Gemeinderat,
32. Sitzung vom 24.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 63
und menschenverachtende Missstände im Geriatriezentrum Wienerwald durch Versäumnisse der SPÖ-Gesundheitspolitik. Es wird die Verlesung der Anfrage und die mündliche Begründung sowie eine Debatte über diesen Gegenstand verlangt.
Gemäß § 27 Abs. 5 der Geschäftsordnung hat
auf Verlangen – und das ist geschehen – vor der mündlichen Begründung die
Verlesung der Dringlichen Anfrage zu erfolgen. Ich bitte daher die Frau
Schriftführerin um die Verlesung dieser Dringlichen Anfrage.
Schriftführerin GRin Brigitte Reinberger verliest
die Dringliche Anfrage:
"In einer von der MA 47 durchgeführten
Prüfung der sanitären Zustände im Wiener Pflegeheim Geriatriezentrum Am
Wienerwald (GZW) kamen skandalöse, menschenunwürdige und für eine europäische
Weltstadt inadäquate Zustände ans Licht. Alte Menschen waren durch nachlässiges
und zu seltenes Umlagern zum Wundliegen (!) verurteilt, bettlägerige Patienten
wurden nach dem Bericht in vielen Fällen nur alle drei (!) Monate gebadet.
Selbst Heimbewohnern, die sich in einem besseren gesundheitlichen Zustand
befanden, wurde um 15 Uhr (!) Bettruhe und das Tragen von Windeln befohlen.
Tragischer Höhepunkt sei laut Bericht der 'bedauernswerte Zustand' einer
87-jährigen Patientin gewesen, die 'sich halb liegend auf einem Rollstuhl vor
dem Esstisch befand' und seit fünfeinhalb Wochen nicht mehr gebadet wurde.
Die sanitäre Aufsicht wurde in den letzten Jahren
offensichtlich überhaupt nicht wahrgenommen. Auch wurden die entsprechenden
Konsequenzen aus diesem Versäumnis nicht wahrgenommen und getragen. Beide Fälle
stellen jedenfalls ein schlimmes Versagen der politisch Verantwortlichen dar.
Die Dienstaufsicht hat – wie sich mittlerweile
herausgestellt hat – völlig versagt. Die Verantwortlichen in der kollegialen
Führung des GZW und im KAV selbst haben ihre Dienstaufsichtspflichten völlig
vernachlässigt. Die zuständige Stadträtin Pittermann spricht zudem von
'potemkinschen Dörfern', welche ihre leitenden Beamten vor ihr errichtet
hätten. Ihre Führungsschwäche und fehlende Durchsetzungskraft wird allein durch
ihr Eingeständnis mehr als offenkundig.
Seit dem Skandal um das Krankenhaus Lainz wurden die
Wienerinnen und Wiener nicht mehr mit einer solchen Tragödie in ihrer Stadt
konfrontiert. Das Vertrauen der Bevölkerung, insbesondere der älteren Menschen
in unserer Stadt, wird durch diese verantwortungslosen Zustände völlig
missbraucht. Besonders die Senioren werden durch diese unwürdigen Missstände in
diesem städtischen Pflegeheim verunsichert.
Dieser Skandal ist nur der Höhepunkt in einer Reihe
von menschlichen und sanitären Missständen und Tragödien, die ausschließlich
auf dem politischen Unwillen und die für viele Menschen tragische
Lernunfähigkeit der SPÖ-Gesundheitspolitik beruhen. Die Warnungen der
Oppositionsparteien hinsichtlich der teilweise menschenunwürdigen und für Leib
und Gesundheit der Patienten gefährlichen Zustände in einigen städtischen
Pflegeheimen wurden seit Jahren negiert. Die zuständige Stadträtin Dr Elisabeth
Pittermann hat selbst im Gemeinderat Missstände konsequent geleugnet. Hinzu
kommt, dass sie seit Jahren verabsäumt hat, dem Wiener Landtag ein neues Wiener
Pflegeheimgesetz vorzulegen, welches die Qualitätsstandards auf eine neue
rechtliche Basis gehoben hätte.
Faktum ist, dass die Wiener SPÖ aus den tragischen
Vorfällen im Krankenhaus Lainz Ende der 80er Jahre nichts gelernt hat und die
Konsequenzen völlig unzureichend waren. Aus einer Mischung aus Wegschauen und
einer nicht nachvollziehbaren Realitätsverweigerung durch den amtierenden
Wiener Bürgermeister Dr Michael Häupl und Stadträtin Pittermann spitzte sich in
den letzten Jahren eine Entwicklung zu, zu der es bei vorausschauender und
umsichtiger Planung nicht hätte kommen müssen.
Die gefertigten Gemeinderäte stellen daher gemäß
§§ 36 und 37 der Geschäftsordnung des Gemeinderates der Stadt Wien an die
amtsführende Stadträtin für Gesundheits- und Spitalswesen folgende Dringliche
Anfrage:
1. Die sanitäre Aufsicht der Wiener Pflegeheime fällt
in Ihren Verantwortungsbereich. Wie rechtfertigen Sie, dass die Organe der
sanitären Aufsicht der MA 47 diese menschenunwürdigen und skandalösen Zustände
jahrelang nicht wahrgenommen haben? Warum wurde auf die diesbezügliche Kritik
des Rechnungshofes und des Kontrollamtes nicht viel früher reagiert?
2. Laut Auskunft von Berichten zahlreicher
Angehöriger (siehe Berichte in den Medien) sind konkrete Beschwerdefälle an die
zuständigen Stellen, konkret auch an Ihr Büro, herangetragen worden. Die
teilweise menschenunwürdigen Zustände sind somit nachweisbar seit Jahren
bekannt gewesen.
a. Aus welchen Gründen haben Sie nicht umgehend
darauf reagiert beziehungsweise die zuständigen Stellen in Ihrem Büro die
zahlreichen Hinweise negiert?
b. Wieso hat die Kollegiale Führung des GZW nicht die
entsprechenden Schritte in die Wege geleitet?
c. Stimmen Sie mit der Ansicht überein, dass die
Hierarchie der Dienstaufsicht in diesem Zusammenhang völlig versagt hat?
3. Warum erfolgte die 'unangekündigte' Prüfung der
Zustände im Geriatriezentrum Am Wienerwald durch die MA 47 erst diesen
Sommer, wiewohl seit längerem (nicht erst seit Frühjahr 2003) bekannt ist, dass
die dortigen sanitären und pflegerischen Zustände teilweise im Argen liegen?
4. Sie selbst haben in einem Interview mit einer
Tageszeitung gesagt, dass Sie den Direktor der KAV-Teilunternehmung Dr Kaspar
für den Pflegeheim für verantwortlich und als ihren Ansprechpartner halten. Wie
beurteilen Sie konkret die Verantwortung der KAV-Führung in diesem Zusammenhang
(betreffend Frage 1, 2 und 3)? Welche Konsequenzen werden Sie daraus konkret
ziehen?
5. Sie selbst und der KAV haben
beim ÖBIG einen Analysebericht 'Wiener Pflegeheimplan' in Auftrag
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