Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 82 von 118
Uns ist es ernst damit. Wir haben nicht nur mit Expertinnen und Experten geredet, wir haben auch mit den Lehrerinnen und Lehrern geredet. Alle Schulstandorte versichern uns: Wenn dieses Kontingent am Schulstandort ankommt, dann ist eine qualitativ wertvolle Bildungsarbeit möglich.
Aber es geht auch um die Integrationspolitik. Auch
hier musste erst einmal der Bund einspringen, bevor Sie die entsprechenden
Maßnahmen auf Landesebene und Gemeindeebene gesetzt haben. 17 Prozent der
Schuleinschreiber können der Unterrichtssprache Deutsch nicht folgen;
80 Prozent dieser 17 Prozent sind hier bereits in der zweiten und
dritten Generation aufgewachsen. Daher wird hier der Mangel an Schulqualität
sichtbar, wenn die zweite und dritte Generation immer noch nicht ausreichend
der Unterrichtssprache Deutsch folgen kann.
Wir alle wissen, dass im dritten Lebensjahr die
Spracherwerbsförderung am besten greift. Was liegt daher näher, als gerade im
Sinn einer erfolgreichen Integrationspolitik sozial adäquate Kindergartenpreise
anzubieten und dort den Spracherwerb frühzeitig zu fördern? Wir fordern nach
wie vor das letzte Kindergartenjahr gratis, treten aber auch dafür ein, dass
der Kindergarten eine Bildungseinrichtung ist und Sie die entsprechenden
Maßnahmen setzen.
Ich sage Ihnen gerne, was bezüglich der
Kindergartenpreise immer wieder kommt. Ihre Tarife sind so hoch, dass uns die
Familien versichern, sie können sich einen Wiener Kindergarten nicht leisten. (Beifall
bei der ÖVP.) Das ist der Grund, warum er nicht besucht wird. Denn wenn Sie
bereits bei einem Familieneinkommen von 2 200 EUR brutto - meine
Damen und Herren, da wird gleich alles noch hineingerechnet - von einem
besonders hohen Familieneinkommen reden, dann haben wir offensichtlich
unterschiedliche Sozialvorstellungen von dem, was das Mindesteinkommen sein
soll.
Die Kindergartenpreise sind zu hoch. Sie jammern über
Studiengebühren, aber fast einen Semesterbetrag kostet schon ein Monat in einem
Kindergarten, rund um die Uhr betreut. Also reden wir einmal über die
Kleinsten, reden wir über entsprechende Bildungskonzepte, die einen natürlichen
Spracherwerb fördern und ermöglichen, dass 100 Prozent der Kinder zum
Zeitpunkt der Schuleinschreibung entsprechend über Deutschkenntnisse verfügen,
um die gleichen Chancen im Unterricht zu haben.
Aber reden wir auch darüber, was jetzt mit diesen
Sprachgutscheinen passiert ist. Alle Lehrerinnen und Lehrer, die ich befragt
habe, sind darüber höchst verunsichert, dass die Vorlaufgruppen, die gut
funktioniert haben, zerschlagen wurden und nicht funktionierende neue Kurse
gestartet wurden. Das heißt, die 80 EUR pro Kind waren Ihnen so wichtig,
dass Sie lieber Funktionierendes zerschlagen haben, um ja das Geld pro Kind zu
bekommen. Offensichtlich geht es jetzt im Rahmen der Integrationspolitik auch
schon darum, bei den Kindern zu verdienen, um ein defizitäres Budget zu
sanieren. (Beifall bei der ÖVP.)
Aber die Zukunft liegt in unseren Kindern, und daher
ist es wichtig, dementsprechend die Sprachkurse so zu organisieren, dass sie
auch funktionieren. Darunter verstehe ich, dass folgendes Ergebnis festgehalten
wird: Welche Einstufung im Sinne eines Sprachenportfolios haben die Kinder? Das
gehört heute zum europäischen Standard und ist eine der Bildungsaufgaben in der
gesamten EU: Ein Sprachenportfolio pro Kind, pro Jugendlichem zu erstellen, in
dem die Kompetenz sowohl in der Muttersprache als auch in der Zweitsprache
festgehalten wird, darauf aufbauend die Fördermaßnahmen zu definieren und diese
zu evaluieren.
80 EUR sind nur als Impuls gedacht. Aber die
Verantwortung für die Integrationsarbeit liegt bei Ihnen. Hier ist es
notwendig, den Kindern frühzeitig, ab dem dritten Lebensjahr, die Möglichkeit
zu geben und spätestens ab dem fünften Lebensjahr sicherzustellen, dass mit
einer entsprechenden Ausbildung tatsächlich ein Jahr später der Unterricht
erfolgen kann.
Aber was tun Sie? Die Schuleinschreibung darf nur vom
Jänner auf den Dezember verlegt werden, denn damit kann ich ja wiederum
verhindern, dass Kinder wirklich Deutsch können, bevor sie starten. (GR
Jürgen Wutzlhofer: Das wollen wir? - Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Als
einziges Bundesland ist Wien nicht in der Lage, die Schulreife ein Jahr
früher zu stellen. Also schulen Sie Ihre Schulpsychologen nach, damit die
dasselbe können, was sie in allen anderen Bundesländern längst schon können!
Sonst werden wir den Bund auffordern müssen, entsprechende
Qualitätssicherungsmaßnahmen seitens der Schulpsychologie auch in Wien
sicherzustellen.
Es soll im Rahmen der neuen Pädagogischen Hochschulen
nicht daran scheitern, dass entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen angeboten
werden. Ein Jahr vorher heißt, ein Jahr Zeit zu haben, um Kinder ohne Stress in
die Schule einzugewöhnen. Aber es gibt auch noch die Vorschulgruppe. Die darf
in Wien ebenfalls nicht eingerichtet werden, auch wenn Lehrerinnen und Lehrer
den Eindruck haben, dass dies eine wichtige pädagogische Maßnahme wäre. Sie
bekommen für jedes Vorschulkind genauso die Ressourcen zur Verfügung gestellt.
Aber es passt eben nicht in Ihr pädagogisches Konzept, Sprachförderung und
Integrationsförderung frühzeitig zu schaffen.
Kommen wir aber nun zu dem Thema:
Wie viel Förderbedarf in einer Klasse ist bewältigbar? Die derzeitige
Sozialpolitik und Wohnungspolitik sieht vor, dass es Schulstandorte gibt, in
denen bis zu 80 Prozent der Kinder in einer Schulklasse einen besonderen,
außerordentlichen Förderbedarf haben. Das ist eindeutig zu viel! Wenn wir davon
ausgehen, dass jeder Lehrer oder jede Lehrerin bis zu einem Viertel ausgleichen
kann, so ist es eine Überforderung des Schulwesens, wenn bis zu 80 Prozent
eine spezifische Betreuung brauchen. Da hilft kein noch so gutes Begleit- und
Stützlehrersystem, denn wenn Sie einen, zwei, drei oder fünf Schüler
herausnehmen, so reicht das immer noch nicht aus, um zu einer entsprechenden
Qualität zu kommen. Es ist daher
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