privaten Gebäuden durch
Schmieraktionen. Es ist dies ein Antrag auf
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular