Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 83 von 118
wichtig, die Schulstandortfrage eng mit der
Stadtentwicklung zu koppeln. Nur dort, wo der soziale Wohnbau entsprechend auf
ganz Wien verteilt wird, ist es auch möglich, zu einer vernünftigen
Schulpolitik zu kommen.
Frau Vizebürgermeisterin! Uns geht es daher um
Zusammenarbeit und Vernetzung hier im Rathaus. Wir haben ja anlässlich der WM
schon so einen eigenartigen Kooperationsvertrag der Magistratsabteilungen
beschließen müssen. Wenn es im Schulbereich auch so eine Kooperation braucht,
sind wir gerne dabei, stimmen da auch gerne dafür, wenn es notwendig ist, dass
Magistratsabteilungen und Stadtschulrat besser miteinander zusammenarbeiten. (Beifall
bei der ÖVP.) Im Sinne unserer Kinder soll uns jede Kooperation recht sein,
jede Zustimmung recht sein.
Gehen wir also davon aus, dass Kinder und Jugendliche
ein Recht auf einen individualisierten Unterricht haben. Und gehen wir davon
aus, dass jedes Kind gleichermaßen integriert werden soll, seien es
Teilqualifizierungen, die es zu fördern gilt, seien es die speziellen
Begabungen, die es zu fördern gilt. Aber was sagen Sie dazu, dass die Mütter
und Väter behinderter Kinder oder von Kindern mit einem sonderpädagogischen
Förderbedarf viermal in die Schule und zurück fahren müssen? Wie finden Sie
das, dass hier die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht möglich ist? Ist
das fair, dass jene, die unsere Unterstützung am meisten nötig haben, ihre
Kinder mittags abholen und am Nachmittag hinbringen müssen, nur weil die
Gemeinde sich das Mittagessen und die Betreuung während der Mittagszeit nicht
leisten kann?
Das ist keine Politik, die wir uns im sozialen
Bereich vorstellen. Das ist keine Politik im Sinne eines sonderpädagogischen
Förderbedarfs. Das ist keine Politik, die gewährleistet, dass jene, die unsere
Unterstützung brauchen, auch die Unterstützung bekommen.
Überhaupt ist feststellbar, dass immer mehr
verhaltenskreative Kinder für den sonderpädagogischen Förderbedarf angemeldet
werden. Auch hier fehlen klare Kriterien, auch hier fehlen wissenschaftliche
Begleitstudien. Es wird nur lapidar gesagt: Mit dem Prozentsatz kommen wir
nicht aus - obwohl er eigentlich unter einem sozialdemokratischen Minister
beschlossen wurde. Es mag sein, dass es jetzt einen Grund dafür gibt, dass
verhaltensauffällige Kinder einen höheren Betreuungsaufwand brauchen. Aber
sehen wir das auch im Zusammenhang mit den Sparmaßnahmen in der
Jugendwohlfahrt, die im Rechnungsabschluss dokumentiert sind!
Wenn Sie die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter
im Jugendamt einsparen, dann muss Ihnen das Personal am Standort in der Schule
fehlen. Denn dann brauchen Sie ganz einfach Lehrerinnen und Lehrer, die das
ersetzen, was eigentlich die Aufgabe des Jugendamtes wäre. Daher kommen Sie
auch auf die hohe Zahl, dass bis zu 25 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer
nicht nur in der Löwelstraße, die ja protokolliert ist, sondern auch in der
Nachmittagsbetreuung, auch im sonderpädagogischen Förderbedarf, eingesetzt sind
für Bereiche, die eigentlich Aufgabe der Gemeinde wären, Aufgabe der Gemeinde
im Bereich der Jugendwohlfahrt, des Jugendamtes, der Sozialarbeit.
Wir werden daher noch einmal fordern, dass jede
Schule einen Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin bekommt und dass in
enger Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Schule und Elternhaus sichergestellt
wird, dass Kinder und Jugendliche am Unterricht teilnehmen. Wir haben eine
wachsende Anzahl an Jugendlichen, die nicht am Unterricht teilnehmen, obwohl
sie schulpflichtig sind. Das sind jene Jugendlichen, die besonders von
Jugendarbeitslosigkeit bedroht sind, weil sie in der Regel keine über die
Pflichtschule hinausgehende Ausbildung mehr absolvieren.
Es muss daher unsere Verantwortung und Aufgabe sein,
die Schulen sozialarbeiterisch so zu unterstützen, dass sie die pädagogischen
Aufgaben wahrnehmen können und das Jugendamt sicherstellt, dass die
Schulpflicht tatsächlich eingehalten wird. Was aber hören die Lehrerinnen und
Lehrer, wenn sie sich ans Jugendamt wenden? Sie sehen ein Achselzucken, und
dann sagen ihnen die Sozialarbeiterinnern und Sozialarbeiter im Jugendamt: Wir
haben zu wenig Personal, dafür sind wir nicht zuständig, das können wir nicht,
laden Sie eben die Eltern vor! - Aber Eltern, die nicht sicherstellen, dass die
Schulpflicht eingehalten wird, lassen sich auch nicht vorladen. Das heißt, hier
hat die Behörde tätig zu werden und ihre Aufgabe wahrnehmen.
Sozialarbeit ist unangenehme Arbeit, keine Frage. Es
geht darum, auch für jene, die an Bildung nicht interessiert sind, sicherzustellen,
dass die Jugendlichen Chancen haben. Aber dafür braucht es auch das
entsprechende Personal im Jugendamt und nicht einen Rechnungsabschluss, der uns
aufzeigt, dass dort schon wieder Personal gekürzt wurde. Sichern Sie die
Sozialarbeiter für jeden Schulstandort, dann werden Sie einen viel höheren
Output und eine viel bessere Durchlässigkeit im Pflichtschulbereich haben!
Ich möchte noch einmal auf die Statistik verweisen,
wonach 70 Prozent der Arbeitssuchenden in Österreich, die keinen über die
Pflichtschule hinausgehenden Abschluss haben, hier in Wien sind, obwohl Wien
gerade 19 Prozent der Bevölkerung hat. Daran sehen Sie, dass es das
Dreifache in Wien ist, weil eben ganz einfach die Schulqualität fehlt und die
Schulpolitik versagt hat. Wie lange wollen Sie dieser Stadtschulratspräsidentin
noch zuschauen? Ich gebe schon zu, Sie haben viel zu tun. Aber Sie brauchen
auch jemanden, der Sie entsprechend vertritt und dem Sie vertrauen können.
Diese Stadtschulratspräsidentin wird Ihnen keine große Stütze sein.
Daher hoffe ich, dass wenigstens Sie die
entsprechenden Maßnahmen im nächsten Jahr setzen werden und dass sich diese
Debatte um den Rechnungsabschluss nicht noch einmal wiederholen muss, sondern
dass wir im nächsten Jahr das gemeinsame Angebot von 22 Schülerinnen und
Schülern pro Klasse realisiert haben. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau GRin Yilmaz. -
Bitte.
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