Gemeinderat,
6. Sitzung vom 28.02.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 75 von 82
aus Praktikern bestehend, die das Ziel haben, die
rechtliche Situation und auch die Praxis zu evaluieren und zu einer zumutbaren
Lösung mit Augenmaß zu kommen, die dafür Sorge trägt, dass die Gemeindebauten
den Wienern vorbehalten bleiben und dass die Sozialleistungen nicht eine
Einladung zum Missbrauch quer durch Europa darstellen können. (Beifall bei
der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als
Nächste zum Wort gemeldet ist Frau GRin Mag Korun. - Bitte.
GRin Mag Alev Korun (Grüner Klub im
Rathaus): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich kann mir die Anmerkung nicht ersparen, dass mir
nach zwei solchen Reden leicht übel ist. (GR
Johann Herzog: Ein Glas Wasser?) Ich werde aber trotzdem Antworten auf die
teilweise total an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen und überhaupt auf
die ihnen zugrunde liegende Haltung geben.
Was mit diesem Dringlichen Antrag vom Wiener Gemeinderat
gefordert wird, ist schlicht und ergreifend Rechtsbruch. Ich wiederhole, damit
es genügend dokumentiert ist: Es ist das Verlangen nach Rechtsbruch! - Dieser
Antrag verlangt nämlich, der Wiener Gemeinderat möge beschließen, dass EU-Recht
gebrochen wird, statt dass es umgesetzt wird.
Es ist interessanterweise und witzigerweise sogar ein
Verlangen nach Rechtsbruch von Rechtsbestimmungen, die Ihr ehemaliger Minister
Böhmdorfer verhandelt hat: Diese Richtlinie wurde in den Jahren 1999, also nach
dem EU-Gipfel von Tampere, und 2003 ausverhandelt, zwischen Regierungschefs,
zwischen Ministern, in Arbeitsgruppen und so weiter, und ich kann mich vage
erinnern, dass in dieser Zeit auch eine gewisse FPÖ in der Bundesregierung
vertreten war, zum Beispiel mit dem besagten Minister Böhmdorfer, der das mit
verhandelt hat. Wie Sie sich einfach so blind und taub und unwissend stellen
und gegen das argumentieren können, was Ihr – zumindest damaliger –
Parteikollege mit verhandelt hat und was er auch mit beschlossen hat, das
überrascht uns, die wir zwar Sie und Ihre Partei kennen, aber es ist trotzdem
etwas merkwürdig.
Was Sie mit diesem Dringlichen Antrag zusätzlich zum
Ausdruck bringen, ist, dass Sie eigentlich für eine ewige und endlose
Diskriminierung sind. Sie wollen, dass Menschen, die irgendwann in ihrem Leben
eingewandert sind, für den Rest ihres Lebens diskriminiert werden, eigentlich
völlig unabhängig davon, welchen Rechtsstatus sie haben, welche
Staatsbürgerschaft sie haben, ob sie sich einbürgern lassen oder nicht. Ich
nenne Ihnen ein konkretes Beispiel aus Ihrem eigenen Dringlichen Antrag: Im
Dringlichen Antrag, im Antragstext selbst sagen Sie, der Zugang zum sozialen
und geförderten Wohnbau soll weiterhin vornehmlich der Wiener Bevölkerung als
Staatsbürger erhalten bleiben - und in der Argumentation vorne sagen Sie,
kinderreiche Eingebürgerte, und das sind meines Wissens österreichische
Staatsangehörige, werden vorgereiht und andere österreichische Staatsbürger
werden diskriminiert.
Das zeigt auch, was für ein ethnisches und eigentlich
rassistisches Denken Sie haben und wie dieses Denken in diesem Antrag zum
Ausdruck kommt, denn für Sie bleiben offensichtlich Menschen, die irgendwann
nach Österreich einwandern, ewig Ausländer, egal, wie oft sie sich in
Österreich einbürgern würden.
Ich finde es interessant, dass Personen von der FPÖ
meine Pressekonferenzen besuchen und mich dabei auch fotografieren. Ich bin
übrigens auch sehr gespannt, wo diese Fotos dann wieder auftauchen werden, die
von mir auf meinen Pressekonferenzen gemacht werden. Wogegen ich mich aber
verwahre, ist, dass die Zahlen, die ich auf Pressekonferenzen genannt habe, in
anderen Zusammenhängen und völlig verzerrt und missbräuchlich verwendet und für
die FPÖ-Propaganda eingesetzt werden.
Die hunderttausend Menschen, die die Bedingungen für
die EU-Richtlinie erfüllen, die bekommen beziehungsweise die würden natürlich,
sofern diese Zahl stimmt, den Zugang zu Gemeindebau, zu Sozialhilfe und zu
anderen Leistungen erhalten. Ich weise darauf hin, dass es in Wien über eine
Million österreichische Staatsangehörige sind, die – klar: Staatsbürgerschaft -
diese Bedingungen auch erfüllen. Und dann muss man sich immer im Detail
anschauen: Braucht jemand überhaupt - völlig unabhängig von der
Staatsbürgerschaft - eine Gemeindewohnung? Werden bestimmte Einkommensgrenzen
eingehalten? Und so weiter, und so fort.
Aber es geht Ihnen eben nicht um inhaltliche
Argumentation, es geht Ihnen darum, Menschen gegeneinander aufzuhetzen, den
Inländern ständig einzureden, dass sie benachteiligt werden würden - und das
angesichts einer Diskriminierungsgeschichte von 42 Jahren in Österreich!
So lange gibt es nämlich schon Arbeitsmigration nach Österreich, und rechtliche
Gleichstellung hat bis vor kurzem mehr oder weniger nicht stattgefunden;
teilweise findet sie jetzt durch diese EU-Richtlinie statt. Diese
Diskriminierungsgeschichte einfach umzudrehen und zu behaupten, Inländer wären
eigentlich diskriminiert, ist schon ein Kunststück, das man einmal beherrschen
muss, und es ist die totale Verdrehung der Sache und die totale Verdrehung der
Tatsachen.
Ich komme kurz auf die Haltung der SPÖ zu sprechen,
weil diese für uns auch nicht ganz nachvollziehbar ist. Die SPÖ hätte die
Öffnung der Gemeindebauten für Menschen, die hier legal leben, Steuern zahlen
und so weiter, schon vor einigen Jahren und Jahrzehnten beschließen und
durchsetzen können. Das hat sie nicht gemacht. Sie hat bis zum letzten
Augenblick gewartet, bis diese EU-Richtlinie in Kraft getreten ist - und die
EU-Richtlinie ist, wie viele hier wahrscheinlich wissen, erst zwei Jahre nach
deren Beschluss überhaupt in Kraft getreten. Das heißt, die Nationalstaaten und
die Kommunen haben zwei Jahre Zeit gehabt, sich auf die Umsetzung der
Richtlinie vorzubereiten.
Wien hat das unseres Wissens nicht
wirklich gemacht. Unsere Anträge, selbst im Dezember, zur Öffnung der
Gemeindebauten wurden abgelehnt, mit dem Argument, die so genannte sanfte
Öffnung der Gemeindebauten würde fortgesetzt werden, eine
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