Gemeinderat,
33. Sitzung vom 25.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 50 von 102
Berichterstatterin GRin Renate Winklbauer:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich bitte um Zustimmung.
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum
Wort gemeldet ist die Frau GRin Cordon. Ich erteile es ihr.
GRin Waltraud Cecile Cordon (Grüner
Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau
Berichterstatterin! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte die Subventionierung für das Symposium
"Geteilte Erinnerung: Generationen des Exils" zum Anlass nehmen,
wieder einmal über die anderen Vereine, die sich mit Exilkultur beschäftigen,
und deren Situation zu sprechen.
Vorweg sei gesagt, dass die Subventionierung dieses
Symposiums erfreulich ist, aber leider in seiner durchaus großzügigen oder
sagen wir angemessenen Subventionierung ein Einzelfall bleibt. Ich möchte Ihnen
ein Zitat eines Textes aus der "Zwischenwelt" vorlesen, das die
Betroffenen selbst zu Wort kommen lässt:
„In den letzten 20 Jahren hat sich gegen viele
Widerstände durch das große persönliche Engagement der Forscherinnen und
Forscher in Österreich eine breit gefächerte Exilforschung entwickelt. Um ihre
akademische Anerkennung zu erreichen, eine Öffentlichkeit und eine
Kommunikationsplattform für Forschungsergebnisse zu schaffen, haben die
österreichischen ExilforscherInnen im Vorjahr die „Österreichische Gesellschaft
für Exilforschung“ gegründet.“ Wozu zu sagen ist, dass diese Gesellschaft ein
großes Ziel hat und vorläufig um ein Minimum an Finanzierung rauft.
Aber trotz
enormen Einsatzes dieses Vereins und einiger anderer gleicht Österreich, leider
auch im Speziellen Wien, in Bezug auf die durch das NS-Regime verursachte
Exilbewegung immer noch vielfach einem Menschen, der einen so schweren
Gedächtnisverlust erlitten hat, dass er sich nicht einmal mehr des Verlustes
erinnert. Es liegt am Mangel der Möglichkeiten einer Kontinuität in der
Exilforschung und das liegt leider auch am mangelnden Verständnis und der
Unterstützung von Seiten der Kulturpolitik.
Und doch ist es höchste Zeit, die Spuren vertriebener
und vergessener Kunst zu sichern. KünstlerInnen, InterpretInnen und WissenschaftlerInnen
wurden im Tausendjährigen Reich aus rassischen und politischen Gründen
verfolgt, gefoltert und getötet, waren getötet worden und wenn sie Glück
hatten, konnten sie noch rechtzeitig ihre Heimat und ihr geistiges Umfeld
verlassen. War für manche das Exilland nur eine Zwischenstation, so war es für
viele eine - um nicht zu sagen - bleibende Heimat, aber ein bleibender
Aufenthaltsort. Denn Sie wissen selbst wahrscheinlich auch, dass Österreich
sich kein Bein ausgerissen hat, seine Exilanten wieder zurück zu holen
beziehungsweise sie zurück zu bitten, erst jetzt natürlich. Jetzt, wo sie
Nobelpreisträger und so weiter sind, jetzt laden wir sie schon wieder ein. Das
ist auch klar.
Die Verdrängung und Ignoranz, die nach der
Beseitigung des Naziregimes im deutschsprachigen Raum eingesetzt hat, die
Unachtsamkeit, mit der Archive mit ihrem Bestand umgegangen sind und
schließlich die Zeit selbst haben eine umfassende dokumentarische Aufarbeitung
lange verhindert. Aber nicht nur das schützenswerte, künstlerische Material
verschwindet, auch die Menschen, deren Werke von uns zur Kenntnis genommen
werden müssen, holt der Tod.
Jetzt fragt man sich durch diese Initiativen durch,
die diese schwierige Auffassung einer Befassung mit Exilliteratur oder
Exilmusik auf sich genommen haben, muss man feststellen, dass deren Arbeit
eigentlich nur mit Selbstausbeutung möglich ist. Es ist nicht annähernd
möglich, diese Arbeit mit einer halbwegs ausreichenden finanziellen
Unterstützung auszuführen.
Ein Verein, der sich mit Exilforschung „Widerstand
zur Zeit des Dritten Reichs“ beschäftigt und auch vom Bund, wenn auch spärlich,
subventioniert wird, ist die Theodor Kramer Gesellschaft. Fast die Hälfte ihres
Budgets kommt aus Mitgliedsbeiträgen, die aus aller Welt kommen, weil diese
Zeitschrift in alle Welt geht, aus Spenden und aus Abos eben der Zeitschrift
"Zwischenwelt". Und vor ein paar Tagen sagte mir der Geschäftsführer:
„Wir warten auf eine Subvention, um die wir voriges Jahr angesucht haben und ich
muss morgen die Honorare auszahlen“, nämlich für eine Veranstaltung, die am
Mittwoch, wie Sie vielleicht auch mitbekommen haben, stattgefunden hat.
Es gibt einen Theodor Kramer Preis für 2001 für
Schreiben "Widerstand im Exil". Ich meine, Sie werden alle auch
wissen, Theodor Kramer war in England im Exil und musste sich wirklich mühselig
seine Rückkehr erkämpfen, und als man ihn endlich zurückgeholt hat, war der
totkrank. Das ist übrigens kein Einzelschicksal.
Die Situation der Theodor Kramer Gesellschaft ist
prekär so wie die aller anderen Vereine, die mit Exilliteratur und Exilkultur
beschäftigt sind, weil man es einfach jahrzehntelang vermieden hat, sich mit
dem Thema Vertreibung, Auschwitz, Exilwiderstand gegen die Nationalsozialisten
zu beschäftigen.
Diese großen Fragen waren lange keine zentralen
Fragen und ungelöste Probleme der Kultur in Österreich und auch heute noch ist
die Beschäftigung mit diesen Themen eben ein Stiefkind dieser Kultur.
Ein weiteres Bespiel ist der Orpheus Trust. Sie sind
am Ende. Ein kurzes Bemerken ihres Daseins vor zwei Jahren bei den Wiener
Festwochen war sehr schön, aber das reicht nicht für Jahre und so ist es im
Moment eigentlich so, wie sie selbst sagen, sie können nicht mehr, sie wissen
nicht, wovon sie leben sollen und womit sie vor allem ihre Veranstaltungen
betreiben sollen. Das Frankreich-Festival wurde abgesagt. Sie können gerade mit
Müh’ und Not ihre Angestellten bezahlen und für ein Konzert reicht das, was man
ihnen als Subvention gegeben hat, vielleicht. Sie werden wissen, der Orpheus
Trust hat es sich zur Aufgabe gemacht, Musik aus dem Exil wieder im großen Stil
zugänglich zu machen und hat auch die Erforschung dieser Musik voran getrieben.
Ich möchte noch einmal das Zitat, das ich in meiner Rede
vor zwei Jahren hier gesagt habe, wiederholen,
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