Gemeinderat,
35. Sitzung vom 25.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 32 von 120
Präsidium vorgelegt und wahrscheinlich auch das Kuratorium
zur Kenntnis gebracht bekommt. Wir wollen das auch alles haben und sind
dagegen, dass die Dinge gehandhabt werden, wie sie derzeit gehandhabt werden.
Wir werden noch so oft über die Strukturreform sprechen, dass ich es jetzt
einmal bleiben lasse und einiges zu den drei anderen Kapiteln, die mir am
Herzen liegen, sage.
Nummer eins, die Sozialhilfe: Wissen Sie, wie
Sozialhilfe gehandhabt werden muss, und zwar laut Gesetz, was im Gesetz steht?
Darin stehen Dinge, von denen die Empfängerinnen und Empfänger nicht einmal
träumen können. Darin steht:
"Die Sozialhilfe hat rechtzeitig zu
erfolgen." – Bei Wartezeiten von vier bis sechs Wochen bis teilweise zu
drei Monaten kann von rechtzeitig nicht einmal andeutungsweise die Rede sein.
"Die Sozialhilfe hat auch zu erfolgen ohne
Antrag." – Wenn jemand nicht einmal einen Antrag stellt, die Behörde aber
von der Notlage erfährt, muss die Sozialhilfe ebenfalls gewährt werden.
"Die Sozialhilfe" – man höre und staune –
"muss vorbeugend gewährt werden."
Von alldem kann nicht einmal die Rede sein. Würde in
Wien die Sozialhilfe so vollzogen, wie sie im Handbuch der Sozialhilfe steht,
so wären wir zufrieden, mit zwei Ausnahmen, die ich jetzt nennen möchte:
Was ist denn der eigentliche Skandal bei der
Sozialhilfe? Der eigentliche Skandal sind die Richtsätze, die zu niedrig sind,
um existenzsichernd zu wirken. Die Grünen fordern daher die Anhebung der
Richtsätze.
Der zweite Punkt: Menschen nichtdeutscher
Muttersprache, die keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, fallen zwar
in eine Kannbestimmung, haben aber kein Recht auf Sozialhilfe. Auch das gehört
geändert. Diese Menschen wohnen in Wien, sind wie wir und müssen die selben
Rechte wie wir haben. (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Eine letzte Anmerkung möchte ich noch machen. Es ist
nicht nur die Zahl der Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger
rasant gestiegen. Da kann sich Wien beim Bund gleich bedanken, weil dort ist
die Urheberschaft zu suchen. Aber womit sich Wien meiner Meinung nach noch
nicht oder zu wenig auseinander gesetzt hat, ist die Tatsache, dass auch die
Zahl der Kinder und Jugendlichen, die zu diesen Familien gehören, exorbitant
angestiegen ist. Es sind nahezu 18 000 junge Menschen, Kinder von
Sozialhilfebeziehern und ungefähr die Hälfte davon geht in die Schule. Ich
weiß, ich habe es schon einmal angemerkt, aber ich sage es noch einmal, der
Schulbeginn kostet viel Geld. Es ist nicht so, dass das alles aus diesem
Warenkorb oder aus dem kommt, was die Stadt Wien zur Verfügung stellt, sondern
selbstverständlich stehen zu Schulbeginn die Lehrer und Lehrerinnen da,
brauchen mehr, was die Stadt nicht liefert und sagen das den Kindern an.
Innerhalb von einer Woche sollen die Kinder diese Dinge bringen. Da rede ich
nicht davon, dass manche Lehrer über das Ziel schießen und sagen, das müssen
Pelikan-Bleistifte oder sonst irgendwelche Spezialartikelchen sein. Da werden
die unwahrscheinlichsten Bestelllisten abgegeben, aber selbst wenn man
No-Name-Produkte kauft, selbst wenn man so wirtschaftlich wie nur möglich
umgeht, unter einem knappen Tausender – ich sage es in Schilling, weil es noch
immer geläufiger ist –kommt man bei Schulbeginn nicht weg, je nach Schulart,
die besucht wird. Teilweise ist es sogar sehr viel mehr. Es müsste eine
Möglichkeit sein, das bei der Sozialhilfe zu beantragen und auch rasch zu
bekommen, denn woher sollen diese Menschen das haben? Woher sollen die plötzlich
einen Tausender – in Schilling – mehr haben.
Zweiter Punkt: Es muss Wintergewand für diese Kinder
und Jugendlichen gekauft werden. Das sind Dinge, die selbstverständlich sind.
Ich weiß, dass die Sozialhilfe für Menschen mit Kindern mehr hergibt als anderen,
aber ich sage Ihnen noch einmal, es reicht nicht aus, um zu verhindern, dass
diese Kinder auf Grund von Armutszeichen, die sie stigmatisierend mit sich
herumtragen, an den Rand der Gesellschaft geschoben und in ihren Klassen
ausgegrenzt werden. Es sind so wenige Kinder und Jugendliche. Wir können das
vermeiden. Die Stadt Wien muss es sich leisten können, für diese
8 000 Kinder die sichtbare Armut zu verhindern und sie integrativ zu
behandeln. Bitte tun Sie das.
Damit schließe ich das Kapitel Sozialhilfe ab, sage
nun etwas zu den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und bringe
diesbezüglich auch einen Antrag ein. Meine Damen und Herren von der SPÖ, es
gibt Gesetze, zum Beispiel das Jugendwohlfahrtsgesetz und in Ergänzung dazu das
Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz. Das Jugendamt darf einen jugendlichen
Flüchtling, der keine Eltern hat und niemanden hat, der für ihn sorgt, nicht
wegschicken. Das ist die Gesetzeslage. Sie können nach Hause gehen, sich
ärgern, toben, kämpfen und gegen den Bund schreien, wenn er das Geld nicht
refundiert, zu wenig refundiert, zu spät refundiert oder was weiß ich. Wir
schimpfen gerne mit Ihnen gegen den Bund. Trotzdem hat die Stadt Wien nicht das
Recht, diese Kinder und Jugendlichen wegzuschicken, sondern ist ganz im Gegenteil
gesetzlich dazu verpflichtet, diese erstens wohnmäßig unterzubringen und
zweitens zu versorgen, mit allem auszustatten, was notwendig ist und sie zu
betreuen. Das heißt, das Jugendamt ist an sich Vormund dieser Kinder und
Jugendlichen. Auch das, was ein Vormund zu tun hat, ist gesetzlich festgelegt.
Auch Eltern, Erziehungsberechtigte, Vormunde, können nicht an diesem Gesetz
vorbei und müssen etwas tun.
Ich möchte Ihnen sagen, was das ist, weil es nicht nur darum
geht, dass sie irgendwo schlafen, sondern es geht darum, dass der Vormund für
Pflege und Erziehung des Minderjährigen verantwortlich ist. Dazu zählt die
Wahrung des körperlichen Wohles – damit ist im Gesetz nicht die Kälte auf der
Donauinsel gemeint, nehme ich einmal – sowie die unmittelbare Aufsicht. Er hat
die nötigen Rahmenbedingungen für die Entfaltung der körperlichen, geistigen,
seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen und Fähigkeiten,
Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie die
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