Gemeinderat,
29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 133
Frauenpolitik verfolgt.
Aber unser Problem ist auch nicht nur das alltägliche
Leben zwischen Mann und Frau in den Geschlechterrollen, sondern das Problem
ist, dass wir glauben, alles durch Gesetz regeln zu können. Frau Stadtrat, wir
haben im letzten Ausschuss so ein Beispiel gehabt - ich werde noch einmal
länger darauf eingehen, vielleicht am Donnerstag -, das ist das Beispiel des
Senatsvorsitzenden bei Disziplinarangelegenheiten in der Wiener Dienstordnung.
Da ist, weil wir es zwangsweise gesetzlich regeln müssen, vorgesehen, dass der
Vorsitzende im Disziplinarsenat des gleichen Geschlechtes wie der Beschuldigte
sein muss. Sie wissen, ich habe gesagt, dass ich das nicht verstehe. Denn ich
versuche, mich in die Lage zu versetzen, in der ein Mann von einem Bediensteten
der Stadt Wien - auch ein Mann - sexuell belästigt wird; dann ist der
Vorsitzende automatisch ein Mann. Ich sage Ihnen, ich würde das nicht wollten,
ich hätte lieber eine Frau. Ich würde das lieber einer Frau erzählen, wenn ich
sexuell belästigt worden bin, und nicht einem Mann. (Beifall bei Gemeinderäten der Freiheitlichen.)
Das ist der Punkt, die Grenze der Frauenpolitik: Man
wird nicht alles, was geschlechterspezifisch ist, gesetzlich regeln können.
Deswegen sollte man sich überlegen, ob man es im Notfall immer tun muss oder nicht.
Deswegen ist man noch kein Macho, wenn man das so sieht, aber man hat eben
versucht, im Sinn des Diskurses ein bisschen weiterzudenken.
Lassen Sie mich abschließend einige Worte zur
Integrationspolitik sagen. Es ist viel darüber gesagt worden, ob sie
gescheitert ist oder nicht. Ich habe zwei Hauptargumente, die mich zurzeit in
der Integrationspolitik bewegen und zu denen ich auch noch nicht wirklich eine
Antwort habe, die aber noch kontradiktorisch zu dem stehen, was Sie sagen.
Das eine ist die Frage der Integrationspolitik als
Ergebnis verfehlter Migrationspolitik. Kollegin Vassilakou, du hast heute
wieder gesagt, dass es für Wien so typisch, spezifisch ist, dass auch früher so
viele Einwanderungsgruppen dazugekommen sind. (StRin Mag Maria Vassilakou:
Genau, ja!) Das ist eigentlich städtespezifisch, das hat seit der Antike
etwas mit der Frage von Stadt oder Land zu tun. Sonst säßen wir alle noch heute
auf dem Land und würden ackern; so wie die ÖVP, das war ja das Beispiel mit den
Bauern. Nein!
Es ist für Wien natürlich sehr typisch. Diese
Diskussion hat auch vor hundert Jahren oder vor mehr als hundert Jahren schon
einmal stattgefunden und war gerade in der Sozialdemokratie von nahezu
sprengkraftartiger Wirkung. Da ging es um die Frage: deutscher Sozialdemokrat
oder tschechischer Sozialist? Dabei hätte es die SPÖ - das ist ja nicht mein
Problem - zweimal beinahe zerrissen, einmal vor dem Ersten Weltkrieg, einmal
nach dem Ersten Weltkrieg. Aber die Frage ist, ob die Weiterentwicklung der
Demokratie im Bereich der Integrationspolitik automatisch durch ein Wahlrecht,
durch das Staatsbürgerschaftsrecht oder was auch immer gewährleistet ist, ob
das automatisch eine positive Maßnahme ist oder nicht. Da bin ich noch sehr
skeptisch.
Ich bin auch deswegen skeptisch, weil ich mir die
Frage stelle: Wen wollen wir eigentlich in welchem Ausmaß - jetzt nicht von der
Stückzahl her, sondern überhaupt - integrieren? In welche Gesellschaft wollen
wir diejenigen integrieren? Was ist die spezifisch österreichische Kultur? - In
Deutschland hat es die Debatte über die Leitkultur gegeben. Bei uns leider
nicht. Was ist die spezifische österreichische Kultur, die für uns so
wünschenswert ist, dass wir sie erstens erhalten und zweitens jemand darin
integrieren?
Unser Problem ist, dass wir darüber selbst keinen
gesellschaftlichen Konsens haben. Und weil wir den nicht haben, werden wir à la
longue auch nicht in der Lage sein, andere Gruppen zu integrieren, insbesondere
dann, wenn wir heute beginnen, nicht mehr zu sagen, was sie eigentlich tun
müssen, um bei uns integriert zu werden, sondern uns zu überlegen, was wir tun
müssen, um ihre Kultur mit aufzunehmen.
Jetzt sage ich einmal ganz ehrlich im Sinne des
Foucault'schen Diskurses - und das darf man dann manchmal sagen -: Ich will das
gar nicht. Vielleicht will ich das gar nicht! Vielleicht will ich von dieser
Kultur nichts übernehmen, weil ich - ich habe das letzte Mal dem Bürgermeister
bei seiner europapolitischen Erklärung genau zugehört - einfach den Kant haben
will. Er hat da Immanuel Kant bemüht über die Frage der Einigung Europas et
cetera, und ich will das auch. Ich will die Geistesgeschichte von Hegel und
Kant haben. Ich will, dass ich mich mit Montesquieu und anderen auseinander
setze, mit Locke et cetera.
Ich will mich nicht unbedingt mit bestimmten
Kulturteilen auseinander setzen, die einige der Zuwanderungsgruppen mitbringen,
weil sie für mich und auch für meine Nachfahren einen Rückschritt bedeuteten,
weil der Islam eben aus meiner Sicht - und ich glaube, es wird auch noch lange
dauern, dass er sich weiterentwickelt - heute noch nicht so weit entwickelt
ist. Er ist nicht so weit wie unseres Geistesgeschichte, er ist auf einem
anderen Stand. Ich bewerte das nicht negativ, aber es ist so. Daher stellt sich
die Frage, wie man so etwas integrieren kann. Ich will nicht, dass die Rechte
der Frauen, die mühsam erstritten wurden, durch die Integration des Islam
teilweise wieder rückgängig gemacht werden. Und sagt bitte nicht, dass es nicht
so ist! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich frage mich auch: Welchen Teil der Geschichte soll ich
den Neueinwanderungsgruppen, die zu uns gekommen sind, mitgeben, die ich selbst
irgendwie im kollektiven Geist oder im individuellen Geist, in meiner
persönlichen Lebensgeschichte mit erfahren haben, wie viele andere auch? Was
soll ich sagen? Soll ich sagen, irgendwann waren meine Vorfahren kroatische
Panduren, geholt haben sie die Habsburger zum Kriegführen, erstens gegen die
Schweden, zweitens gegen die Türken, drittens gegen die Preußen, ein paar Jahrhunderte
lang, bis das alles halbwegs befriedet war? Dann haben sie sich in
menschenleeren Gegenden ansiedeln dürfen, haben sich als die besseren Slawen
gefühlt, und am Schluss sind sie aus ihrer Sicht Deutsche geworden, weil sie
die Sprache abgegeben haben. Ist das eine
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