Gemeinderat,
14. Sitzung vom 20.11.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 108
und in der
Weltgeschichte herumgondeln. Da gibt es so schöne Sprüche: Twin City
Wien-Preßburg, Review 2005, Stadtaußenpolitik und wie die Phrasen alle
heißen. Darüber haben Sie serienweise Hochglanzprospekte verfasst und
herausgegeben, etwa mit Fotos des ordensbehangenen Herrn Nettig, wie er gerade
einen Orden im Waldorf=Astoria erhält. Da reisen Delegationen nach Bulgarien,
China, Israel, Japan, Rumänien, in die Türkei und nach Ungarn. Herr Kollege! Da
finden Sie fast alle Buchstaben des Alphabets, von Afghanistan – man
höre! – bis Zypern! – Bleiben Sie nur da, es kommen noch ein paar
interessante Stücke!
Hochglanzprospekte
werden – wie gesagt – gedruckt, es kommt zu Ordensübergaben, und es
gibt Gastgeschenke, Wien-Bälle von Mailand bis Moskau werden mitfinanziert, die
Stadträte und ihr Umfeld aus der Spitzenbürokratie tummeln sich in aller Welt,
meine Damen und Herren, und zwar natürlich auf unsere Kosten.
Dazu
kommen dann die entsprechenden Gegenbesuche, die noch viel teurer sind, denn da
muss man alles bezahlen, einschließlich Hotels, Autos und Empfänge. Natürlich
kann man so auch die Gastronomie in Wien fördern! Ein Wunder, dass dann
überhaupt noch Zeit bleibt für die vielen Eröffnungen, Einladungen und Ehrungen
in Wien! Aber mit vollem körperlichen Einsatz schaffen es die
Spitzenfunktionäre doch noch, mit Mausi Lugner, Jeannine Schiller oder Birgit
Sarata in den „Seitenblicken" aufzutreten.
Die Kosten
für das Ganze werden dann elegant unter verschiedensten Budgetposten verbucht,
damit man sie ja nicht wirklich nachvollziehen kann. Eine echte Aufstellung des
Repräsentationsbudgets wäre ein großer Fortschritt in der Budgetierung der
Stadt und würde für mehr Wahrheit sorgen! Aber das wäre natürlich ein Problem,
denn dann könnte ein Genosse Pensionist irgendwo im Gemeindebau auf die Idee
kommen, die Beträge mit seinem Mindesteinkommen und mit dem besagten
Heizkostenzuschuss zu vergleichen. Vielleicht hätte die Seniorenbeauftragte der
Stadt Wien auf die Idee kommen können, diesbezüglich aktiv zu werden und bei
einer ihrer Studienreisen, zum Beispiel in die Niederlande, zu schauen, wie man
das verbessern könnte!
Meine Damen und Herren von der SPÖ! Auch wenn Sie,
die hier sitzen, es vielleicht nicht wissen: Eine nicht besonders aufwendige
Essenseinladung ins Sacher kostet so viel, wie zwei bis drei Pensionisten von
unserer beantragten Heizkostenerhöhung für einen ganzen Winter bekommen hätten.
Drei Leute – ein Essen im Sacher! Das ist die Realität, aber das haben
Ihre Spitzengenossen in den Penthäusern und auf der Terrasse des Do & Co
schon längst vergessen, meine Damen und Herren von der SPÖ!
Ich möchte Ihnen nur ein paar Beispiele bringen, weil
ich sehe, dass heute auch der eine oder andere Bezirksvorsteher da ist, wenn
auch meiner leider nicht. – Ich zitiere Bezirksvorsteher Wurm aus dem
23. Bezirk, von der SPÖ, das sage ich für die, die es nicht wissen
sollten: „Dem reichsten Prozent der Bevölkerung gehört ein Drittel des
Gesamtvermögens, das zweite Drittel gehört 9 Prozent, und das dritte
Drittel teilen sich über 90 Prozent der Menschen, und diese Kluft wächst
weiter, und in den letzten Jahren hat sich dieser Trend noch wesentlich
verstärkt. Im Mittelpunkt stehen nicht die Menschen und ihre Bedürfnisse,
sondern die Gewinne der Konzerne und ihrer Aktionäre, und die Aktien steigen.“
Jetzt gehen wir in die rote Praxis hinein. Schauen
wir uns den nadelstreifroten Ex-Finanzminister Androsch an, der ganz engagiert
für verhaftete Spielautomatenmanager eintritt. Warum? – Weil er daran
selbst recht gut verdient!
Die frühere SPÖ-Hoffnung und heutige
Siemens-Managerin, die „Frau Tausender Ederer", hat auf einmal kein
Verständnis mehr für Streiks. Vor dem Schreibtisch und hinter dem Schreibtisch
schaut es anders aus, auch für ehemalige Sozialdemokraten!
Auch den ehemaligen SPÖ-Nationalratsabgeordneten
Kaufmann berühren die Lärmprobleme seiner früheren Wähler durch den Flughafen
Wien überhaupt nicht. Und der rote Staatssekretär Ruttenstorfer freut sich über
jede Benzinpreiserhöhung, weil er davon profitiert. – So schaut es in der
Praxis bei den ehemals so engagierten Roten aus! Von mehr Gerechtigkeit ist
keine Rede!
Jetzt kommen wir wieder zurück zu der zwar nicht
immer, aber in vielen Fällen sinnlosen und exzessiven Reisepolitik und
Geldverschwendungspolitik, die sich ja nicht nur auf die Ebene des Landes
beschränkt. Die Bezirke sind nämlich auf dem besten Weg, diesen Unsinn
mitzumachen. – Ich bin jetzt wieder bei meinem Bezirksvorsteher in Liesing,
der sonst nicht durch übertriebene Aktivitäten im Bezirk auffällt. Aber er
betreibt Bezirksaußenpolitik. Erst haben wir Bundesaußenpolitik gehabt, dann
Landesaußenpolitik, und jetzt gibt es die Bezirksaußenpolitik. Und da wird
unter anderem von einer Ausstellungseröffnung in Montenegro berichtet: Über
Einladung der Stadt Ulcinj und des Ministers Hajdinaga nahm Bezirksvorsteher
Wurm die Eröffnung einer Ausstellung mit vergrößerten Fotos vor. – Dafür
fährt er nach Montenegro auf unsere Kosten! – Wörtlich: „Wurm
beglückwünschte die anwesenden Bewohner zum freien und selbstständigen Staat
Montenegro. Es war eine richtige Entscheidung für dieses schöne Land.“ –
Also: Die Montenegriner werden sich narrisch gefreut haben, dass Liesing ihre
Unabhängigkeit bestätigt hat, aber auf unsere Kosten!
Was Herr Wurm, ausgerechnet der rote Vorsteher, in
den Crna Gora, den Schwarzen Bergen, wollte, bleibt in Wirklichkeit
unverständlich! Aber er hat dafür das Ensemble „Treinta Cuerdas“ – so
ähnlich spricht es sich wohl aus – mitgenommen. Die haben dort albanische
Lieder gesungen. Da hat ihm sein Bezirksaußenministerium nicht gesagt, dass die
Montenegriner gewisse Probleme mit den Albanern und ihrer Minderheit in diesem
Raum haben! Aber so schaut es halt aus, wenn man Grätzl-Außenpolitik betreibt,
und all das auf unsere Kosten!
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