Gemeinderat,
32. Sitzung vom 24.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 63
verhindern. Aber ich möchte wirklich davor warnen,
dass jetzt allgemein der Eindruck erweckt wird, in allen Geriatriezentren, auf
allen Stationen, herrschen menschenunwürdige Zustände. Es gab in einem
umrissenen Bereich Fehlverhalten. Es kam zu untolerierbaren Vorkommnissen. Ich
lasse aber nicht zu, dass wir unsere hoch qualifizierten MitarbeiterInnen
pauschal verurteilen! (Beifall bei SPÖ und GR Dipl Ing Martin
Margulies.)
Mehr als
13 800 Menschen, überwiegend Frauen, leisten tagtäglich diese schwere
Arbeit mit der notwendigen Sorgfalt, Geduld und Einfühlungsvermögen. Der
Pflegeberuf ist ein sehr fordernder und sehr verbrauchender Beruf, der nur mit
entsprechender Motivation und Einstellung lebenslang der Wunschberuf bleibt. Es
ist ein physisch und psychisch sehr harter Beruf. Mit alten und im Bereich
unserer Geriatriezentren zum überwiegenden Teil dementen Menschen zu arbeiten,
ist nicht attraktiv und geht wirklich an die Grenzen der persönlichen
Leistungsfähigkeit. Auch das muss man einmal sagen. Dort sind die Menschen, die
in den meisten anderen Einrichtungen gar nicht mehr genommen werden und die man
auch sehr schwer daheim versorgen kann. Ich weiß, wovon ich spreche, weil ich
selbst acht Jahre lang meinen äußerst behinderten Vater gepflegt habe. Daher
weiß ich, wie verbrauchend und wie schwierig das ist und wie schwierig es auch
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist. Wir haben das in meiner Abteilung
genauso gehabt und ich habe gesehen, wie schwierig das für alle war und wie
schwierig es für die Angehörigen ist. Das zusammen ist natürlich ein Großteil
an Emotionen, die hier gelebt werden und das ist für die Menschen derartig
hart. Daher bitte ich wirklich, dass man nicht die Menschen in den
Pflegeeinrichtungen dann als solche hinstellt, die ihren Beruf nicht richtig
wahrnehmen. Mein großer Dank gilt daher allen, die diesen verantwortungsvollen
Beruf ergriffen haben und physisch wie psychisch schwere Arbeit leisten. Sie
haben es wirklich nicht verdient, in irgendeiner Weise angepatzt zu werden!
Wir sind ständig bemüht, die Lebensqualität der
Betreuten des Pflegepersonals zu heben. In diesem Zusammenhang möchte ich
anführen, dass wir laufend die Altbausubstanz durch Umbauten verbessern.
Vergessen Sie nicht, vor zirka 30 Jahren hatten wir noch
Dreißigbettensäle. Es wird sukzessive verbessert und ausgebaut. Wir haben
bedarfs- und bedürfnisgerecht die Neubauten geschaffen, wie schon frühzeitig im
Donauspital das Zentrum für Geriatrie, aber auch in der letzten Zeit das GZ
Nord und das GZ Favoriten. Wir heben seit über zehn Jahren kontinuierlich den
Personalschlüssel an, von 44 PflegerInnen auf 63 PflegerInnen pro
100 zu Betreuenden. Es gibt, glaube ich, keine einzige geriatrische
Einrichtung in Österreich, die diesen Personalschlüssel hat. Darin sind wir
federführend. Dass es noch höher noch besser wäre, will ich bei Gott nicht
leugnen. Wir wissen, dass mehr immer noch besser ist für die Betreuten und für
die MitarbeiterInnen, aber wir sind weit über dem Pflegeschlüssel aller anderen
Institutionen. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir
haben weitere Problembereiche, um die wir uns mit großem Einsatz und großer
Konzentration kümmern müssen. Der Zugang zur Frühpension wird verschärft. Im Pflegeberuf
leiden die meisten schon unter 50 an einem Burn-out und massiven Erkrankungen
im Bewegungsapparat, ebenso im Stoffwechselbereich. Sie haben eine schwere
körperliche Arbeit zu leisten. Es ist praktisch unmöglich, bis zum
60. Lebensjahr in der Pflege am Krankenbett zu verbleiben. Aber was sollen
diese Menschen machen, wenn sie über 50 sind und gezwungen sind, weil sie
eben nicht von Staatswegen her in Pension gehen dürfen, weil die Frühpension
fast nicht mehr möglich ist? Was sollen sie machen, wenn sie noch im
Berufsleben verbleiben müssen? Haben Sie sich das in der Bundesregierung
überlegt, als verschärfte Pensionsbestimmungen beschlossen wurden? Welche
beruflichen Perspektiven haben diese Menschen, die nicht mehr den vollen
körperlichen Einsatz geben können? Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten täglich
mit einem wechselnden Tag-/Nachtrhythmus. Allein das – da müsste noch gar keine
schwere körperliche Arbeit vorhanden sein – ist derartig verbrauchend, dass es
kein Mensch weiß, der nie in einem Wechseldienst gearbeitet hat. Welche
beruflichen Perspektiven können wir ihnen dann noch bieten, wenn sie,
ausgelaugt, an ihrer körperlichen Leistungsgrenze, nicht in Frühpension ohne
Pensionsabschläge gehen können?
Wir
wissen auch, dass es die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung gibt. Wir
können auf die Leistungen unseres engagierten Pflegeteams stolz sein. Seit dem
Jahr 1994 konnten die engagierten Teams unserer Geriatriezentren in der
Betreuung von geriatrischen LangzeitpatientInnen immer wieder nationale und
internationale Auszeichnungen erringen. Dies ist umso bemerkenswerter, da
gerade die Betreuung dieser alten, kranken Menschen, die ihr über Jahrzehnte
gewohntes Leben nicht mehr in der Art und Weise fortführen können – was für
jeden Menschen grauenhaft ist, wenn er das nicht kann –, ein wesentlich höheres
Maß des Sicheinlassenkönnens erfordert, als dies je in Akutbetreuungsbereichen
der Fall ist.
1994,
1998, 1999, 2000 und 2002 wurden Teams, welche dieses Motto
nachweislich real werden ließen, mit Preisen gewürdigt. Vier Mal, 1994 das
Geriatriezentrum am Wienerwald, 1998 das Geriatriezentrum Liesing, 2000
Klosterneuburg und 2002 wieder das Geriatriezentrum am Wienerwald, nämlich
jenes Lainz, konnten diese Einrichtungen den renommierten Preis "Golden
Helix Award" mit ihren innovativen und engagierten Projekten für
patientenorientierte Qualitätsverbesserung gewinnen. Dieser Preis wird für die
besten Projekte in Österreich und Deutschland gestiftet. Ich bin sehr stolz
darauf und danke diesen Teams, die diesen Preis gewonnen haben. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir sind beim Pflegeberuf
naturgemäß mit frauen-, familien- und gesundheitsfeindlichen
Arbeitszeitmodellen konfrontiert. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden
täglich sind dienstlich zu besetzen. Wen interessiert es dann, dass es
familieninterne Konsequenzen gibt? Wie macht es die Alleinerzieherin, wenn
irgendwer für die Betreuung
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